Ladenhüter-Fonds bringen die besten Renditen

Ein kleines Experiment zeigt: Fondsanleger sind in der Vergangenheit besser mit Ladenhütern gefahren als mit den heißen Vertriebsrennern. Wie Investoren Geldflüsse in Fonds als Kontraindikator gewinnbringend verwenden können.

Ali Masarwah 16.12.2013
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Der scheidende Chef des britischen Fondshauses Jupiter, Edward Bonham Carter, hat jüngst das große Paradoxon des Investierens auf den Punkt gebracht. „Die Kurse steigen, und weil wir erwarten, dass sie auch in Zukunft steigen, kaufen wir zu teuer ein und heizen so die Preise weiter an“ (lesen Sie hier das vollständige, höchst amüsante Interview). Man möchte hinzufügen: Bis die Blase platzt! Hoffnung, Gier, Überschwang, Angst, Verzweiflung, Panik: Die Liste der Affekte, die uns als Kapitalanleger antreiben und die wir nur schwer in den Griff bekommen, ist lang und ihre Folgen für das Portfolio oft fatal. Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die sich Anleger immer wieder vor Augen führen sollten: Kämpfe gegen den inneren Schweinehund an!

Würden Sie Ihre Lieblingsespressomaschine kaufen, wenn der Preis von 500 Euro auf 1.000 Euro hochgesetzt wird, oder eher dann, wenn der Preis von 1.000 auf 500 Euro gesenkt wird?

Wir haben in der Vergangenheit häufiger über Faktoren berichtet, die Anleger zu falschen Entscheidungen treiben. Die Jagd nach den Renditen der Vergangenheit, die der Jupiter-Chef oben thematisiert, ist vermutlich der häufigste und schlimmste Fehler, den Anleger begehen können. Wie unlogisch das Vorgehen der Anleger ist, verdeutlicht die Übertragung der Verhältnisse in der Finanzbranche auf die Konsumbranche. Würden Sie als Konsument die Espressomaschine, mit der Sie schon immer geliebäugelt haben, eher kaufen, wenn der Preis von 500 Euro auf 1.000 Euro hochgesetzt wird, oder würden Sie eher zuschlagen, wenn der Preis von 1.000 auf 500 Euro gesenkt wird? Eben! Und warum kaufen Sie heute eher Aktie als Anfang 2009?

Wie dem fiesen, Performance vernichtenden Herdentrieb trotzen?

Weil es dennoch schwierig ist, gegen seine inneren Antriebskräfte zu investieren, versuchen wir immer wieder, Anlegern und Beratern einfache – hoffentlich: logische – Tipps auf den Weg zu geben, wie sie dem Drang des Herdentriebs trotzen können. Auf ein nützliches Tool möchte ich heute eingehen: Die Mittelflüsse in Fonds. Sie sind ein sehr guter Indikator für die Anlegerstimmung und können – wenn man sie richtig einzusetzen versteht – als nützlicher Signalgeber fungieren.

Zunächst der Hinweis, wofür Mittelflüsse in Fonds nicht taugen: Als Ratgeber für den Einstieg in ein Kapitalmarktsegment! Vielmehr sollten Mittelflüsse in Fonds als Indikator für überteuerte Märkte gelten. Nicht nur die üblichen Kennziffern wie das Kurs-Gewinn- oder das Kurs-Buchwert-Verhältnis geben Aufschluss über die Frage, welche Märkte überteuert sind.

Auch die Neigung von Anlegern, die Preise von Assets, die in der Vergangenheit gut gelaufen sind, durch ihr Kaufverhalten weiter in die Höhe zu treiben, ist ein antizyklisches Signal. Wenn Sie also die beliebten Vertriebsrennlisten der Direktbanken sehen (a la: das haben unsere Kunden gekauft), dann sollten Sie kritisch hinterfragen, wie heiß der Markt hinter diesen heißen Favoriten gelaufen ist! 

Kaufen Sie die ungeliebten: Das antizyklische Portfolio

Um das Gesagte zu illustrieren, haben wir ein kleines Experiment gewagt: Was wäre passiert, wenn man in der Vergangenheit die am meisten nachgefragten Fonds gekauft hätte? Und wie wäre die Performance ausgefallen, wenn man spiegelbildlich in die am stärksten verkauften, also am meisten abgestoßenen Fonds eingestiegen wäre? Wir haben zwei Portfolios konstruiert: Das prozyklische Portfolio der geliebten Fonds und das antizyklische Portfolio der ungeliebten Fonds. Um fondsspezifische Faktoren auszublenden (Fondsmanagerwechsel, Strategiewechsel, Übernahmen etc) haben wir als Untersuchungsgegenstand die Morningstar-Aktienkategorien ausgewählt, die die höchsten Mittelzu- und Mittelabflüsse in einem Kalenderjahr verbucht haben.  

Da wir bei jeder Gelegenheit eine Lanze für die Langfristigkeit des Investierens brechen, haben wir als Untersuchungszeitraum die am weitesten zurückreichenden Fondsdaten verwendet, nämlich die Mittelflussdaten des Jahres 2007. Seitdem sammeln wir bei Morningstar die Mittelzu- und Abflüsse europaweit auf der Ebene der gesamten Fondsindustrie.

Um halbwegs diversifizierte Portfolios zu gestalten, haben wir uns beim prozyklischen Portfolio für die drei Morningstar-Kategorien mit den höchsten Nettomittelzuflüssen und für das antizyklische Portfolio für die drei Kategorien mit den höchsten Nettoabflüssen entschieden. Die Portfolios wurden gleichgewichtet und jeweilis zum nachfolgenden Kalenderjahresende auf ihre Ausgangslage zurückgesetzt (neudeutsch heißt das auch Rebalancing).

Europa-Aktien waren seit 2007 Trumpf!

Das Ergebnis hat uns in der Eindeutigkeit überrascht. Zunächst zum wichtigsten Ergebnis. Wie aus der unteren Tabelle hervorgeht, hat das antizyklische Portfolio, das wir per Anfang 2008 aufgesetzt haben, das prozyklische Portfolio deutlich übertroffen. Die gelb unterlegten Felder spiegeln die Performance bzw. das Risiko der antizyklischen und prozyklischen Portfolios wider. Die drei Felder unter den gelb unterlegten Felder enthalten Informationen über die Bestandteile der jeweiligen Portfolios.

Die drei am wenigsten geliebten Kategorien des Jahres 2007 waren zwei Aktienkategorien für europäische Standardwerte (blend und value) sowie Aktienfonds für Schweizer Nebenwerte. Diese drei Kategorien hatten die höchsten Nettoabflüsse europaweit im Jahr 2007. Seitdem – per Ende November 2013 konnte das antizyklische Portfolio, das aus diesen drei Kategorien besteht, eine kumulierte Performance von 17,7 Prozent erzielen, wie aus der den Zahlenkolumne links in der Tabelle hervorgeht.

Tabelle: Investments in Ladenhüter lohnt sich

Das prozyklische Portfolio musste in der selben Zeit einen Verlust von kumuliert 1,04 Prozent hinnehmen. Es besteht aus Fonds, die im Jahr 2007 die Vertriebsrenner waren: Aktienfonds für Schwellenländer (global), Aktienfonds für Asien ex Japan sowie Aktienfonds der Branche Ökologie. 

Die zweite wichtigste Erkenntnis ist, und hier müssen wir Wasser in den Wein der kurzfristig orientierten Investoren gießen, dass Aktien auch längere Verlustphasen verzeichnen können. Bewegt man sich weiter rechts in der Tabelle, fällt auf, dass die Drei- und Fünfjahres-Performance (per Ende 2010 bzw. per Ende 2012) im negativen Bereich liegen. Aktien Ende 2007 zu kaufen, war also eine nervenaufreibende Angelegenheit, wie wir bereits an anderer Stelle berichtet haben (lesen Sie hier weiter).

In die Ladenhüter zu investieren, sollte also keine für sich stehende Entscheidung  sein – wichtig ist es, das Marktumfeld zu im Blick zu haben. (Ende 2007 befanden sich übrigens die Märkte genauso wie heute auf langjährigen Höchstständen)

Die Dritte Erkenntnis: Blickt man auf die Volatilität, dann fällt auf, dass das Risiko des antizyklischen Portfolios durchgehend niedriger ausfiel als das Risiko des prozyklischen Portfolios. In die Ladenhüter zu investieren, ist also auch eine - relativ – langweilige Angelegenheit. Langeweile, Langmut, Langfristigkeit: Das sind die Ingredienzien für den Anlageerfolg!

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich