Griechenland Bonds oder das Lieschen Müller-Problem

Wir haben uns die Rentenfonds näher angesehen, die noch Griechenland-Bonds halten. Wir verorten die wahren Leidtragenden außerhalb der Welt der Distressed Bond- und High Income-Funds.

Ali Masarwah 29.06.2015
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Mit dem vorläufigen Scheitern der Griechenlandverhandlungen geht das Gespenst eines „Grexits“ um – wieder einmal. Und doch unterscheidet sich die Situation fundamental von der von vor drei Jahren. 2012 hielt die Griechenland-Krise die Kapitalmärkte in Atem. Zu Recht. Eine großflächige Ansteckung der Euro-Südstaaten wurde befürchtet, und auch ein Kollaps von Euro-Banken, die griechische Staatsanleihen auf den Büchern hatten, schien nicht ausgeschlossen.

Doch heute sehen Marktteilnehmer die Situation gelassener. Am Montag hielten sich die Turbulenzen an den europäischen Kapitalmärkten in Grenzen. Griechenland macht heute 2% des Euroland-BIP aus, was bedeutet, dass sich der mögliche Fall Out für die meisten Unternehmen in Grenzen hält. Zudem steht heute die mächtige EZB hinter den Euro-Südstaaten, die sich entschlossen gibt, diese Euromitglieder notfalls durch den verstärkten Kauf von Staatsanleihen zu stützen.

6750 Rentenfonds unter die Lupe genommen

Doch wie sieht die Situation der privaten Bond-Anleger aus, die befürchten müssen, über Rentenfonds unter dem Grexit zu leiden? Wir haben alle Rentenfonds, die in Europa zum Vertrieb zugelassenen sind, unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Insgesamt steht nicht allzu viel zu befürchten. Im Gegensatz zu 2012, als viele Privatinvestoren durch den, nun ja, freiwilligen Schuldenschnitt leiden mussten, wären die Folgen eines griechischen Staatsbankrotts für Bond-Fonds-Investoren überschaubar.

In unserer Datenbank Morningstar Direct haben wir europaweit nur 42 von gut 6.750 Rentenfonds ausgemacht, die zum Zeitpunkt der jüngsten Erhebung (zumeist per Ende Mai) mehr als 1,0% ihres Vermögens in griechische Staatsanleihen investiert haben.

Zwar sieht es vereinzelt für Anleger nicht gut aus. Prekär etwa die Situation für den Geniki Domestic Bond Fund. Das gilt auch für den Eurobank (LF) Greek Government Bond Fund und ALPHA Greek Bonds. Die Quote griechischer Staatsanleihen in diesen drei Fonds belief sich zuletzt auf jeweils mindestens 81%. Kommt es in der griechischen Schuldenkrise zum Dominoeffekt wie befürchtet, werden die Anleger in diesen Fonds bestenfalls irgendwann und dann auch nur Bruchteile ihres Vermögens wiedersehen.

Rund 710 Millionen Euro stehen auf dem Spiel

Doch genau hier liegt der Hund begraben. Bei diesen Produkten handelt es sich aus Sicht der überwiegenden Mehrheit der Anleger in Anleihefonds in Europa um Exoten – es sind Fonds, die nur in Griechenland vertrieben werden. Die drei oben genannten Fonds, die vollgeladen sind mit Griechenland-Bonds, bringen zusammen nur rund 110 Millionen Euro auf die Waage.

Von den erwähnten 6750 Bond-Fonds hielten zum letzten Zeitpunkt der Erhebung insgesamt nur 230 Produkte Griechenland-Anleihen. Grob gerechnet steht Griechenland bei europäischen Fondsanlegern aufgrund dieser Holdings mit 712 Millionen Euro in der Kreide. Davon befinden sich 190 Millionen Euro in Fonds, die fast ausschließlich in Griechenland vertrieben werden.

Nun sind 710 Millionen beileibe kein Pappenstiel. Aber verglichen mit der Schuldenlast von rund 320 Milliarden Euro, unter der Griechenland zusammenzubrechen droht, handelt es sich um ein überschaubares Problem.

"Distressed" sind weniger die Profi-Anleger ...

Unter den Fonds, die in Deutschland, Österreich oder der Schweiz zum Vertrieb zugelassen sind, finden sich nur wenige, die in nennenswertem Umfang Griechenlandbonds halten oder jüngst gehalten haben. Dazu zählen die Fonds nordIX Renten plus, der per Ende Mai zu 3,3% in griechischen Staatsanleihen investiert war, Capital Group Glbl High Income Opps (2,6%), Carmignac Pf Global Bond (2,1%) und IP Concept Liquid Stressed Debt Fund (2,5% per Ende März). Die Namensbestandteile einiger dieser Fonds wie „high income“ oder „distressed debt“ lassen vermuten, dass die meisten Anleger wussten, worauf sie sich bei diesen Fonds einlassen.

... sondern das sprichwörtliche Lieschen Müller

Das griechische Verschuldungsproblem betrifft vor allem Institutionen wie die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Dieser 2010 gegründete Stabilisierungsmechanismus ist Teil des sogenannten Euro-Rettungsschirms. Er hält gut 45% der griechischen Schulden oder 142 Milliarden Euro. Es folgen die bilateralen EU-Schuldner mit 53 Milliarden Euro (17%), der IWF mit 32 Milliarden Euro (10%) und die EZB/EIB mit 27 Milliarden Euro (8%).

Sollte die Sache mit Griechenland schief gehen, wird am Ende des Tages also vor allem der Euroland-Steuerzahler für die Griechenlandschulden gerade stehen. Es geht also um Lieschen Müller, um Sie und mich, die die Folgen der absehbar gescheiterten Euro-Rettung Griechenlands zu tragen haben werden – Distressed Bond-Fondsanleger dürften etwaige Verluste dagegen vermutlich locker verschmerzen -- und als „Peanuts“ abschreiben können.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich