Die Ersten werden die Letzten sein

Halbzeitbilanz an den Märkten 2014. Wir haben uns angeschaut, welche Fonds-Kategorien per Ende Juni vorne lagen - und überlegt, was diese Momentaufnahme Investoren eigentlich sagen sollte.

Ali Masarwah 07.07.2014
Facebook Twitter LinkedIn

Es gehört offenbar zu den ureigenen menschlichen Eigenarten, anhand von kalendarischen Marken Bilanz zu ziehen. Das ist bei Investments nicht anders. Auch wenn es an sich keinen Sinn macht, Erfolg oder Misserfolg einer Fondsanlage an bestimmten Stichtagen festzumachen, ziehen die meisten Investoren an markanten Wegmarken wie dem 31. Dezember oder 30. Juni Bilanz. 

Investmentzyklen werden bei Fonds immer kürzer

Leider scheint diese Tendenz Hand in Hand zu gehen mit immer kürzeren Investment-Zyklen. Wie ein Fonds in einem Halbjahr performt hat, könnte also durchaus über Wohl und Wehe dieses Investments im Anlegerportfolio entscheiden. Das ist bedauerlich. Bei Fondsinvestments sollte die Frage, ob die Kapitalanlage erfolgreich war oder nicht nach mindestens drei, besser fünf Jahren beantwortet werden. Investments sollten Zeit haben zum Atmen, und diese sollte nicht in Monaten bemessen werden.  

Die mehr oder weniger implizite Botschaft hinter diesen Jahres- oder Halbjahresfazits ist klar: „Gut, dass ich dabei war!“, wäre die Wunschbilanz; „Schade, dass ich nicht dabei war!“, dürfte allerdings der typische Reflex sein. Das könnte zugleich die Vorstufe zum nächsten Versuch sein, den vermeintlichen Gewinnerfonds zu suchen.

Solche Versuche sind erfahrungsgemäß selten erfolgreich. Ich möchte an dieser Stelle deshalb die These aufstellen: „Gut, dass Sie, lieber Anleger, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bei den Top-Performern dabei waren!“. Es gibt etliche Gründe für diese Annahme.

 Die Fähigkeiten der meisten Anleger, den richtigen Einstiegszeitpunkt bei einem Investment zu erwischen, sind zumeist nicht stark ausgeprägt. Der Kaufzeitpunkt ist in aller Regel nicht optimal für die Anlegerrendite. Anleger sind zudem in der Regel risikoavers, und die Haltedauer von Fonds wird immer geringer. All das spricht dafür, dass Sie mit den Top-Performern eines Halbjahres oder eines Jahres höchstwahrscheinlich langfristig keine Freude hätten. Darauf möchte ich im Kontext der Halbjahresbilanz 2014 etwas näher eingehen. 

Wir haben uns angeschaut, welche Investments zwischen Januar und Juni 2014 am erfolgreichsten für Fondsanleger waren. Das haben wir anhand der Wertentwicklung der europäischen Morningstar Fondskategorien nachvollzogen. Für Euro-Investoren war es per Ende Juni am lukrativsten, in indischen Aktienfonds, Edelmetall-Aktienfonds, Rohstofffonds für Lebendvieh, Türkei- und Indonesien-Aktienfonds investiert zu sein. Diese Morningstar-Kategorien erwirtschafteten im Schnitt zwischen 19,6 und 27,2 Prozent in sechs Monaten. Die untere Liste zeigt die besten zehn Morningstar-Fondskategorien des ersten Halbjahres. 

Tabelle: Die besten 10 Morningstar-Fondskategorien im ersten Halbjahr

Doch warum sollte es keine gute Idee gewesen sein, in derartige Fonds zu investieren? Nun, es ist standardmäßig so, dass nur die volatilsten Fondskategorien einen Sprung auf die ersten Plätze in den üblichen Performance-Rankings schaffen. Indien-Aktien, Edelmetallfonds und Türkeifonds zählen zu den volatilsten Fondskategorien überhaupt. Die Gewinner von heute waren vermutlich die Verlierer von gestern. Sie haben also in der Vergangenheit mit am kräftigsten geschwankt, und diese Schwankungen werden sich in der Regel fortsetzen.

Die Folgen lassen sich ebenfalls recht einfach darstellen: Edelmetall-, Türkei- und Indonesienfonds zählten zu den schlechtesten Kategorien des Jahres 2013, wie aus der oberen Tabelle hervorgeht. Gehen wir zurück in die Jahre 2012, 2011 und 2010, dann zeigt sich, dass ein Investment in diese Fonds ebenfalls ein extremes Auf und Ab mit sich gebracht hätte. 

Verluste schmerzen stärker als spiegelbildliche Gewinne glücklich machen

Werfen wir nun einen etwas genaueren Blick auf die für Anleger wichtigsten Risikokennziffern. Hier steht weniger die Volatilität, in der Fachsprache Standardabweichung genannt, als vielmehr der maximale Verlust im Vordergrund. Verluste schmerzen Anleger viel stärker, als dass spiegelbildliche Gewinne sie glücklich machen. Diese – asymmetrische - Nutzenfunktion bringt einem die typische Anlegererfahrung bzw. seine Risikoaversion viel näher als es die Volatilität, die symmetrisch die Schwankungen nach oben wie nach unten gleich gewichtet, zu tun vermag. 

Ein Blick auf den maximalen Verlust bei den Top-Performer-Fonds des Halbjahres zeigt, dass zwischen 2011 und 2014 Investoren bei Edelmetallfonds bis gut 60 Prozent Einbußen verkraften mussten. Türkei-Fonds verloren in diesem Zeitraum bis zu 42 Prozent, und Indonesien-Investments brachen bis maximal 39 Prozent in den vergangenen drei Jahren ein.

Tabelle: Volle Kraft nach unten: ein anderer Blick auf die Top-Kategorien 2014 

Insofern stellen wir die These auf, dass Anleger – vorausgesetzt, dass sie so lange dabei blieben – das Plus von 52,4 Prozent bei einem durchschnittlichen Edelmetallfonds im Jahr 2010 deutlich weniger Spaß gemacht hat, als der Verlust von 50,2 Prozent im Jahr 2013 Schmerzen verursachte - auch wenn die absolute Höhe der Verluste spiegelbildlich zur Höhe der zuvor gemachten Gewinne.

Ich würde soweit gehen zu behaupten, dass Anleger nach einem Negativereignis in derartigem Umfang die Reißleine ziehen und im Zweifel den Rebound danach nicht mehr "miterleben" werden. Um im Beispiel zu bleiben: Ein Durchschnittsanleger, der mit einem Türkei-Fonds 2011 einen Verlust von 33,7 Prozent erlitt, dürfte danach den Ausstieg gesucht haben. Er hätte dann nicht vom sagenhaften Plus von 60,7 Prozent profitiert, das bei Türkeifonds 2012 im Schnitt zu erzielen war.

Auch die längerfristige Bilanz sieht bei den volatilen Halbjahresgewinnern nicht gut aus. Edelmetallfonds waren die in der Dreijahres-Bilanz europaweit die schlechteste Fondskategorie überhaupt. Sie verloren im Schnitt 19,6 Prozent  - pro Jahr. Türkeifonds erwirtschafteten im Schnitt ein mageres Plus von 1,02 Prozent in den vergangenen drei Jahren, und Indienfonds brachten es gerade einmal auf einen Zuwachs von 3,4 Prozent pro Jahr. Zum Vergleich: Diversifizierte Euro-Rentenfonds legten zwischen Ende Juli 2011 und Ende Juni 2014 im Schnitt um ordentliche 5,6 Prozent pro Jahr zu – und verloren in diesem Zeitraum maximal marginale 2,5 Prozent.

Weniger Risiko für mehr Spaß

Investoren, die das Motto beherzigen: „No risk, no fun“, sollten also umdenken. Wer in unterdurchschnittlich riskante Asset-Klassen investiert, wird infolge ausbleibender Performance-Schocks erfahrungsgemäß länger bei der Stange bleiben – und dabei in der Regel langfristig eine bessere Rendite erzielen als Performance-Jäger, die spektakulären Kurzfrist-Erfolgen hinterherjagen. Nicht umsonst steht unter jedem Performance-Chart: Die Performance der Vergangenheit ist keine Indikation für die Wertentwicklung der Zukunft!

Apropos Vergangenheit: nein, Sie sollten auch nicht ein Investment in die schlechtesten Fonds bzw. Fondsgruppen erwägen. Zwar ist ein antizyklisches Vorgehen in aller Regel besser als ein prozyklisches, eine sehr stark unterdurchschnittliche Rendite muss allerdings nicht ein zwingendes Erfolgsrezept sein – zumal die meisten Anleger eben nicht langfristig in solche Fonds investieren.

Russische Aktien waren beispielsweise mit einem Minus von gut 6 Prozent die schlechteste Kategorie des ersten Halbjahres, gefolgt von China- und Osteuropa-Aktienfonds. Diese Kategorien zählen - analog zu den Gewinnern per Ende Juni - zu den riskantesten Investments am Markt – und: Sie haben Investoren in den vergangenen Jahren ebenfalls keine Freude gemacht.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich