"Enlargement" auch für die Performance?

Die Ukraine-Krise lässt vergessen, dass sich die EU-Osterweiterung um acht ehemalige Ostblockländer 2014 zum zehnten mal jährt. Die Neulinge bieten Chancen - die Risiken sollten aber nicht ignoriert werden. Der wöchentliche Bericht über Indizes, ETFs und ihre Kosten.

Ali Masarwah 02.05.2014
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In diesen Tagen sind vor allem die Sandkastenstrategen gefragt: Wird die russische Armee vor den Wahlen in der Ukraine und der damit verbundenen Etablierung einer demokratisch legitimierten Führung in Kiew noch vor Ende Mai einmarschieren? Geht es dem russischen Präsidenten Putin um die Konsolidierung seiner Krim-Eroberung oder hat er die ostukrainischen Provinzen im Sinn? Steht gar ein Vorstoß der russischen Divisionen zum Dnjepr an?

Vor lauter Ukraine-Lärm ist das zehnjährige Jubiläum der EU-Osterweiterung so gut wie untergegangen. Zur Erinnerung: Am 1. Mai 2004 traten mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien acht Länder aus dem ehemaligen Ostblock der Europäischen Union bei.

Nach der rasanten Wachstumsphase dieser Länder bis 2008, die auch von einer furiosen Aktienmarktentwicklung begleitet war, kam mit der Finanzkrise der Einbruch, von dem sich weder die Volkswirtschaften noch die Börsen vollständig erholt haben. Probleme haben die mittel- und osteuropäischen Länder (MOE) einige: Nicht nur die Ukraine-Krise, die schlaglichtartig die Abhängigkeit der von der Energieversorgung aus Russland verdeutlicht hat, sondern auch der seit Mitte 2013 zu beobachtende Kapitalabfluss macht den MOE zu schaffen.

Skeptischen Investoren ist insofern zuzustimmen, wenn sie konstatieren, dass mit Blick auf die MOE das Glas halbleer ist.

Polen liegt unter den MOE weit vorne

Doch die Anbindung dieser Länder an die EU bedeutet auch, dass man das Glas durchaus als halbvoll bezeichnen kann. Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) erwartet beispielsweise bis 2016 ein verstärktes Wirtschaftswachstum von durchschnittlich zwei bis drei Prozent pro Jahr für die MOE. Das wiiw sieht die größten Impulse durch öffentlich Investitionen. Das Institut hebt in seiner jüngsten Prognose vor allem EU-geförderte Projekte in den Bereichen Transportinfrastruktur, Kohle- und Kernkraftwerke hervor. Die verbesserten Wachstumsaussichten in der Eurozone könnten wiederum auch die Unternehmen in den MOE dazu bringen, stärker zu investieren.

Die Analysten der österreichischen Raiffeisenbank sind allerdings zurückhaltender und erwarten ein BIP-Wachstum von nur 1,2 Prozent für MOE in diesem Jahr. Immerhin prognostizieren die Raiffeisen-Analysten für Polen 2014 ungeachtet der der Ukraine-Krise ein BIP-Wachstum von 3,1 Prozent. Überdurchschnittlich zulegen werden demnach auch Tschechien mit einem Plus von 2,3 Prozent und Ungarn mit einem BIP-Wachstum von zwei Prozent.

Klumpen-Risiken sind in der Praxis nicht zu vermeiden

So weit, so gut: Es gibt also gute Gründe für ein Investment in Osteuropa. Doch wie lässt sich das für ETF-Investoren umsetzen? Das große Gewicht Russlands in den herkömmlichen Osteuropa-Aktienindizes zeigt, dass alle Theorie reichlich grau sein kann. Knapp 2/3 des Gewichts des MSCI EM Europe setzt sich beispielsweise aus russischen Aktien zusammen.

Für sehr risikobewusste Investoren mögen die jüngsten Kursabschläge am russischen Markt eine Chance darstellen (wir haben darüber jüngst berichtet, lesen Sie hier mehr über Chancen – und Risiken – von Russland-Investments), die meisten Anleger dürften das Risiko jedoch scheuen und sich nicht in die Höhle des Löwen bzw. russischen Bären begeben. 

Werfen wir deshalb einen genaueren Blick auf die – nicht sehr zahlreichen – Regionen-ETFs, die in Osteuropa investieren. Wir haben bei unserer Auswahl den Schwerpunkt auf Produkte gelegt, die nicht in Russland investieren.

Tabelle: Osteuropa-ETFs am Markt im Überblick

Doch gleich der erste Blick auf den größten Osteuropa-ETF am Markt, den Lyxor ETF Eastern Europe, der den Index CECE der Wiener Börse abbildet, zeigt, dass Investoren auch bei einem Ex-Russland-ETF keinen diversifizierten Zugang zum osteuropäischen Markt erwarten dürfen. Sie kommen so gesehen vom russischen Regen in die polnische Traufe: Der CECE-Index setzt sich aktuell zum knapp 67% aus polnischen Aktien zusammen. Schweden – gemeinhin nicht als klassischer Vertreter Osteuropas bekannt – macht 22,2 Prozent des Fondsgewichts aus. Es folgen Ungarn mit 4,7 Prozent und Österreich (3,2 Prozent). Mit gut 20 Prozent des Fondsvermögens ist PKI Bank Polski der Top-Titel im CECE-Index. 

Noch konzentrierter kommt der Amundi-ETF auf den MSCI Eastern Europe ex Russia daher. Hier sind polnische Aktien sogar mit 77 Prozent gewichtet. Tschechien und Ungarn folgen mit einem Anteil von 11,6 bzw 10,3 Prozent und somit mit gebührendem Abstand. Ähnlich ist der iShares STOXX EU Enlarged 15 aufgestellt, wobei der Polen-Anteil mit 60 Prozent weniger dominant ausfällt und dafür Slowenien und Rumänien stärker gewichtet sind. 

Wir verweilen nur kurz auf Produkten wie dem iShares MSCI Eastern Europe oder dem SPDR MSCI EM Europe. Sie werden von russischen Aktien dominiert. Ersterer ist zu 69% in Russland und 25% in Polen investiert, Ungarn und Tschechien sind nur mit jeweils rund 3,5 Prozent vertreten und somit eher eine homöopathische beimischung. Etwas breiter ist der SPDR MSCI EM Europe ETF aufgestellt. Er setzt zu knapp 60 Prozent auf Russland, 16,5 Prozent auf Polen und 14,6 Prozent auf türkische Aktien. Typischerweise dominieren bei solchen Indizes die russischen Giganten Gazprom, Lukoil und Sberbank of Russia. 

EMEA-Index weist hohes Südafrika-Gewicht auf

Ein gewisser Exotenstatus gebührt dem db x-trackers MSCI EM EMEA. Er ist das einzige Produkt unserer Auswahl, in dem das Gewicht Russlands und Polens zusammen unter 40 Prozent liegt. Allerdings dominieren in diesem ETF – das „A“ in "EMEA" steht für Afrika – Aktien aus Südafrika mit 44,5 Prozent. Auch die Türkei und Ägypten sind mit von der Partie. Osteuropa ist anders. Das relativ hohe Volumen dieses Osteuropa-Afrika-Mischmasch-ETFs allerdings, dass das Diversifikationsargument bei etlichen Anlegern offenbar gezogen hat. 

Branchenseitig dominieren bei Osteuropa-ETFs ex Russland typischerweise Finanzdienstleistungsunternehmen (beim Lyxor-Produkt sind es gut 54%, die vor allem den polnischen Finanzsektor repräsentieren) sowie Energie- und Versorgerunternehmen. Letztere Branchen sind auch stark in solchen ETFs inklusive Russland vertreten.  

MOE-ETFs schlugen sich zuletzt ordentlich ...

Kommen wir nun zur Performance der Produkte unserer Auswahl. Bereits auf den ersten Blick lässt sich unterscheiden, welche Produkte nicht in Russland investieren. ETFs ex Russland haben sich deutlich besser gehalten als solche, die auch in russische Aktien investieren – letztere büßten auch aufgrund des Verfalls der russischen Währung nach der Eskalation der Ukraine-Krise  ab Ende Februar deutlich an Wert ein.

Mit einem Plus von 8,6% konnte der Amundi ETF MSCI Eastern Europe Ex Russia am besten im vergangenen Jahr abschneiden. Auch die Rendite des Lyxor-ETF auf den CECE-Index war ordentlich (wenngleich beide nicht mit den marktbreiten Euro- und Europa-Indizes mithalten konnten). 

... Die hohen Drawdowns erinnern Anlager allerdings an die hohen Risiken

Dass es sich bei Osteuropa-ETFs um Schwellenländer-Investments handelt, wird vor allem anhand des maximalen Verlusts deutlich, der den meisten Investoren zu schaffen gemacht haben dürfte. Dass Wohl und Wehe der MOE auch vom Schicksal der EU abhängt, verdeutlichen die hohen Drawdowns in den vergagenen drei Jahren im Zuge der Eurokrise. Am stärksten zog es den besagten Lyxor-ETF in die Tiefe.

Am geringsten war in den vergangenen drei Jahren der Drawdown beim EMEA-Produkt der Deutschen Bank, das allerdings im vergangenen Jahr erkennbar darunter litt, dass mit Südafrika ein Mitglied aus der Riege der „Fragile Five“ prominent vertreten ist. Erst die positive Bilanz der Produkte seit dem Frühjahr 2009 zeigt, dass Schwellenländer-Investments Rendite-Phantasie wecken können (dass das Jahr 2008 inzwischen aus der Fünfjahres-Bilanz „herausgerollt“ wurde, wollen wir hier nicht weiter ansprechen).

Osteuropa-ETFs sind keine Billigheimer

Kommen wir zum Schluss zu den Kosten. Bei ETFs fallen vielfältige Gebühren an. Die Management-Gebühren sind dabei das eine. Das andere sind die Gebühren, die beim An- und Verkauf anfallen, die Spreads. Wir haben schon häufiger darauf hingewiesen, dass Anleger neben der Management-Gebühr diese oft übersehene Kostenkomponente beachten sollten (lesen Sie hier mehr). Neben den wichtigsten Kennzahlen der ETFs am Markt enthält unsere obere Tabelle auch eine Aufschlüsselung der Kostenkomponenten.

In den 30 Handelstagen per 29. April fielen die mit Abstand günstigsten Handelskosten beim Amundi ETF MSCI Eastern Europe ex Russia in Frankfurt und beim CECE-ETF von Lyxor an der Borsa Italiana an. Bei den anderen Produkten wird deutlich, dass die Handelskosten bei Schwellenländer-ETFs nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten. Die höchsten Kosten fielen beim db x-trackers MSCI EM Eastern Europe an.

Auch die Gesamtkostenquote TER weist auf ein relativ aufwendig abzubildendes Anlagesegment hin. Die niedrigsten Kosten fielen beim Amundi-ETF mit 45 Basispunkten an. Auch der Lyxor ETF Eastern Europe zählt zu den günstigeren Produkten. Mit 74 Basispunkten ist der iShares MSCI Eastern Europe Capped das Produkt mit den höchsten laufenden Kosten. Anleger sollten je nach Anlagehorizont abwägen, ob sie den einmal anfallenden Handelskosten oder den jährlich anfallenden Management-Kosten ein größeres Gewicht bei der Entscheidung für oder wider ein Produkt einräumen sollten.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich