"PIGS": Wenn ein Schimpfwort zur Investmentchance wird

Auf dem Höhepunkt der Eurokrise waren Portugal, Italien, Griechenland und Spanien für viele Anleger ein No-go. Auch wenn sich das gründlich geändert hat, haben die Aktien aus zumindest drei der vier Staaten Potenzial. Unser Bericht über Indizes, ETFs - und ihre Kosten. 

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Auch wenn die Aktienmärkte der vier Problemkinder Portugal, Italien, Griechenland und Spanien in den vergangenen drei Jahren wieder einiges an Boden gut gemacht haben, erinnert die Langfristbilanz der großen Indizes dieser Länder daran, dass die Turn-around-Story bestenfalls den Wendepunkt erreicht hat – wenn überhaupt.

Italien und Griechenland sind die größten Sorgenkinder

Insbesondere Italien bereitet Investoren und Volkswirten gehörige Bauchschmerzen. Die Nachrichten von den Finanzmärkten und der Realwirtschaft sind für Italien alles andere als ermutigend: italienische Aktien haben Investoren in den vergangenen Jahren alles andere als verwöhnt. Der Leitindex des Landes, der FTSE MIB befindet sich noch immer weiter unter dem Niveau von 2007 – von gut 44.000 Indexpunkten brach das Barometer auf derzeit knapp 19.000 Punkte ein.

Nimmt man die Langfristbilanz des IBEX 35 zum Maßstab, dann könnte man auf ähnlich trübe Gedanken kommen: Seit Ende 2007 verlor der Index gut 1/3 an Wert. Allerdings ist der Fall etwas anders gelagert als in Italien. Die Wirtschaft in Spanien ist dem tiefen Tal entstiegen, und spanische Aktien gelten heute – ungeachtet der bereits erfolgten Kurserholung in diesem Jahr – fundamental gesehen eher als Opportunität denn als Risiko.

Eher wackelig sind dagegen die Verhältnisse in Portugal und Griechenland. Auch wenn beide Länder Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung gemacht haben, ist das Wachstum nach wie vor anämisch, und die politische Unsicherheit um die Stabilität des politischen Systems (Griechenland) und der Solidität des Bankensystems (portugiesische Banken) haben dazu beigetragen, dass die Aktienmärkte in diesem Jahr die Schlusslichter in Europa bilden: In den vergangenen 12 Monaten verloren die Indizes Athen ASE und der PSI 20 jeweils gut 23% an Wert.

Für mutige Anleger, die bereit sind, antizyklisch zu investieren, könnten sich nach den jüngsten schmerzlichen Korrekturen im Dezember Chancen bieten. Nach wie vor erwarten Investoren wie Volkswirte, dass die Europäische Zentralbank die Eurozone durch eine expansive Geldpolitik zurück zum Wachstumspfad begleiten kann (lesen Sie hier mehr).

Grund genug, sich die vier Aktienmärkte genauer anzuschauen. Wie gewohnt werden wir uns zunächst die großen Aktienindizes etwas genauer anschauen, um dann im zweiten Schritt die größten ETFs etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

FTSE MIB

Der italienische Leitindex MIB wird seit 2009 vom Indexanbieter FTSE berechnet. Er ist marktkapitalisierungsgewichtet und umfasst die Aktien der 40 größten Unternehmen Italiens, adjustiert um die frei handelbaren Aktien. Mindestens 30% der Aktien müssen sich im Streubesitz befinden. Er deckt 80% der Marktkapitalisierung ab und wird maßgeblich von drei Branchen bestimmt, wobei Finanzdienstleister mit gut 40% das größte Gewicht haben; Energietitel machen 21% aus, Versorger 14%.

Auch auf Einzeltitelebene ist der MIB kopflastig. Die Top-Fünf-Positionen machen über 50% aus. Das größte Gewicht hat der Energie- und Erdölkonzern Eni (15,2%), gefolgt von der Bank Intesa Sanpaolo (10,4%), Unicredit (10,35%), Generali (7,7%) und dem Versorger Enel (10%). Die Indexüberprüfung erfolgt vier Mal im Jahr.

MSCI Italy

Der von MSCI berechnete Index ist ebenfalls marktkapitalisierungsgewichtet, enthält jedoch nur 26 Titel. Er deckt gut 85% des Aktienuniversums in Italien ab und wird ebenso vierteljährlich auf seine Zusammensetzung überprüft. Von der Sektordiversifizierung ist er ähnlich aufgestellt wie der bekannte Leitindex aus Mailand: Finanztitel machen 40%, Energietitel 20,4% und Versorger 17,7% aus. Die fünf größten Positionen wiegen 57,6% und auch hier sind ENI (16,6%), Intesa Sanpaolo (11,75%), Unicredit (10,6%) und Enel (10,4%) die Schwergewichte.

Ibex 35

Der spanische Leitindex Ibex enthält die 35 größten Unternehmen aus Spanien und ist marktkapitalisierungsgewichtet, gemessen an den frei handelbaren Aktien. Der Index startete 1989 bei einem Stand von 3.000 Punkten. Die Zusammensetzung wird zwei Mal im Jahr überprüft und gegebenenfalls neu adjustiert. Von den enthaltenen Titeln müssen mindestens 30% der Aktien frei handelbar sein.

Wie bei den Standardindizes in Italien haben auch hier Finanztitel das größte Gewicht mit 40%. Daneben spielen Telekommunikationswerte und Versorger (je 10-15%) sowie Industriewerte (10%) eine wesentliche Rolle. Auch bei Betrachtung der Einzeltitel fällt auf, dass die fünf größten Positionen knapp die Hälfte des Index ausmachen: Banco Santander (18,7%), BBVA (11,5%), Telefonica (11,2%) Inditex (8,5%) und Iberdrola (7,1%). Die übrigen Titel machen nicht mehr als maximal 5% des Indexgewichts aus.

MSCI Spain

Ähnlich wie bei der Abbildung des Italienischen Marktes, enthält auch hier has Produkt von MSCI weniger Einzeltitel als der Hauptindex. Der MSCI Spain ist marktkapitalisierungsgewichtet und bildet die Wertentwicklung von 23 Unternehmen ab. Er enthält etwa 85% der Marktkapitalisierung in Spanien. Finanztitel machen hier deutlich mehr als im Ibex aus, nämlich 47,7%, Telekommunikationsdienstleister 14,3% und Versorger 13,6%.

Erwartungsgemäß ist demnach auch das Gewicht der Top-Werte deutlich größer. Sie bestimmen die Wertentwicklung zu knapp 60%, wobei alleine Banco Santander fast ein Viertel (23,6%) des Index ausmacht. Weitere Top-Unternehmen sind Telefonica (14,3%), BBVA (13,5%), Iberidola (7,9%) und der Konsumgüterhersteller Inditex (6,7). Genau wie der Ibex35 wird auch der MSCI Spain alle drei Monate neu berechnet.

Athex Large Cap

Der Athex ist der marktkapitalisierungsgewichtete Index, der die Wertentwicklung der 25 größten Unternehmen in Griechenland abbildet. Auch hier werden für die Kursberechnung die Preise der frei handelbaren Aktien herangezogen.

Die Überprüfung hinsichtlich Zusammensetzung und Gewichtung erfolgt zwei Mal im Jahr. Wie der Italienische und Spanische Indizes ist auch hier mit Blick auf die Einzeltitel die Diversifizierung eher gering. Die fünf größten Werte haben ein Gewicht von 53%. Zu ihnen gehören die National Bank of Greece (13,1%), Piraeus Bank (10,5%), Eurobank Ergasias (9,8%), OPAP (8,8%) und außerdem Hellenic Coca Cola (10,8%) – somit fließt gewissermaßen auch ein kleiner Teil unternehmerischer Entscheidungen aus den USA in den griechischen Large Cap Index.

Auf Sektorebene sind die in letzter Zeit stark gebeutelten Finanzwerte mit einem Gewicht von gut 45% ein wesentlicher Einflussfaktor, ebenso wie Konsumgüter (28%) und Telekommunikationswerte (8,5%).

PSI 20

Für den portugiesischen PSI werden die 18 bis 20 nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen ausgewählt, gemessen nach den frei Handelbaren Aktien. Zudem ist es für die Indexkonstruktion wesentlich, dass die enthaltenen Aktien zu den in Lissabon am häufigsten gehandelten gehören. Die Zusammensetzung wird vierteljährlich überprüft. Ein Mal pro Jahr wird entschieden, ob die Anzahl an Unternehmen im Index angepasst werden muss.

Per Ende 2014 enthält der portugisische Leitindex 18 Titel. Die Top-fünf-Werte machen dabei 62% aus: Galp Energia (17,85%), EDP (17,7%), J. Martins (12,1%), B.Com Portugues (7,8%) und das medienunternehmen NOS (6,8%). Im Gegensatz zu Italien, Spanien und Griechenland sind Finanzwerte – zumindest seit dem Zusammenbruch der Bank Espírito Santo in diesem Jahr und deren Entfernung aus dem PSI im Juli - weniger ausschlaggebend. Sie machen nur knapp 12% aus. Dafür haben Versorger (25,9%), Energietitel (17,8%) und Konsumgüter (17,2%) einen stärkeren Einfluss auf die Indexentwicklung.

Italien und Spanien dominieren bei der Produktauswahl

Kommen wir nun zu den ETFs, die auf den oben detailliert beschriebenen Indizes fußen. Wie aus unserer Tabelle unten, die nach verwaltetem Vermögen sortiert ist, hervorgeht, dominieren zwei Indizes den Markt für Euro-Peripherie-ETFs: der FTSE MIB und der IBEX 35. Dabei stecken gut zwei Milliarden Euro in ETFs auf den italienischen Standardwerte-Index, 1,3 Milliarden Euro sind in Indexprodukten auf den spanischen Leitindex investiert. Der älteste Euro-Peripherie-ETF ist der Lyxor ETF FTSE MIB, der bereits im Jahr 2001 aufgelegt wurde; der größte ist der iShares FTSE MIB (dist), der per 18. Dezember 920 Millionen Euro auf die Waage brachte, wie aus unserer Produktübersicht hervorgeht.

Tabelle: Die größten zehn ETFs für griechische, italienische, portugiesische und spanische Aktien

Die Bilanz der Eurokrise hat sich sehr tief in die Performance-Bilanzen der Produkte gefressen, wie ein Blick auf die Fünfjahresrenditen zeigt. Die beste Performance erzielte in dieser Zeitspanne der Lyxor ETF Ibex 35: Er legte um immer noch mickrige 1,0% pro Jahr seit Dezember 2009 zu. Die Produkte auf die italienischen Standardwerte-ETFs lagen in den vergangenen fünf Jahren sogar im Minus. Besonders bitter war die Bilanz des Griechenland-ETFs: Seit Herbst 2009 verloren Anleger mit diesem Produkte 25,2% - pro Jahr! Diese Langfristbilanz verdeutlicht, dass Investoren in solchen Produkten eine klare Erholungs-Story spielen wollen.

Dass Investments in diese Märkte gute Nerven erfordern, zeigen die Drawdowns: Mit einem maximalen Verlust von knapp 50% dürfte der ETF auf den FTSE Athex Large Cap Anlegern besonders viele schlaflose Nächte bereitet haben; auch der Comstage PSI 20 brach um maximal 36,2% ein.

Das gilt auch für die Kurzfristbilanz: In diesem Jahr lagen italienische, griechische und portugiesische Aktien im Minus – vor allem letztere machten mit zweistelligen Verlusten auf sich aufmerksam. Lediglich die beiden spanischen Indizes IBEX 35 und MSCI Spain konnten 2014 eine positive Performance erzielen.

Zum Schluss ein Wort zu dem Kosten. Zwei wichtige Kostenkomponenten müssen Investoren beachten. Zum einen die für alle sichtbaren Kosten: die Managementvergütung bzw. die laufenden Kosten, die jedes Jahr anfallen. Hier überzeugt die französische Amundi mit den günstigsten Konditionen. Mit laufenden Kosten von 0,18% ist der Amundi ETF FTSE MIB fast halb so teuer wie der Lyxor ETF FTSE MIB, für den jährlich 0,35% fällig werden. Der Lyxor ETF FTSE Athex Large Cap ist mit 0,45% jährlich der teuerste ETF unserer Auswahl.

Die zweite wichtige Kostenkomponente bei ETFs

Die zweite wichtige Kostenkomponente sind bei ETFs die Handelskosten, die jedoch viel schwieriger zu ermitteln sind. Wir haben schon häufiger darauf hingewiesen, dass Anleger neben der Management-Gebühr diese oft übersehene Kostenkomponente beachten sollten (lesen Sie hier mehr). Neben den anderen Kennzahlen enthält unsere obere Tabelle auch eine Aufschlüsselung der Spreads, also der Handelsspanne. Wir führen die Börse mit den günstigsten Handelskosten in den 30 Handelstagen per 17. Dezember auf.

Die günstigsten Handelskosten waren bei den Italien-ETFs zu beobachten. Besonders günstige im Handel war der db x-trackers FTSE MIB an der Deutschen Börse mit einem Spread von durchschnittlich nur 5 Basispunkten. Nur geringfügig teurer war das Pendant von Lyxor, bei dem in Mailand für eine „einfache Fahrt“ in der Zeit zwischen 11. November und 17. Dezember durchschnittlich nur 3 Basisunkte fällig wurden.

Doppelt so teuer wie das Lyxor-Produkt war der Handel im iShares FTSE MIB, und auch der Amundi-ETF, der mit einer konkurrenzlos günstigen Management-Gebühr aufwartet, war im Handel nicht ganz so günstig. Die mit Abstand höchsten Handelskosten fielen beim ETFs auf Griechenland-Aktien mit einem durchschnittlichen Spread von 91 Basispunkten an der Euronext in Paris an. Wer allzu taktisch agiert, könnte also auch bei günstigen Indexfonds mehr Kosten produzieren, als er es im ersten Moment vermuten dürfte.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah und Michael Haker  Ali Masarwah ist Chefredakteur von Morningstar Deutschland, Österreich und Schweiz; Michael Haker ist freier Mitarbeiter von Morningstar in Frankfurt