ETF Werkstattgespräch: Wie Smart kann Beta sein?

Die ETF-Industrie erschließt zunehmend Marktsegmente, die von klassischen Indizes abweichen. Zeit also, mit Anbietern und Anlegern über diese alternativen Indizes zu sprechen. Was versprechen sie, und was können sie leisten?*

Ali Masarwah 17.12.2013
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Alternative Indexkonzepte und die Investmentvehikel dazu sind in den vergangenen Jahren groß in Mode gekommen. Wir haben bereits häufiger über so genannte Smart-Beta-Ansätze geschrieben (lesen Sie hier mehr). Ich hatte die Gelegenheit, auf Einladung des portfolio Verlags, Frankfurt am Main, mit vier Experten über die Frage zu diskutieren, was hinter diesen Strategien steckt, was sie leisten können – und was nicht. Das ETF-Werkstattgespräch über einen Investment-Trend, mit dem sich Anleger beschäftigen sollten. Auf dem Foto sind von links nach rechts zu sehen: 

Michael Winker, Head of ETF Investments, Feri Trust GmbH

Axel Riedel, Leiter Finanzintermediäre, State Street Global Advisors GmbH

Ivica Jankovic, Honorarberater, Quirin Bank AG

Markus Kaiser, Vorstand, Star Capital AG

Ali Masarwah (Moderation), Chefredakteur Morningstar Deutschland Gmbh 

 

Ali Masarwah: Alle Welt redet über „Smart Beta“ – aber kaum jemand kann eine genaue Definition liefern. Manche sprechen auch von „alternativem Beta“ oder von „intelligenten Indizes“. Mir suggeriert das zunächst nur, dass es Indizes gibt, die anders aufgebaut sind als nach Marktkapitalisierung gewichtete …

Markus Kaiser: Smart-Beta-Indizes ähneln insofern klassischen Indizes, als sie nach festen Regeln berechnet werden. Sie werden zudem nach einer festgelegten Methodik im Zeitablauf angepasst. Die am einfachsten nachzuvollziehbaren Modelle sind für mich gleichgewichtete Indizes. Ansätze, die darüber hinausgehen, ob etwa risikogewichtet oder fundamentalgewichtet, implementieren Strategien, die bestimmte Werte ausgrenzen und andere stärker berücksichtigen. Diese Ansätze nähern sich dem aktiven Management.

Ivica Jankovic: Ich stehe den Ansätzen eher skeptisch gegenüber. Der Markt ist der Markt, Punkt! Wenn Aktivität einsetzt, würde ich das Wort Beta nicht mehr verwenden. Smart Beta geht mittlerweile weit über „einfache“ Indizes hinaus, was ins Aktive hineinreicht. Werden Investoren dann nicht zu Alpha-Jägern? Ist Smart Beta besser als ein Markt oder eine Alternative zu aktivem Management?

Michael Winker: Marktrisiken sind sehr vielfältig und sind schon lange definiert. Manche nennen Smart Beta auch „Cheap Alpha“, da es quantitative Modelle sind, die in einem günstigen Mantel, ein ETF, verpackt werden. Sollte man die Ansätze smart nennen? Das würde suggerieren, dass die klassischen Indizes nicht smart sind. Klassische Indizes – ich bleibe jetzt bei Aktien – sind kapitalisierungs- oder preisgewichtet. Ob eine Gleichgewichtung intelligenter ist? Manche dieser Ansätze, etwa gleichgewichtete, haben über lange Zeit eine bessere Rendite gebracht als kapitalisiserungsgewichtete. Für mich zählt alles, was nicht kapitalisierungs- oder preisgewichtet ist, zu alternativen Indizes.

Axel Riedel: Das sehe ich ähnlich. Smart Beta ist ein Modebegriff. Es sind alternative, regelgebundene Konzepte, wobei manche auf Risikoprämien abzielen, die aktiven Managern vorbehalten waren. Dividenden-, Momentum-oder Value-Strategien werden über solche Indizes und ETF zugänglich gemacht. Neu sind die Konzepte allerdings nicht.

Masarwah: Der Dow Jones 30 ist für viele der klassische Index schlechthin. Er ist preisgewichtetet und wird regelmäßig diskretionär neu zusammengestellt. Werte wie Apple oder Google kommen zum Beispiel nicht hinein, da sie sonst ein zu hohes Gewicht hätten. Das könnte man auch „dumm“ nennen. Warum soll Beta in klassisch auf der einen Seite und in smart oder alternativ auf der anderen differenziert werden? Was repräsentiert oder definiert den Markt?

Kaiser: Der Dow Jones hat 30 Titel und sollte historisch gesehen das maßgebliche Barometer sein, das die führenden Industrieunternehmen der USA repräsentiert. Der S&P 500 streut dagegen breiter. Was ist also repräsentativ für den US-Markt? Für mich der S&P 500. Konzentrierte Indizes können Fluch und Segen sein. Etwa der Dax 30 oder technologielastige Indizes. In den 1990er Jahren  konnte die Gewichtung der Deutschen Telekom nicht hoch genug sein, als die Kurse kräftig stiegen. Die Konstruktionsweise dieser Indizes verstärkt das prozyklische Verhalten vieler Anleger. Der Wert, der am stärksten steigt, bekommt ein immer stärkeres Gewicht. Ist das repräsentativ? Der M-Dax oder der H-Dax bilden nicht nur die Wirtschaft besser ab als der Dax, sie sind auch besser durch die vergangenen Krisen gekommen. Je besser die Mischung aus Large und Mid Caps, desto eher repräsentiert der Index den Markt.

Jankovic: Ein Anleger braucht ein Konstrukt, das den Markt, den er abbilden will, am nächsten kommt. Kritikern der Marktkapitalisierung sage ich: Der Markt ist, wie er ist. Wenn er so ineffizient wäre, wäre es ein Leichtes, daraus Gewinn zu schlagen. Aber das schaffen die wenigsten.

Riedel: Es geht nicht darum, dass alternative Indizes die Marktkapitalisierung ablösen. Es sind Ergänzungen. Marktkapitalisierte Indizes sind sehr liquide, und es gibt dort einen Derivatemarkt. Institutionelle Investoren arbeiten viel mit diesen Standardindizes; Versicherungen oder Pensionskassen haben Anlageverbindlichkeiten zu erfüllen.

Wobei es schon darum geht, dass alternative Indizes die prozyklische Unwucht in den klassischen Indizes umgehen. Das ist doch die Kernfunktion.

Kaiser: Marktkapitalisierte Indizes haben ihre Vorteile. Das Problem ist aber die Prozyklik, die sich aus ihnen ergibt. An Smart-Beta-Indizes gefallen mir die vielfältigen Auswahl- und Diversifizierungsmöglichkeiten.

Jankovic: Ich stelle mir die Frage, warum viele glauben zu wissen, in welcher Phase sich ein Markt befindet und wo er hingeht. Das ist doch die Crux!

Kaiser: Das erfordert entsprechendes Research. Es hieß doch einmal, das „E“ bei ETF stehe für „einfach“. Das sind sie nicht mehr. Jeder Investor muss sich entscheiden, ob er alternative Indizes braucht.

Riedel: Halten wir einmal fest, dass ein Index repräsentativ und  hinreichend diversifiziert sein muss. Darüber hinaus muss er vor allen Dingen investierbar sein.

Jankovic: Aus der Portfoliotheorie betrachtet muss das Beta den gesamten Markt darstellen. Mit konzentrierten Indizes wie dem Dax oder dem Dow Jones ist man sicherlich nicht dabei. Um ein echtes Beta zu heben, brauche ich eine Kombination aus allen Segmenten. Für die USA wären das der S&P 500 und die Russell-Stil- und Size-Indizes.

Masarwah: Herr Winker, wenn Sie mit Ihren Dachfonds den deutschen Markt abbilden, ist für Sie dann der Dax, MSCI Germany oder der H-Dax das Maß aller Dinge?

Winker: Hinter dem Begriff Beta steht ja nicht nur das Marktrisiko, sondern auch eine mathematische Kennzahl. Ihr liegen Prämissen zugrunde, die in der Realität der Anleger eigentlich keine Rolle spielen. Sie möchten einfach eine bestimmte Rendite mit einem bestimmten Risiko erzielen und dabei eine möglichst hohe Liquidität sicherstellen. Ich selbst arbeite prognosebasiert und schaue, welches Segment eines Marktes das beste Risiko-Rendite-Verhältnis hat. Danach wähle ich den Index und das Vehikel aus.

Jankovic: Da sind Sie auf der Alpha-Ebene als Alpha-Jäger, der Beta-Vehikel nutzt.

Kaiser: Wir selbst sind aktive Manager, die passive Produkte einsetzen.

Jankovic: Diese sind aber eben nicht nur passiv.

Masarwah: Die Trennung von Alpha und Beta ist schon essenziell. Eine Referenzgröße muss klar definiert sein, wenn man etwas Alternatives dazu einsetzen möchte. Hängt die Definition der Referenzgröße nicht auch von der Entwicklung von Kapitalmarkttheorien und -hypothesen ab? Am Anfang gab es Aktien, dann gab es marktkapitalisierungsgewichtete Indizes, dann kam der Aspekt, dass Small Caps spezielle Risikoprämien liefern – und da war das Alpha von gestern das Beta von heute. Je mehr man dem Alpha auf die Spur kommt, desto mehr Beta findet man, oder?

Riedel: Ist das Alpha von heute das Beta von morgen? Das norwegische Finanzministerium hat untersuchen lassen, welche Risikoprämien langfristig erzielbar sind. Viele Einflussfaktoren, wie Value, Momentum oder Small Caps sind nachweisbar, sie liefern Risikoprämien. ETF-Anbieter nutzen diese Erkenntnisse und liefern Produkte, die einzelne Faktoren kostengünstig investierbar machen.

Masarwah: Dann wäre das Alpha nicht nachweisbare Faktorrisiken. Das müssen wir in dieser Diskussion aber ausschließen. Der Begriff Cheap Alpha verbietet sich damit.

Winker: Beim Alpha reden wir allerdings ebenfalls über die Nutzung von Marktineffizienzen. Aber kann man im S&P 500 noch Alpha finden? Anders könnte es bei Nischenmärkten, wie Schwellenländerrenten, aussehen.

Masarwah: Kommen wir zur Einzelkritik. Es fing alles an mit Dividendenindizes und dem Divdax …

Winker: Dividendenindizes haben bis zur Finanzkrise gut funktioniert. Das hat gezeigt, dass ein Anleger eine Prognose braucht, die ermittelt, wann welche Marktphase auf uns zukommt und wie sich das auf das Portfolio wirkt. Heute gibt es aber viele Strategien mit Substrategien, bei denen es keinen Gleichlauf bei unterschiedlichen Märkten gibt, etwa bei Minimum Varianz-Strategien. Das funktioniert derzeit in den Emerging Markets; in Europa sind die dagegen im Frühjahr in Schwierigkeiten geraten. Unterschiedliche Märkte und unterschiedliche Zeiten bedeuten auch unterschiedliche Ergebnisse für identische Strategien.

Masarwah: Bei Dividendenansätzen ist fraglich, ob starre Algorithmen, wie sie ETF zugrunde liegen, aktiven Managern das Wasser reichen können. Dividendenrenditen können auch steigen, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät. 2008 waren Banken in klassischen Dividendenindizes sehr hoch gewichtet. Dann kam der Absturz, die Dividende wurde gestrichen, der Wert aus dem Index genommen. 2009 waren Dividenden-ETF dann nicht bei der Erholung der Banken dabei.

Riedel: Es gibt inzwischen auch durchdachtere Konzepte, wie wir sie zum Beispiel in der Dividenden-Aristokratenserie umsetzen. Wir investieren nur in Unternehmen, die über längere Zeiträume kontinuierlich die Dividende erhöht oder konstant gehalten haben – wobei die Dividende nicht aus der Substanz gezahlt werden darf.

Jankovic: Es ist außerdem problematisch, wenn Modelle wegen qualitativen Erfahrungen immer wieder nachbessert werden. Es kommen immer unvorhergesehene Entwicklungen. Anleger müssen sich vielmehr entscheiden: Geht es darum, ein Beta darzustellen oder ein Alpha zu erzielen?

Masarwah: Ist es sinnvoll, alternative Indexstrategien weiterzuentwickeln? Handelt es sich um eine Evolution, oder stopft man nur Löcher?

Winker: Ob und wo sich Löcher auftun, kann keiner im Voraus sagen. Aber Evolution ist ein gutes Stichwort – und ich sehe es weniger kategorisch als Sie, Herr Jankovic. Einige Konzepte sind sehr langfristig orientiert, die nicht laufend optimiert werden. Bei anderen gibt es wiederholt Anpassungen. Diesen Grenzbereich würde ich auch hinterfragen. Aber was ist die Alternative? Mir sind regelbasierte Konzepte, um deren Stärken und Schwächen ich weiß, lieber als aktive Fonds, bei denen ich den Faktor Bauchgefühl mit einkalkulieren muss.

Riedel: Bei Dividendenstrategien etwa geht es außerdem nicht nur um die Performance. Sie hat auch die Aufgabe, Investoren einen kontinuierlichen Ertrag zu liefern. Es gibt viele Dividendeninvestoren, die nicht immer nach Outperformance verlangen, aber kontinuierliche Zahlungsströme brauchen. Low-Volatility-Produkte wiederum wurden aufgelegt, um das Risikobudget der Kunden zu schonen. Da geht es um ein geringeres Beta. Hierbei zeigt sich, dass mit Minimum-Varianz- oder Low-Volatility-Ansätzen Marktanomalien verbunden sein können. Anders als es die gängige Portfoliotheorie besagt, erzielten in den vergangenen Jahren zum Teil Aktien mit geringerer Volatilität bessere Renditen.

Jankovic: Ein Risikobudget zu haben, heißt doch, dass ich einen bestimmten Prozentsatz meines Budgets volatil anlegen kann. Dann ist es nicht sinnvoll zu versuchen, die Volatilität künstlich herunterzusetzen. Ein Portfolio mit einem Rendite-Risiko-Profil, das zum Kunden passt, mit Produkten zu verändern, von denen der Berater glaubt, dass sie über niedrigere Volatilitäten wieder zum gleichen Profil führen, ist für mich der falsche Weg.

Masarwah: Sind risikoreduzierende Ansätze nicht der Versuch, ex-Post Risiken zu mindern? Anlegern geht es doch darum, ihr Portfolio zukunftssicher zu machen.

Kaiser: Investoren dürfen solche Ansätze nicht so verstehen, dass sie damit eine geringere Volatilität und gleichzeitig die gleiche Performance bekommen, wie die von marktkapitalisierungsgewichteten Indizes. Low-Volatility-Produkte sollen das Risiko reduzieren – was natürlich einhergeht mit Renditeverzicht.

Jankovic: Würden Sie da nicht lieber Beta nehmen mit etwas weniger Budget?

Kaiser: Es kommt auf die Anlegerbedürfnisse an. Ich selbst setze Low-Vola-ETF nicht ein, da die Strategien nichts für taktische kurzfristige Positionierungen sind. Anleger, die langfristig stetige Erträge brauchen, können mit solchen ETF dagegen gut fahren.

Winker: Das ist eine interessante Frage, ob man ein Beta-reduziertes Vehikel einsetzt als Minimum-Varianz-Strategie, oder ob man einfach das Aktienexposure senkt. Minimum-Varianz-Strategien bieten ein asymmetrisches Verhältnis von Bull und Bear Beta. Entscheidend ist aber das Kundeninteresse.

Masarwah: Herr Jankovic, wie handhaben Sie es bei Ihren Kundenportfolios?

Jankovic:  Wir haben seit zwei Jahren eine Beta-Strategie. Zum einen haben wir den globalen Aktienmarkt mit etwa 12.000 Titeln abgebildet, ein klassisches Beta-Modell. Zum anderen haben wir eine passive Rentenstrategie. Die Kunden entscheiden dann, welche Aktienquoten sie haben möchten. Hat der Kunde erst einmal verstanden, dass es kein Alpha gibt, ist er offen für Erklärungen, durch welches Watt er mit welcher Aktienquote wandern müsste und welchen Einfluss das auf die Rendite hat.

Masarwah: Ich vermute, dass aber auch Berater nicht immer die volle Tragweite mancher Ansätze begreifen, etwa bei fundamental gewichteten Indizes. Ein hohes Bruttoinlandsprodukt zieht nicht notwendigerweise eine Outperformance des betreffenden Aktienmarkts nach sich. Das wissen auch viele Profis anscheinend nicht.

Kaiser: Man mag bedauern, dass Emerging Markets derzeit eine deutliche Underperformance verzeichnen. Darunter leidet der BIP-Ansatz, in den man aber auch nicht nur kurzfristig investieren sollte. Ein BIP-Portfolio passt sich regelbasiert kontinuierlich in seiner Struktur an. Diese Gewichtung hat auch den Vorteil, dass man Blasen auf der Aktienseite vermeidet, die bei marktkapitalisierten Ansätzen drohen. Aus Diversifizierungssicht ist er interessanter als der klassische MSCI World.

Riedel: Wenn man von der Marktkapitalisierung abweicht, muss man diesem Konzept treu bleiben. Ein Benchmark-orientierter Investor muss wissen, dass es Phasen gibt, in denen er gegenüber einem Standardindex underperformt. Es ist für uns als Asset Manager kein Problem, auch in Spezialfondsmandaten Gleichgewichtungs- oder GDP-gewichtete Strategien umzusetzen. Aber es ist für viele Investoren eine Herausforderung, in ihren Anlageausschusssitzungen Tracking Errors von sieben, acht oder neun Prozent oder mehr zu vermitteln, die solche Produkte nach sich ziehen.

Masarwah: Manche Risiken sind nicht sehr augenscheinlich. Einige Ansätze bergen zum Beispiel hohe Kosten wegen häufiger Umschichtungen, andere haben Nebenwerte vergleichsweise hoch gewichtet. Bei Value- oder Growth-gewichteten Konzepten ist die Frage, ob und wie die unterschiedlichen Bilanzierungsstandards berücksichtigt werden.

Kaiser: Ich würde unterscheiden zwischen einfachen Strategien und komplexen Faktormodellen – etwa das Fundamental-Indexing-Konzept von Rafi mit einem sehr komplexen Auswahlverfahren. Das sind für mich keine passiven Strategien mehr, sondern eine Alternative zu den vielen semiaktiven Strategien auf dem Markt, bei denen Manager wegen hoher Kosten und geringer Anlagefreiheiten kaum Mehrwert zur Benchmark erwirtschaften können.

Riedel: Richtig! Der klassische semiaktive Ansatz mit zwei bis vier Prozent Tracking Error und 150 Basispunkten an Gebühren ist ein Auslaufmodell!

Kaiser: Fundamental-Indexing-Modelle mit klarem Regelwerk sind mir auch lieber. Die bekomme ich zwar nicht so günstig wie den klassischen Marktindex, aber günstiger als einen semiaktiven Manager. Solche Produkte sollte ich aber nicht kurzfristig taktisch einsetzen.

Winker: Komplexere Quant-Modelle können ziemlich teuer sein, vor allem wegen der Turnover-Kosten. Marktkapitalisierungsgewichtete Indizes haben extrem geringe Turnover-Kosten.

Riedel: Aber: Welchen Turnover ein marktkapitalisierter Index hat, können Sie im Vorhinein nicht wissen. Allein schon Aktiensplitts können in einem Index können einen hohen Turnover bewirken!

Masarwah: Es ist bereits angeklungen, dass man bei alternativen Indexstrategien nicht den schnellen Erfolg erwarten soll. Vermögensverwalter sollen allerdings auch taktisch agieren. Wenn alternative Ansätze eine längere Haltedauer bedeuten, müssten Sie die Instrumente auch länger im Portfolio halten im Vergleich zu Produkten nach Standardindizes …

Kaiser: Diese Unterscheidung sollte man tatsächlich am Anfang treffen. Ist es eine taktische Positionierung oder ein strategisches Basisinvestment, das ich längerfristig halten möchte? Meine Fonds sind sehr taktisch geprägt, von daher finden sich wenige Smart-Beta-Produkte.

Winker: Wir alle wissen, dass Timing, Trading und Taktik wenig zum Gesamtertrag eines Portfolios beitragen. Entscheidend ist die strategische Allokation. Deshalb möchte ich auch jede Investition so strategisch und langfristig wie möglich halten. Einflussfaktoren, wie geänderte Prognosen oder neue Investmentvorgaben, erfordern allerdings Anpassungen.

Masarwah: Morningstar hat bei einer Untersuchung zum europäischen ETF-Markt beim Wachstum von alternativen ETF eine Quote von 2,9 Prozent festgestellt. Das umfasst auch die rolloptimierten Rohstoffprodukte. Bleiben die Strategien in der Nische?

Kaiser: Nimmt man den US-Markt als Maßstab, ist mit Sicherheit noch Potenzial vorhanden. Der Druck auf die aktiven Fonds wird deutlich steigen. Da liegt das Potenzial für Smart-Beta-Produkte. Es kann sogar sein, dass sich das aktive Management frei macht von der starren Benchmark-Denke.

Jankovic: Der ETF-Markt könnte in eine ähnliche Richtung driften wie es bei aktiven Fonds passiert ist: Zu viele ähnliche Produkte, die um zu wenig Geld konkurrieren. Kommen aber intelligente Lösungen auf den Markt, die rein passive Investments ergänzen, hoffe ich, dass der Marktanteil steigt.

Winker: Die Frage nach der Relation von aktiven ETF versus Standard-ETF ist die falsche. Nicht der Anteil von Smart-Beta-ETF am ETF-Markt wird steigen, sondern gegenüber der aktiven Fondsindustrie. Smart-Beta-ETF werden weniger den Dax-ETF Marktanteile abjagen als den halbaktiven Fondsmanagern.

Das Gespräch moderierte Ali Masarwah

* Die Gesprächsrunde fand Anfang Oktober am Rande der Veranstaltung "Trendforum Vermögensmanagement 2013" des portfolio Verlags in Frankfurt am Main statt. Die Auszüge aus der Gesprächsdokumentation sind mit freundlicher Genehmigung des Verlags der aktuellen Ausgabe von pvm - portfolio Vermögensmanagement entnommen.

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich