Globale Aktienfonds: Bratwurst schlägt Kobe-Rind

Japan, nein danke! Eine Auswertung globaler Aktienfonds liefert interessante Erkenntnisse über die großen Wetten der aktiven Fondsmanager.

Ali Masarwah 17.06.2013
Facebook Twitter LinkedIn

Der Volksmund formuliert es so: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht“. Übertragen auf die Frage, ob Japan-Aktien heute für Fondsmanager ein lohnendes Investment darstellen, muss man konstatieren, dass die Lenker globaler Aktienfonds dem Braten offenbar immer noch nicht trauen. Ungeachtet der beachtlichen Hausse am japanischen Aktienmarkt, die die Politik des neuen Premiers Shinzo Abe seit Ende 2012 ausgelöst hat, halten sich globale Fonds für Standardwerte deutlich zurück, wenn es um japanische Aktien geht. Zu groß waren offenbar die Enttäuschungen in den vergangenen Jahren, in denen immer wieder aufflammende Hoffnungen auf ein Comeback des Nikkei von der tristen deflationären Realität Japans zunichte gemacht wurden.

Dieses ist die erste wichtige Erkenntnis unserer Auswertung der Allokationsstrategien globaler Aktienfonds in den vergangenen drei Jahren. Ausgehend von diesem Befund haben wir uns auch gefragt, worauf die Fondsmanager internationaler Aktienfonds den Schwerpunkt in den vergangenen Jahren gelegt haben und wo sie heute unterwegs sind. Wie sind wir bei unserer Umschau zu globalen Aktienfonds vorgegangen? 

Alle globalen Aktienfonds im deutschsprachigen Raum im Überblick

Im ersten Schritt haben wir uns alle drei Morningstar Aktien-Kategorien für global investierende Standardwertefonds der Stilrichtungen Blend, Value und Growth vorgenommen. Danach haben wir alle Fonds, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Vertrieb zugelassen sind, ausgewählt und uns auf die Fondstranchen mit der längsten Historie konzentriert. Unsere Datenbank Morningstar Direct hat 818 Fonds ermittelt, von denen wir  - je nach Zeitpunkt der Auswertung  - vollständige Portfolios von bis zu 631 Produkten erfasst haben. Wir haben uns den Verlauf der Portfolio-Allokationen in den vergangenen drei Jahren per Ende Mai angesehen und ihn mit der großen globalen Benchmark, MSCI World NR, auf Unter- und Übergewichtungen abgeglichen. Unsere Ergebnisse im Einzelnen:

Die erste Erkenntnis: Abenomics? Nur ohne meinen Fonds!

Angesichts der seit Anfang des Jahres zu beobachtenden Japan-Hype an den Aktienmärkten erstaunt die Antwort auf unsere erste Frage: Wie halten es globale Fonds mit Japan? Das Ergebnis: Bis heute haben globale Aktienfonds ihre Japan-Positionen nicht einmal auf eine neutrale Gewichtung gegenüber dem MSCI World gebracht. Im Durchschnitt waren die Fonds per Ende April nur zu 7,3% am japanischen Aktienmarkt investiert. Der MSCI World NR wies per Ende April immerhin ein Gewicht von 9,2% an japanischen Aktien auf.

Bedenklich ist das Bild zum einen, weil die Aussagen des japanischen Premiers bereits deutlich vor seiner Amtseinführung im Dezember 2012 auf eine sehr expansive monetäre, fiskalpolitische und wirtschaftspolitische Linie schließen ließen. Abe geht es darum, Japan aus der Deflation herauszuführen - koste es, was es wolle. Entsprechend  positiv haben die Aktienmärkte bereits auf derart lautende Deklarationen reagiert – von Mitte November 2012 bis zum (vorläufigen?) Höhepunkt Mitte Mai 2013 legte der Index Nikkei 225 um 77,5% zu. Es war gewissermaßen eine Hausse mit Ansage.

Die bloße Untergewichtung japanischer Aktien ist jedoch nicht das Einzige, was beunruhigt. Die Veränderungen bei der Japan-Gewichtung in den Fonds über die Zeit lassen den Schluss zu, dass Fondsmanager erst zuletzt langsam angefangen haben, die Japan-Allokation zu erhöhen. 

Viele Fondsmanager haben sich mit Blick auf Japan-Aktien recht spät ein Herz gefasst – und haben dann in ein fallendes Messer gegriffen.

In den vergangenen drei Jahren lag die durchschnittliche Japan-Quote in den betrachteten Fonds bei 6,25% (vs. 9,2% beim MSCI World), per Ende Dezember 2012 lag sie bei deutlich unterdurchschnittlichen 5,72%. In diesem Jahr ist der Anteil der Japan-Aktien dann stetig auf 7,3% per Ende April gestiegen, und erste Indikationen zeigen, dass dies in etwa der Größenordnung per Ende Mai entspricht.

Nun muss man wissen dass der japanische Standardwerteindex seit seinem Hoch bei 15.380 Punkten am 21. Mai auf derzeit rund 13.000 Punkte korrigiert hat. Viele Fondsmanager haben sich also offenbar recht spät ein Herz gefasst – und haben dann in ein fallendes Messer gegriffen.

Die zweite Erkenntnis: Deutschland und die Schweiz sind Fondsmanagers Lieblinge

Natürlich stellt sich als Nächstes die Frage, worauf globale Aktienfonds aktuell setzen und wie sich diese Gewichtungen in den vergangenen Monaten verändert haben. Hier zeigt sich erstaunlich kontinuierlich ein Home Bias: man kauft vor allem Aktien von Unternehmen, die man gut kennt: also aus Europa und der Eurozone. Das, was viele Fondsmanager Anlegern predigen, über verschiedene Kontinente zu diversifizieren und nicht zu heimatgebunden zu investieren, praktizieren sie nicht unbedingt in ihren Portfolios: die Eurozone und auch die Schweiz sind in den Fonds gegenüber dem Vergleichsindex konstant übergewichtet.

Stichwort Eurozonen-Aktien: In den drei Jahren zwischen Juni 2010 und Mai 2013 waren Aktien aus dem Gemeinschaftswährungsraum übergewichtet. Im Juni 2010 waren Euro-Aktien im Schnitt mit 17,9% gewichtet gegenüber damals nur 13,5% im MSCI World Index. Per Ende Mai 2013 lag die Quote zuletzt bei 16,1% verglichen mit 12,1% bei der MSCI-Benchmark. In den vergangenen 36 Monaten waren laut unserer Datenbank Euroland-Aktien mit 16,7% gewichtet. Beim MSCI World lag die Quote im Schnitt der vergangenen drei Jahre bei 12,7%.

Wurde Deutschland noch vor zehn Jahren als kranker Mann der Eurozone geschmäht, hat sich der DAX seitdem zum Liebling der Fondsmanager entwickelt

Stichwort deutsche Aktien: Wurde Deutschland noch vor zehn Jahren als kranker Mann der Eurozone geschmäht, hat sich der DAX seitdem zum Liebling der Fondsmanager entwickelt, die hier relative Stabilität und jede Menge Exportgewinner wittern. Heute sind globale Aktienfonds mit Vertriebszulassung im deutschsprachigen Raum im Schnitt zu 6,0% in deutschen Aktien investiert. Das ist eine sehr starke Übergewichtung gegenüber der Benchmark, die deutsche Unternehmen mit 3,6% gewichtet. Interessanterweise haben Portfoliomanager die Deutschland-Wette in ihren Fonds im Verlauf der vergangenen drei Jahre sogar verstärkt, auch wenn die Eurokrise zuletzt abgeebbt ist. Im Durchschnitt lag die Deutschland-Quote in den betrachteten Fonds bei 5,6%, also deutlich unter dem derzeitigen Niveau.

Stichwort Schweizer Aktien: Aktien aus der Schweiz waren ebenfalls über den gesamten Betrachtungszeitraum übergewichtet – alle Fondsmanager lieben offenbar Nestlé! Im Durchschnitt der vergangenen 3 Jahre lag der Anteil der eidgenössischen Konzerne in den globalen Fonds bei 4,65% - gegenüber 3,6% im Index. Das höchste Gewicht hatten Schweizer Aktien im Februar mit 5,2% (gegenüber 3,85% beim MSCI World).

Summa summarum überrascht die hohe Übergewichtung von Euroland-Aktien, zum einen, weil der europäische Kontinent in den vergangenen drei Jahren eine turbulente Entwicklung verzeichnen musste. Wir erinnern uns, dass sich die Euro-Krise im Frühjahr 2010 verschärfte und seitdem Kapitalanleger unverändert in Atem hält. Und die Fondsmanager? Allenfalls auf dem Höhepunkt der Eurokrise im Herbst 2011 und in den Monaten danach war eine leichte Reduzierung der Euroland-Quote in den globalen Portfolios zu verzeichnen – die freilich stets höher lag als im Referenzindex.

Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang an die regelrechte Beschwörung der Anleger durch die Fondsanbieter, ihre Investments doch ja zu diversifizieren und sich nicht zu sehr auf die Heimatregion zu konzentrieren. Man predigt also Wasser und trinkt Wein! 

Die dritte Erkenntnis: US-Aktien bleiben oft außen vor

Wenig überraschend dürfte der letzte, dritte Punkt unserer Untersuchung ausfallen: US-Aktien sind in den globalen Portfolios deutlich untergewichtet. Im Schnitt der letzten drei Jahre waren Amerika-Aktien mit 34,4% in den betrachteten Fonds vertreten, verglichen mit 50,7% im MSCI World Index. Angesichts der relativen Stabilität der US-Wirtschaft gegenüber der turbulenten Eurozone erstaunt dieser Befund, zumal die Fonds mehrheitlich erst ab Anfang 2012, dem Jahr der Eurozonen-Outperformance, anfingen, ihr substanzielles Untergewicht in den USA abzubauen – wobei auch die gegenwärtige Quote von rund 37% immer noch deutlich unter Benchmark-Niveau liegt. 

Dem gegenüber waren Emerging-Markets-Aktien durch die Bank deutlich übergewichtet, was kein Wunder ist, da Schwellenländer nicht im MSCI World Index vertreten sind. In den in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugelassenen Fonds waren Aktien aus diesen Ländern konstant relativ hoch gewichtet; Im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre waren es 7,5% der Fondsportfolios.  

Zu guter Letzt wollen wir auch einen Blick auf den relativen Erfolg der global investierenden Aktienfonds aus der Vogelperspektive werfen. Im Schnitt erwirtschafteten aktiv verwaltete Fonds per Ende Mai in diesem Jahr eine Rendite von 10,97%. Damit schnitten die in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Vertrieb zugelassenen Fonds gut 300 Basispunkte schlechter ab als der MSCI World. In den vergangenen 12 Monaten legten die globalen Fonds um 18,64% zu gegenüber 21,9% beim MSCI World. Auch in den vergangenen drei und fünf Jahren lagen globale Fonds deutlich hinter ihrer Benchmark.

Die Kosten sind das eine. Die Underperformance lag aber auch an der trägen Reaktion vieler Fonds auf aktuelle Ereignisse.

Auch wenn die Kosten ein wichtiger Grund für die Underperformance ist, deutet die träge Reaktion vieler Fonds bei der Asset Allocation an, warum sie im Schnitt der Benchmark deutlich hinterherhinken. Auch die Tatsache, dass Schwellenländer, die nicht in der MSCI Benchmark vertreten sind, eine klassische Wette bei aktiven Fonds darstellt, dürfte in den vergangenen drei Jahren der Performance ebenso wenig geholfen haben, wie die konstante Übergewichtung von Goldminen-Aktien. 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich