Einschätzung zu Alibaba kurz vor dem Börsengang

Anleger sollten den kräftig wachsenden chinesischen Internetriesen auf dem Radar haben. Große Wettbewerbsvorteile in einem stark wachsenden Markt. Das Risiko chinesischer Aktien beachten. Eine erste Einschätzung der Morningstar Aktienanalysten.

Michael Haker 17.09.2014
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Details zum Börsengang von Alibaba sind nicht im Übermaß vorhanden, aller Voraussicht nach werden aber 12% des Unternehmens öffentlich angeboten. Unsere vorläufige Bewertung des Internetriesen liegt bei rund 220 Mrd. Dollar. Das würde bedeuten, dass die erste angebotene Tranche einen Wert von insgesamt 26 Mrd. US-Dollar hat. Zum Vergleich: Der größte Börsengang in Deutschland war der IPO der T-Aktie und brachte dem Unternehmen mit der ersten Tranche im November 1996 gut 10 Mrd. Euro ein. Der IPO von Alibaba übertrifft auch den von Visa im Jahr 2008 (20 Mrd. US-Dollar), sowie den bis dato größten Börsengang eines Internet-Unternehmens aus dem Jahr 2012, als Facebook 16 Mrd. US-Dollar eingenommen hat.

Was zeichnet das Unternehmen Alibaba aus?

Alibaba bietet aus Anlegersicht mehrere attraktive Eigenschaften, unter anderem den starken Netzwerk-Effekt als Plattform einer noch im Aufbau befindlichen e-Commerce Branche in China. Dadurch könnte Alibaba in den kommenden Jahren signifikante Marktanteile gewinnen. Zudem sollte eine Mischung aus makroökonomischen, regulativen und industriellen Treibern für eine außergewöhnlich lange Wachstumsphase sorgen. 

Hinzu kommen viel versprechende Aussichten auf steigende freie Cashflows wegen des sehr gut skalierbaren Geschäftsmodells. Wer insbesondere von der wachsenden Konsum-Mittelschicht und den Sektoren e-Commerce, Technologie und Logistik in China profitieren möchte, sollte unserer Meinung den Börsengang von Alibaba auf dem Radar haben. 

Netzwerk-Effekt schützt gegen Konkurrenz 

Wir schätzen den Wettbewerbsvorteil von Alibaba als groß ein. Das Geschäftsmodell schützt das Unternehmen vor der Margen-Erosion. Unsere Analysten sprechen hier von einem ´wide moat´, also einem breiten Schutzgraben, der die Konkurrenz auf Distanz hält (mehr zum Wide-Moat-Rating von Morningstar finden Sie in diesem Methodologiepapier). Der Netzwerk-Effekt trägt in besonderem Maße zu dem Wide-Mode-Rating bei. Dieser Effekt ist gerade bei Alibaba sehr signifikant, da er in einer Industrie (e-Commerce) aufgebaut wurde, die noch relativ weit am Anfang ihres Lebenszyklus steht. Bei Alibaba basiert der Vorteil darauf, dass das Unternehmen einige der beliebtesten chinesischen Online-Plattformen betreibt wie etwa Taobao, Tmall und Juhuasuan. Allein sie generierten im Jahr 2013 einen Warenhandelsumsatz (GMV) von 248 Mrd. US-Dollar – das ist mehr als der GMV von Amazon und Ebay zusammen. 

Zudem glauben wir, dass strukturelle Unterschiede im chinesischen Einzelhandel sowie die Investitionen, die Alibaba in mobile Technologien getätigt hat, beispielsweise die Akquisition von UCWeb, der Entwickler von Chinas beliebtestem Mobile-Webbrowser, den Netzwerk-Effekt weiter schützen werden, selbst dann, wenn sich der chinesische e-Commerce Markt von einem C2C (aktuell 64% vom gesamt Online GMV) zu einem B2C Markt wandelt. 

Vorläufige Unternehmensbewertung 

Unsere vorläufige Bewertung für Alibaba liegt bei 220 Mrd. US-Dollar, basierend auf der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 33% und einer operativen Marge zwischen 47,5% und 49,4% über die nächsten fünf Jahre. Unsere Annahmen für das obere Ende der Schätzung basieren auf mehreren makroökonomischen, sozioökonomischen und regulativen Treibern sowie Wachstumsimpulsen in der Industrie. 

Hausse, Stagnierend und Baisse: 3 Szenarien für die operative Marge

Als Anbieter von e-Commerce-Plattform ermöglicht es Alibaba, dass sich tausende von Käufer und Verkäufer miteinander vernetzen und Geschäfte abwickeln können. Der Ausbau solcher Plattformen sollte es Alibaba als Drittanbieter ermöglichen, weit vor seinen Wettbewerbern ökonomische Vorteile (und Margen) zu generieren. Allein 2013 hat sich das Internet-Unternehmen nach eigenen Angaben auf 231 Millionen aktive Käufer gestützt - das sind 17% der chinesischen Gesamtbevölkerung. 

Das Risiko mit Chinesischen Titeln 

Nicht unter den Tisch fallen dürfen die Investmentrisiken. Die strategischen Expansionspläne und teils unvorhersehbaren Folgen der chinesischen regulatorischen Rahmenbedingungen für Online- und mobile Bezahldienste mahnen zur Vorsicht. 

Durch verschiedene Plattformen sollen chinesische Großhändler mit dem internationalen Markt vernetzt werden und im Gegenzug weltweite Händler in den chinesischen Retailmarkt Einzug finden. Viele Wettbewerber im globalen Markt, die ebenfalls schon von eigenen Netzwerk-Effekten profitieren, könnten die Pläne von Alibaba deutlich erschweren. Das gleiche gilt für den Eintritt in den US-Onlinehandel. Durch die Konkurrenz der etablierten Player Amazon und Ebay dürfte es Alibaba in den USA höchstens auf den Status eines Nischenanbieters schaffen. 

Auch regulatorische Ungewissheiten bedrohen das Wachstum. Im März 2014 hat die People’s Bank of China einen Regulierungsvorschlag erarbeitet, der das Online-Bezahlgeschäft – kontrolliert von der Chinesischen Regierung – erheblich betreffen würde. Sollten die Vorschläge umgesetzt werden, müssten Privatkunden und Retailer wieder auf die klassischen Bezahlwege wie Überweisung und Kreditkarten ausweichen. Dies wiederum würde den Bezahldienst Alipay, über den knapp 80% der Alibaba-Zahlungsströme abgewickelt werden, hart treffen. 

Auch die Unternehmensstruktur selbst birgt Risiken für Investoren. Alibaba hat sich für den Status einer internationalen Zweckgesellschaft (variable Interest Entity – VIE) auf den Cayman Islands entschieden. Chinesische Internetfirmen umgehen so rechtliche Beschränkungen für die Beteiligung ausländischer Investoren. Sollte das chinesische Handelsministerium gegen VIEs vorgehen, könnten Anleger schlimmstenfalls einen Totalverlust erleiden, sofern der chinesische Staat gegen diese Gesellschaftsform vorgehen sollte. Wir halten das aktuell aber für unwahrscheinlich.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Michael Haker  Michael Haker ist Research Editor bei Morningstar.