Britische Aktien für mehr Wachstum im Portfolio

Nachdem sich die Aufregung über das Schottland-Referendum gelegt hat, dürften viele Anleger mit dem britischen Aktienmarkt liebäugeln. Wir geben einen Überblick über den Markt für britische Aktien-ETFs, der mehr zu bieten hat als den FTSE 100.*

Ali Masarwah 02.10.2014
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Anfang des Jahres hatten wir in einer Analyse zu britischen Aktien-ETFs kräftig spekuliert: "Wird Großbritannien der Gewinner 2014", so unsere etwas bombastisch daherkommende Frage. Wir hatten uns weiland auf die optimistischen Wirtschaftsprognosen bezogen - sinkende Arbeitslosigkeit, ein anziehendes Wirtschaftswachstum, und eine gesunde Inflationsrate von rund 2% (lesen Sie hier mehr).

Heute, neun Monate später, fällt das Urteil einigermaßen versöhnlich aus. In Euro gerechnet legte der britische Standardwerte-Index FTSE 100 in den ersten neun Monaten um 7,8% zu, der Nebenwerte-Index FTSE 250 stieg per Ende September um 5,2%. Das ist deutlich besser als der Dax 30, der im selben Zeitraum rund 1% verlor und erst recht besser als der MDAX, der um 3,5% nachgab. Der Wiener ATX brach sogar um 11,4% ein. Im deutschsprachigen Raum hielten sich nur die Indizes aus der Schweiz einen Tick besser. Der SLI stieg um gut 8% in den ersten neun Monaten. 

Vermutlich hätte es für britische Aktien noch besser ausgesehen, wäre da nicht das schottische Referendum gewesen, das für Verunsicherung sorgte. Doch nachdem sich am 18. September 2014 etwas über 50% der Schotten dafür ausgesprochen haben, weiterhin dem Vereinigten Königreich anzugehören, ist die politische Unsicherheit aus dem englischen Aktienmarkt gewichen. Der Ausgang des Referendums und die nach wie vor sehr robust laufende Wirtschaft in Großbritannien nehmen wir zum Anlass, uns britische Aktienindizes bzw. die darauf fußenden ETFs etwas genauer anzusehen.

Großbritannien liegt in Europa beim Wachstum ganz weit vorn

Kommen wir aber zunächst zu den fundamentalen Wirtschaftsdaten. Schon 2013 gab es erste Zahlen, dass es wieder aufwärts geht. Bislang konnte dieser Trend beibehalten werden. Im Zweiten Quartal 2014 ist die Wirtschaft um 3,1% gegenüber dem Vorjahresquartal gewachsen und liegt längst über dem Niveau vor Ausbruch der Finanzkrise. Insgesamt wird für 2014 ein Wirtschaftswachstum von gut 3% erwartet. Sollte diese Prognose eintreffen, wird Großbritannien laut dem IWF stärker als jedes andere Land in Europa wachsen. Für 2015 wird ein Anstieg des BIP von gut 2,8% erwartet. 

Das positive Wirtschaftswachstum ist auch auf dem Arbeitsmarkt deutlich spürbar: Die Arbeitslosenzahlen nehmen weiterhin ab. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Quote der Bürger ohne Job um weitere 1,5% zurück gegangen und liegt nun auf 6,2%, dem niedrigsten Stand seit über fünf Jahren.

Beschäftigung bei den Bürgern bedeutet oft auch besser gefüllte Taschen und damit höhere Konsumausgaben. Im August 2014 war der Einzelhandel im Vereinigten Königreich so zuversichtlich wie lange nicht mehr. Der GfK UK-Konsumklimaindex kletterte seit langem wieder ins Positive, gab im September 2014 aber wieder auf -1 nach. Auf Jahresperspektive hat sich die Situation aber deutlich gebessert: Im September 2013 war der Indexstand noch bei -10 und hat sich mittlerweile um Werte zwischen -2 und +1 eingependelt. Die Inflation lag im August 2014 bei erträglichen 1,5% und wird für das Jahr 2014 insgesamt für unter 2% erwartet. Die Aussichten auf - leicht - steigende Zinsen machen zudem die britische Währung für Investoren aus Kontinentaleuropa attraktiv.

FTSE-Indizes dominieren als Underlying

Wir haben für unseren Überblick die 20 größten Aktien-ETFs auf britische Indizes ausgewählt, die Sie in der Tabelle weiter unten finden. Auf den ersten Blick ist die Zahl der Produkte sehr ordentlich, ein zweiter zeigt jedoch bereits eine veritable Unwucht: 14 Produkte folgen einigen wenigen FTSE-Indizes. Vor allem der Standardwerteindex FTSE 100 findet sich sehr häufig als Underlying.

Der FTSE 100 vereinigt Anteile der hundert größten Unternehmen im Vereinigten Königreich und beinhaltet damit gut 85% des gesamten Kapitals an der Londoner Börse. Er ist marktkapitalisierungsgewichtet. Rund ein Fünftel aller Titel kommen aus dem Sektor Finanzdienstleistungen. Weiterhin beinhaltet der Index Aktien aus den Sektoren Energie (16-19%), nichtzyklische Konsumgüter (14-16%), Gesundheitswesen (8-10%) und zyklische Konsumgüter (8-11%).

Aktienseitig ist das Bild recht ausgewogen: Die größten Positionen ist HSBC mit gut 6-9%. Danach folgen BP, Shell und GlaxoSmithKline mit einem Indexgewicht von je 4 bis 7%.

Häufig in unserer Auswahl vertreten sind auch ETFs auf den FTSE 250. Hier finden sich 250 mittelgroße Unternehmen. Dieser Index repräsentiert 10% des Aktienmarktes im Vereinigten Königreich. Auch hier sind Finanzwerte am prominentesten vertreten und machen gut ein Drittel des Index aus. Dazu kommen Industriewerte (20-22%) sowie zyklische (15-17%) und nichtzyklische Konsumtitel (6-8%). Die Größten Positionen machen nicht mehr als 1-1,5% aus. Die Top-10-Aktien sind lediglich mit 10,5% gewichtet. Kopflastig ist also anders. 

Ähnlich wie der FTSE 100 ist der MSCI UK-Index aufgestellt. Auch er folgt den Gesetzen der Marktkapitalisierung. Er enthält 108 Werte, und bei der Sektorgewichtung und den Top-Positionen gibt es kaum Unterschiede zum FTSE-Pendant. 

Doch bei britischen Aktien machen sich auch einige Produkte bemerkbar, die einer alternativen Gewichtungslogik folgen als die der Marktkapitalisierung. Beim iShares UK Dividend, immerhin der viertgrößte ETF unserer Auswahl, handelt es sich um einen Dividenden-ETF. Er folgt dem FTSE UK Dividend+, der aus den 50 Aktien mit der höchsten Dividendenrendite im FTSE 350 Index besteht. Die Aktienauswahl erfolgt gewichtet nach der erwarteten Dividendenrendite auf Jahresperspektive. Ein Drittel der Titel sind derzeit Finanzdienstleister, gut 15% sind Versorger. Die Top-10-Titel machen 25% Aus. Darunter sind SSE Plc (3%), MAN Group, Ashmore Group und Investec und Berkeley Group Holdings (2,5%).

Auch der SPDR S&P UK Dividend Aristocrats setzt auf ausschüttungsstarke Unternehmen. Insgesamt finden sich hier 30 Aktien, wobei die Sektoren Industrie (21,5%), nichtzyklische Konsumgüter (20,5%), Finanzwerte (13%) und zyklische Konsumwerte (11,5%) am stärksten gewichtet sind. Die zehn größten Positionen repräsentieren 44% des Index, wobei keine Aktie mehr als 5% ausmacht. Es finden sich hauptsächlich Standardwerte wie BAE Systems, SSE, Amlin (je 4,8%) Carillion (4,6%) oder GlaxoSmithKline (4,35%).

Der PowerShares FTS RAFI UK 100 wiederum enthält Unternehmen, die bestimmte fundamentale Kriterien erfüllen, die vom Analysehaus Research Affiliates definiert wurden, unter anderem die Dividendenrendite, der freie Cashflow und Buchwert einer Aktie. Eine Aktie darf nicht mehr als 10% im Index ausmachen. Energietitel machen 22% des Index aus. Davon sind drei in den Top-5-Positionen: BP (9,8%), Royal Dutch Shell A und B-Shares (6,1% bzw. 4%). Bankaktien sind mit 17,3% der zweitgrößte Sektor; hier sind HSBC (9,3%) und Barclays (3,6%) die größten Posten. 

Tabelle: Die 20 größten ETFs auf britische Aktienindizes

Blicken wir nun auf die Performance der Produkte. In den ersten Monaten dieses Jahres liegt der Dividenden-ETF von iShares mit gut 8% leicht vorn. Es folgen die zahlreichen ETFs auf den FTSE 100 und die ETFs auf den MSCI UK, die auf Standardwerte setzen. Es handelt sich hier um ein sehr dicht gestaffeltes Feld: Der Lyxor ETF FTSE 100 liegt in diesem Jahr mit einem Plus von 7,76% leicht vorn, der db x-trackers FTSE All Shares kommt auf 7,14. Innerhalb dieser Spanne befinden sich 12 weitere Produkte. Die Abstände sind also marginal. 

Deutlich weiter hinten liegen in diesem Jahr die Nebenwerte-ETFs, der PowerShares-ETF auf den RAFI UK 100 und der SPDR S&P UK Dividend Aristocrats, der es nur auf eine Performance von 2,03% bringt. Dass die beiden Dividenden-ETFs die beiden Performance-Pole bilden, erstaunt auf den ersten Blick. Allerdings gibt es Unterschiede in der Konstruktionslogik, was sehr gut die Notwendigkeit illustriert, dass Namen Schall und Rauch sind und sich Investoren mit den Konzepten dieser Produkte intensiv auseinandersetzen müssen.

Übrigens: Anders sieht das Performance-Bild der vergangenen 3 bzw. 5 Jahre aus: In diesem Zeitraum liegen Nebenwerte-ETFs deutlich vor den FTSE-100-Produkten.

Kommen wir nun zu dem Kosten. Bei ETFs fallen vielfältige Gebühren an. Die Management-Gebühren sind dabei das eine. Das andere sind die Gebühren, die beim An- und Verkauf anfallen, die Spreads. Wir haben schon häufiger darauf hingewiesen, dass Anleger neben der Management-Gebühr diese oft übersehene Kostenkomponente beachten sollten (lesen Sie hier mehr).  Neben den wichtigsten Kennzahlen der ETFs am Markt enthält unsere Tabelle auch eine Aufschlüsselung der Kostenkomponenten.

Bei den Spreads dürfte es wenig verwunderlich sein, dass die Produkte auf den FTSE 100 Index aufgrund der Liquidität des Index tendenziell im Handel die günstigeren Produkte sind. So liegt der Spread beim iShares FTSE 100 ETF zwischen den Handelstagen vom 20. August bis zum 30. September bei durchschnittlich 2 Basispunkten.

Doch bei jeder Regel gibt es Ausnahmen. Nur 3 Basispunkte weiter als beim iShares FTSE 100  fiel an der Deutschen Börse im selben Zeitraum die Handelsspanne beim db x-trackers FTSE 250 aus, einem Nebenwerte-ETF, der zudem den Index physisch repliziert. Es folgen in kurzen Abständen die Produkte von Lyxor und Vanguard mit 6 bzw. 9 Basispunkten. Der mit Abstand teuerste ETF im Handel ist der PowerShares FTSE RAFI UK 100 mit einer Geld-Brief-Spanne von satten 63 Basispunkten. Auch die Produkte von iShares und UBS auf den MSCI UK sind im Handel nicht billig. 

Bei den laufenden Kosten lohnt sich ein genauer Blick

Doch die Spreads sind nicht alles. Für Anleger, die eine Buy-and-hold-Strategie verfolgen, sind die laufenden Kosten die wichtigere Kennzahl. Am günstigsten sind hier der Vanguard FTSE 100 ETF und der iShares Core FTSE 100. Sie kosten 10 Basispunkte pro Jahr. Allerdings zeigt dieses Beispiel, dass Anleger auch beim identischen Anbieter mit dem identischen Underlying sehr genau hinschauen müssen. Während der erwähnte iShares Core FTSE 100 tatsächlich neben dem Vanguard-Produkt der günstigste ETF auf britische Aktien ist, ist der iShares FTSE 100 (Inc) mit 40 Basispunkte viermal so teuer. Hier sind allerdings das Gros der Gelder investiert. Für Langfristanleger dürfte sich also der Wechsel zum iShares Core ETF lohnen. 

*Mitarbeit Michael Haker. 

 

 

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich