Europa-Nebenwerte-ETFs: Fertigprodukt oder selbst gemischt?

Rendite und Risko sind bei Nebenwerten häufig überdurchschnittlich hoch. Breit gestreute ETFs können das Risiko vermindern. Anleger sollten aber auf die Ländergewichtung ein Auge haben. Teil zwei unserer Serie zu Nebenwerte-ETFs: Europa, EMU, Schweiz und UK.

Michael Haker 24.04.2015
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In der vergangenen Woche haben wir über den Charme deutscher Mittelständler berichtet und wie man von ihrer Wertentwicklung partizipieren kann. Im zweiten Teil unserer Serie zu Nebenwerte-ETFs blicken wir über den Tellerrand und analysieren europaweit investierende Small- und Mid Cap-ETFs. Investments in Nebenwerte können sehr riskant sein, deshalb bietet sich ein diversifiziertes Investment an. Für die meisten Anleger bieten sich breit streuende Produkte an, die den gesamten Markt auf sich vereinen. Allerdings gilt es dann zu bedenken, dass paneuropäische Indizes derzeit zu rund einem Drittel aus britischen Aktien bestehen. Das bringt ein hohes Währungsrisiko mit sich.  Wer kann, sollte deshalb auf ETFs mit Fokus auf den Euro-Währungsraum setzen und diese mit einer homöopathischeren Dosis Großbritannien in Gestalt des FTSE 250 mischen. Und wer nicht auf Schweizer Small und Mid Caps verzichten möchte, findet entsprechende Indexprodukte auf Schweizer KMUs, die im SMIM enthalten sind.

Durch die Mischung der unterschiedlichen ETFs lässt sich das Länderrisiko also individuell steuern. Bei aller Liebe zur Diversifizierung sollten Anleger allerdings zu viel Klein-Klein vermeiden. Sehr granulare Portfolios sind nur etwas für angemessen hohe Anlagesummen. Pro ETF sollte mindestens eine mittlere vierstellige Summe investiert sein, damit die Handelskosten nicht den Spaß verderben.

Ländergewichtung bei Nebenwerte-Indizes

Die Auswahl an Small und Mid Cap-ETFs ist weitaus überschaubarer als bei Standardwerten, Dividenden-Indizes oder Emerging Markets. Auf der Indexseite dominieren zwei Anbieter: STOXX und MSCI. Wir werden im Folgenden deshalb die paneuropäischen sowie die Euroland-STOXX- und MSCI Nebenwerte-Indizes vergleichen, bevor wir auf Schweizer und britische Länderindizes eingehen.

Auf Europa-Ebene sind die Indizes der beiden Anbieter hinsichtlich der Ländergewichtung sehr ähnlich: Sowohl bei Small als auch bei Mid Caps macht das Vereinigte Königreich gut ein Drittel der Indizes aus. Bei Euroland-Nebenwerte-Indizes dominieren dagegen Frankreich und Deutschland. Während die Ländergewichtungen bei den Mid Cap-Indizes von STOXX und MSCI  recht ähnlich sind, gibt es deutliche Unterschiede zwischen den beiden Indexfamilien bei Small Caps.

In der unteren Grafik finden Sie die wichtigsten Unterschiede zwischen den Mid und Small-Cap Indizes von STOXX und MSCI auf einen Blick. Stichwort Small Caps: Bei MSCI findet sich ein höherer Anteil deutscher, italienischer und spanischer Aktien, während bei STOXX französische und holländische Werte etwas stärker gewichtet sind. Der Unterschied bei den Anteilen der jeweiligen Länder kann um 4% bis 6,5% variieren.

Grafik: Ländergewichtung in Nebenwerte-Indizes

Laendergewichtung bei Nebenwerte-Indizes

Kommen wir nun zu den einzelnen Produkten, die Nebenwerte aus ganz Europa, dem Euroraum, sowie der Schweiz und UK enthalten. Bei der Auswahl haben wir uns an der Größe der ETFs orientiert, die die Indizes abbilden.

Europaweite Nebenwerte

Die beiden paneuropäischen STOXX-Indizes unserer Auswahl beschränken sich auf die jeweils 200 kleinen beziehungsweise 200 mittelgroßen Unternehmen des STOXX Europe 600. Sie sind Marktkapitalisierungsgewichtet. Die Überprüfung der Zusammensetzung erfolgt alle drei Monate. Sie sind auf Einzeltitelebene alles andere als kopflastig: die Top 10-Werte machen zusammen maximal 8-9% aus. Wie oben bereits erwähnt, sind Unternehmen im Vereinigten Königreich mit gut einem Drittel gewichtet.

STOXX Europe Mid 200

Er umfasst die Mittelgroßen Unternehmen aus dem STOXX Europe 600. Industrieunternehmen machen rund 24,7% des Index aus, gefolgt von Finanzdienstleistern (15,9%), zyklischen Konsumgütern (13,2%) und Rohstoffunternehmen (10,5%). Kein Titel darf mehr als 20% im Index ausmachen, was angesichts des Umfangs von 200 Einzelaktien schwer werden dürfte. Aktuell wiegt keine Position mehr als 1%. Am stärksten gewichtet sind ProSiebenSat.1, Altantia, Intercontinental Hotels, UPM Kymmene und Novozymes (maximal 0,9%).

STOXX Europe Small 200

Bei den Small-Caps umfassenden Werten auf Europa-Ebene geben insbesondere Industriewerte, Finanztitel und zyklische Konsumgüter den Ton an mit einer Gewichtung von je 18 -22%. Die Sektoraufteilung ist somit etwas ausgewogener als bei den mittelgroßen Aktien. Das größte Gewicht macht der französische Luxusgüter-Konzern Hermes mit 1,5% aus, gefolgt von Bollore (0,9%), Henderson Group (0,85%), Securitas (0,8%) und Osram (0,8%).

Nebenwerte im Euro-Währungsraum

Ebenso wie bei den paneuropäischen Indizes, sind auch die Produkte mit Fokus auf die Euro-Währungsunion marktkapitalisierungsgewichtet. Bei STOXX wie auch bei MSCI erfolgt die Überprüfung der Zusammensetzung vierteljährlich.

MSCI EMU Mid Cap

Der Euro Mid Caps-Index unserer Auswahl beinhaltet weniger Titel als die europaweiten: der MSCI EMU Mid Cap besteht aus 121 Werten. Die Top Ten machen 17% des Gewichts aus. Von Kopflastigkeit kann also auch hier noch nicht die Rede sein. Die Auswahl der Aktien folgt einer etwas anderen Logik als bei STOXX. Daher sind auch die Top-5-Aktien anders: FiatChrysler (2,1%), Legrand (2%), Infineon (1,9%), Cap Gemini (1,7%) und Deutsche Annington (1,7%). Auf Länderebene fallen zwei von den zwölf Regionen raus, die die STOXX-Indizes noch enthalten: Luxemburg und Griechenland. Das ändert aber nicht die wesentliche Ländergewichtung im Vergleich zum ganz ähnlich zusammengesetzten EURO STOXX Mid. Dafür gibt es deutliche Unterschiede bei der Sektorgewichtung: Der EURO STOXX Mid ist relativ nahe am Durchschnitt der Morningstar Kategorie „Aktien Euroland mittelgro¬ß“. Das Bedeutet, dass Industriewerte knapp ein Drittel gewichtet sind. Der MSCI EMU Mid ist etwas ausgewogener. Zwar sind auch hier Industriewerte am stärksten vertreten (21,4%), Finanztitel, Zykliker, Technologiewerte und Rohstoffaktien diversifizieren mit relativ gleichen Anteilen zwischen 11,5% bis 15% den Index etwas stärker über die einzelnen Sektoren.

EURO STOXX Small

Hier finden sich ausschließlich die Small Caps des Euroraums, die auch im STOXX Europe 600 enthalten sind. Beim EURO STOXX Small handelt es sich damit ebenfalls um einen Subindex, der noch weniger Titel als seine zuvor genannten großen Brüder umfasst. Aktuell sind es 94 verschiedene Aktien, die Anzahl kann allerdings variieren. Den größten Anteil machen Finanzwerte aus (23,8%). Die anderen Sektoren wie zyklische Konsumgüter, Industriewerte, Versorger oder Healthcare sind mit je 10,5-12,5% relativ ausgeglichen vertreten. Die Aufstellung dieses Small Caps-Index ist also vergleichsweise ausgewogen. Auch bei einzelnen Aktien gib es keine auffälligen Ausreißer: am stärksten gewichtet ist Hermes (3,1%), zusammen mit Bollore (1,9%), Osram (1,8%), der niederländische Versicherer NN Group (1,7%) und dem italienischen Finanzdienstleister EXOR (1,7%).

Länderindizes: FTSE250

Britische Nebenwerte werden unter anderem im FTSE250 zusammengefasst. Er enthält die 250 nach Marktkapitalisierung nächst grö¬ßeren Unternehmen hinter dem FTSE 100 und umfasst 15% der Marktkapitalisierung der Londoner Börse. Typisch für UK-Indizes ist die prominente Stellung von Finanztiteln (35%). Zusammen mit Industriewerten (22,6%) und Konsumgütern (18,4%) bilden sie ein Trio, das drei Viertel des FTSE 250 ausmacht. Bei den Einzelwerten ist der Index ausgewogen. Keine Aktie hat ein Gewicht von mehr als 1,2%, die Top Ten haben zusammen 10,7%. Zu ihnen gehören Inmarsat (1,2%), Rexam (1,2%), Provident Financial (1,2%), Croda International (1,1%), und Informa (1,1%). Die Neugewichtung erfolgt vierteljährlich.

SIX SMI Mid

Der SIX SMI Mid ist im Vergleich zum SIX SPI Mid Cap der Schweizer Nebenwerte-Index, der nach den ETF-Volumina zu urteilen von Investoren eindeutig häufiger gefragt ist. Von der Aktienanzahl ist er allerdings deutlich kleiner als die anderen vorgestellten Indizes. Unter den 30 größten und liquidesten mittelgroßen Unternehmen des SPI Mid-Cap-Segments dominieren ebenso Industriewerte (20%) und Finanztitel (20%) sowie nichtzyklische Konsumgüter (15%) und Healthcare-Unternehmen (15%). Mit einer Gewichtung 51% der Top-10-Werte ist der Index auf Ebene der Einzelaktien am kopflastigsten. Die größten Positionen sind Kühne und Nagel (6%), Sonova (5,7%), Swiss Life (5,5%), Sika AG (5,5%) und Aryzta (5,3%). Die Anpassung der Indexbestandteile erfolgt auch hier alle drei Monate.

Kommen wir nun zu der breiten Palette an ETFs.

Europa-Nebenwerte-ETFs: Missverhältnis zwischen Kosten und Volumina

Für paneuropäische Nebenwerte kommen die größten und auch ältesten ETFs sowohl bei Small- als auch bei Mid Caps vom Marktführer iShares mit je gut 340 Millionen Euro. Der Anbieter Source stellt die zweitgrößten Produkte. Kostenseitig ist die Lage eindeutig: beide iShares-ETFs sind mit 20 Basispunkten die günstigere Alternative, was ein Grund für die ungleiche Asset-Verteilung zwischen den Produkten sein könnte.

Bei Eurozone-Indizes ist das Bild ähnlich: Der Pionier ist iShares und verweist mit seinen Fondsvolumina die Wettbewerber  Amundi und Lyxor auf die Plätze. Allerdings haben die beiden kleineren Fonds bei den Kosten die Nase vorn und sind gut 10 Basispunkte günstiger: Der EMU-Mid Caps-ETF von Lyxor schlägt mit 0,4% zu Buche, Euro-Small Caps sind bei Amundi mit 30 Basispunkten am günstigsten.

All die europaweiten Produkte sehen im Vergleich zu den Nebenwerte-Indizes auf Länderebene  klein aus. Die höchsten Anlegergelder stecken im englischen FTSE250, ebenfalls wieder bei iShares: gut 1,35 Milliarden Euro ist der ETF schwer. Die Produkte von db x-trackers, HSBC oder Vanguard sind dagegen winzig. Das ist insbesondere bei Betrachtung der laufenden Kosten erstaunlich. Am teuersten ist der Marktführer mit 0,4%. Das untere Ende der Kostenskala markiert der Neuling auf dem Markt: Den Vanguard-ETF gibt es bereits für 10 Basispunkte und er repliziert den FTSE250 sogar physisch vollständig.

Bei Schweizer Nebenwerten finden wir den zweitgrößten ETF unserer Gesamtauswahl. Er ist mittlerweile 1,15 Milliarden Euro schwer und kommt von  iShares. Den zweiten auf dem Markt befindlichen ETF auf den SMIM bietet die UBS an, der zugleich die preiswertere Wahl ist und mit 0,28% beinahe ein Drittel weniger kostet  als die iShares-Variante für 45 Basispunkte.

Insgesamt betrachtet markiert also der Marktführer iShares das obere Ende der Skala -- sowohl bei den Fondsvolumina als auch bei den Kosten. Von der Performance her liegen die Produkte auf drei und fünf Jahre allerdings auch etwas besser als die Wettbewerber mit Ausnahme des ETFS auf den Schweizer SMIM. Hier dürfte eine Frage der Zeit sein, bis entweder die Gebühren gesenkt werden, oder Mittelabflüsse zu Gunsten der Konkurrenz zu verzeichnen sind.

Tabelle: Nebenwerte-ETFs

Nebenwerte-ETFs EUR

Ordentliche Performance bei überschaubarem Risiko

Kurz zusammengefasst: auf Jahressicht haben Europa und die Schweiz am besten performt, auf Sicht von fünf Jahren lieferten britische Nebenwerte die besten Wertentwicklung bei zugleich geringstem maximalen Verlust.

Betrachten wir zunächst nur europäische Nebenwerte, so lassen sich einige grundsätzliche Aussagen aus der Tabelle ablesen. Mid Caps sind 2015 sowie auf drei und fünf Jahre etwas besser gelaufen als Small Caps. Sie verwöhnen Investoren im laufenden Jahr sowie annualisiert auf Dreijahressicht mit gut 22%. Kleine Unternehmen brachten in diesen Zeiträumen immerhin zwischen 18,7% und 21,3%. Auf fünf Jahre machen paneuropäische Small Caps mit einem Plus von gut 13% annualisiert einen etwas besseren Eindruck als reine Euro-Small Caps. Das gilt auch für den maximalen Wertverlust: Auf Sicht von drei Jahren musste Anleger -8,8% bis -7,1% aussitzen, während es bei den kleineren Unternehmen der Euro-Zone bis zu 11% nach unten ging. 

Etwas Nervenschonender waren Schweizer Nebenwerte. Hier liegt der maximale Wertverlust bei 6,6% in den letzten drei Jahren, gleichzeitig ist die drei- und fünf-Jahres-Performance annualisiert (+24% und +15,5%) besser als bei Europa-Indizes. Da beide ETFs auf den Schweizer Franken notieren, ist gerade Euro-Anlegern im laufenden Jahr die Abkoppelung des Franken vom Euro zu Gute gekommen, da sie so noch Kursgewinne des Währungspaars EUR/CHF mitnehmen konnten. Auf längere Sicht könnte sich der teurere Franken aber als Performance-Hemmer entpuppen, da er gleichzeitig die Exporte verteuert, was wiederum auf die Gewinne der kleineren und mittleren Unternehmen mit hohem Export-Anteil drücken könnte und so die Jahresbilanz 2015 schmälert.

Die längerfristig beste Wertentwicklung haben britische Nebenwerte geliefert. Auf drei und fünf Jahre laufen sie SMI, MSCI EMU und STOXX Europe davon und bringen dem Anleger gut 23,7% beziehungsweise 18% annualisiert in fünf Jahren. Zugleich ist der maximale Wertverlust auf drei Jahre mit rund 5,8% am geringsten von allen vorgestellten Indizes.

Feinheiten beachten: Ertragsverwendung

Anleger sollten auch ein Auge auf die Frage werfen, ob der ETF Erträge ausschüttet oder sie reinvestiert. Abgesehen von den Schweizer Nebenwerten (beide ETFs sind ausschüttender Natur), müssen sich Anleger bei den anderen fünf abgebildeten Indizes zwischen beiden Varianten entscheiden. Für die reinvestierende Variante spricht, dass man auf längere Sicht in den Genuss des Zinseszinseffekts kommt. Die kostengünstigsten ETFs schütten allerdings die Erträge aus.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Michael Haker  Michael Haker ist Research Editor bei Morningstar.