Sind ETF-Anleger die schlaueren Investoren?

Ein Vergleich zwischen dem Verhalten von Investoren in Indexfonds und in solche, die aktive Fonds bevorzugen. 

Ali Masarwah 28.10.2013
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Böse Zungen behaupten, dass ein anderes Wort für Fondsinvestoren Trägheitsmoment lautet. Fondsanleger kaufen häufig, wenn sich ein Trend längst am Kapitalmarkt etabliert hat. Dann ist bereits ein Großteil der Performance gelaufen. Die Folgen für den Einstieg in der Spätphase einer Hausse sind hinlänglich bekannt. Man kauft zu teuer und droht, kurz vor dem Beginn einer Korrektur einzusteigen. (Oft halten diese Investoren zu lange an ihren Überzeugungen fest und erleiden in Baisse-Phasen hohe Verluste).

Wenn Fondsinvestoren zu träge auf Markttrends reagieren bzw. aufgrund falscher Signale handeln, stellt sich die Frage, ob Anleger in börsengehandelte Fonds, ETFs, die besseren Market-Timer sind. ETFs werden in aller Regel von institutionellen Anlegern gekauft, die als sophistizierter gelten als Privatanleger. ETFs sind die perfekten Instrumente für den Handeln innert eines Tages. Die aktuellen Fonds-Absatzdaten für den europäischen Markt liefern hierzu einigen Stoff für Spekulationen (hier gelangen Sie zum vollständigen Bericht).

Stichwort Eurozonen-Aktienfonds. Im September 2013 haben Anleger gut eine Milliarde Euro netto in aktiv verwaltete Fonds für Standardwerte aus der Eurozone investiert – so viel wie zuletzt im Februar 2011. Mehr wurde in den vergangenen sieben Jahren nur im Juli 2009 in dieses Aktiensegment angelegt. Über weite Strecken der vergangenen Jahre haben Anleger indes Eurozonenfonds verkauft. Heute setzen sie offenbar auf die sich abzeichnende konjunkturelle Erholung in der Euro-Peripherie. 

Die Erholung beim Euro STOXX 50 ist inzwischen weit vorangeschritten

Nun muss man wissen, dass die Wette auf die Erholung der Eurozone alles andere als eine revolutionär neue Strategie ist. Blickt man auf die Performance des Standardindex Euro STOXX 50, stellt man fest, dass Euro-Aktien bereits seit Mitte 2012 eine rasante Erholung verzeichnen. Seit dem inzwischen legendären Statement von EZB-Präsident Mario Draghi Ende Juni 2012, alles Nötige unternehmen zu wollen, um die Gemeinschaftswährung zu retten, hat der Euro Stoxx 50 um fast 40 Prozent zugelegt. Wer heute in Eurozonen-Aktien investiert, ist also reichlich spät dabei.

Die Folgen für den Einstieg in der Spätphase einer Hausse sind hinlänglich bekannt. Man kauft zu teuer und droht, kurz vor dem Beginn einer Korrektur einzusteigen.

ETF-Anleger haben dem gegenüber den Ruf, schnell auf aktuelle Markttrends zu reagieren. Wie haben sie sich mit Blick auf Eurozonen-Aktien verhalten? Während Anleger in aktive Fonds seit Juni 2012 (Draghi-Statement) 590 Millionen Euro aus Eurozonen-Aktienfonds abgezogen haben, investierten ETF-Anleger seitdem netto 1,8 Milliarden Euro in Euro-ETFs. 1:0 für ETF-Anleger also.

ETF-Anleger setzen bei Schwellenländern auf die Wende

Stichwort Emerging Markets Aktien. Lange Zeit galt dieses Segment als Favorit von ETF-Anlegern und Fonds-Investoren gleichermaßen. Die Wende kam Anfang dieses Jahres. Immer stärker dringt seitdem ins Bewusstsein von Investoren, dass sich das Wachstum in vielen Schwellenländern abschwächt. Seit Februar standen ETF-Anleger in Europa überwiegend auf der Verkaufsseite bei globalen Schwellenländer-ETFs.

Anders dagegen Anleger in aktive Schwellenländerfonds. Ungeachtet sinkender Aktienkurse investierten sie unverdrossen weiter. Bis der scheidende US-Notenbank-Chef Ben Bernanke im Mai und Juni die Märkte auf ein Ende der extrem lockeren Geldpolitik in den USA einstimmte und die Aktienmärkte auf Talfahrt schickte. Das war das Ausstiegssignal. Seitdem ziehen Anleger in aktive Fonds die Reißleine.  

Im dritten Quartal mussten aktiv verwaltete globale Schwellenländerfonds 2,4 Milliarden Euro an Abflüssen hinnehmen. Das änderte sich auch nicht, als die US-Notenbank den Einstieg aus dem Ausstieg aus QE 3  verkündete. Auch im September dominierten Rückgaben bei aktiv verwalteten Schwellenländerfonds. Und was machten ETF-Anleger? Sie fassten sich ein Herz und bauten im September erste Positionen auf. Im September konnte der MSCI Emerging Markets um knapp vier Prozent zulegen. 2:0 für ETF-Investoren.

Bestätigen sich also die Vorurteile gegenüber den Anlegern in aktive Fonds? Kaufen ihnen ETF-Investoren den Schneid ab? Dass die Anleger in aktiven Fonds mit Sicherheit kein gutes Gespür für Market Timing haben, soll an dieser Stelle nicht bestritten werden. Unsere Mittelfluss-Daten zeigen regelmäßig ihr prozyklisches Verhalten. Untersuchungen zeigen darüber hinaus immer wieder, dass Fondsinvestoren niedrigere Renditen erzielen, als die (zeitgewichtete) Performance der von ihnen gehaltenen Fonds.

Die Schlussfolgerung mit Blick auf die vermeintlich geschickteren ETF-Anleger will ich indes nicht unterschreiben. Ich glaube nicht, dass ETF-Investoren das glücklichere Händchen haben, wenn es um die Wahl des „richtigen“ Ein- und Ausstiegszeitpunktes geht. Warum? Zum einen mehren sich die Anzeichen, dass der Einsatz von ETFs in Anlegerportfolios mit einer systematischen Verschlechterung der Renditen einhergeht.* Zum anderen liefern unsere Mittelflussdaten etliche Beispiele, in denen ETF-Investoren reichlich falsche Timing-Entscheidungen getroffen haben.

Deutsche Aktien werden verkauft - von ETF- wie Fondsinvestoren

Stichwort Aktienfonds für deutsche Standardwerte. Der DAX verzeichnet seit Jahren eine hervorragende Performance. Die relative Stärke der deutschen Wirtschaft innerhalb der Eurozone spiegelt sich deutlich in der Wertentwicklung des Aktienmarkts wider. Dessen ungeachtet müssen Aktienfonds mit Schwerpunkt deutsche Standardwerte seit Jahren hohe Mittelabflüsse hinnehmen.

Seit Anfang 2012 verzeichneten auch Deutschland-ETFs Abflüsse von 3,8 Milliarden Euro. Das ist zwar deutlich weniger als die Abflüsse von 5,5 Milliarden Euro aus aktiv verwalteten Deutschland-Fonds. Angesichts des höheren Volumens aktiv verwalteter Fonds ist die Relation zwischen beiden Segmenten jedoch ähnlich. In den vergangenen zwölf Monaten zogen Anleger 9,9 Prozent des Vermögens der Deutschland-ETFs ab. Bei aktiv verwalteten Fonds lag die Quote im selben Zeitraum bei 11,4 Prozent des Vermögens.

ETF-Anleger hebeln sich in den Orkus

Stichwort Hebel-ETFs. Wer glaubt, die Richtung des Markets richtig einschätzen zu können, verleiht seiner Wette ein besonders großes Gewicht, indem er den Hebel einsetzt, um so eine deutlich größere Performance-Wirkung zu erzielen. Dafür sind Hebel-ETFs geeignet, die es sowohl für die Long- als auch für die Short-Seite gibt.

Ein Vergleich des September-Absatzes von Short- und Long-Aktien-ETFs zeigt, dass sich die meisten Anleger falsch positioniert haben – zumindest per Saldo. Unter den 20 Hebel-ETFs mit den höchsten Nettozuflüssen im September befanden sich nur zwei ETFs, die von steigenden Aktienkursen profitieren. Zur Erinnerung: Im vermeintlichen Aktien-Horror-Monat legte der Euro STOXX 50 um 6,5 Prozent zu, der Schweizer SMI immerhin um 4,1 Prozent.

Damit standen nicht nur die Investoren von 18 ETFs auf der falschen Seite. Bei sechs der sieben Short-ETFs mit dem höchsten Nettoabsatz im September handelte es sich um so genannte Double-Short-ETFs, die den zweifachen Hebel ansetzen. Diese Anleger mussten im positiven Aktienmonat besonders schwere Verluste hinnehmen. Haben sich diese Anleger etwa von den vielen Unkenrufen über den Aktien-Horrormonat September zu übereilten direktionalen Wetten verleiten lassen?

Angesichts dieses vermutlich doppelt gehebelten Eigentores steht es im Duell aktiv versus passiv nunmehr 2:2. „Sind ETF-Anleger schlauer als Investoren in aktive Fonds?“, lautete unsere Ausgangsfrage. Unser vorläufiges Fazit: Es spricht nicht viel dafür. Und so lange es nicht wissenschaftlich erwiesen ist, dass Anleger, die über besonders flexible Trading-Instrumente verfügen, diese auch effizient einsetzen, stellen wir die vorläufige These auf, dass das Verhalten von ETF-Investoren mindestens so prozyklisch bis irrational ist wie das von Investoren in aktiv verwaltete Fonds. 

*Dies legt die Studie „The Dark Side of ETFs and Index Funds“ vom März 2013 nahe (hier gelangen Sie zur Untersuchung).

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich