Anleger fassen sich ein Herz und nutzen Unterbewertung europäischer Unternehmen

Wir haben nachgeschaut, wie der europäische Aktienmarkt nach dem Januar-Schreck bewertet war – und wie Anleger auf die Kursstürze reagiert haben.

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Eigentlich ist die Lage klar: Fallen die Kurse am Aktienmarkt, werden die Bewertungen der Unternehmen attraktiver. Dann lohnt sich --- zumindest langfristig gesehen --- häufig ein Kauf. Jedenfalls viel eher als wenn der Markt auf einem Höhepunkt notiert. Dieser Maxime sind Anleger in Europa per Saldo im Janaur leider nicht gefolgt. Es passierte wie so oft in Zeiten hoher Nervosität: Anleger wollen einfach nur raus aus dem Risiko. Laut unseren aktuellen Mittelfluss-Daten wurden im Januar euroweit 6,25 Milliarden Euro aus Aktienfonds abgezogen. Verkauft wurden vor allem Fonds für asiatische und amerikanische Unternehmen. 

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Anleger haben sich ein Herz gefasst und sind in substanziellem Umfang in europäische Aktienfonds eingestiegen. Acht der zehn Fondskategorien mit den höchsten Zuflüssen in Januar waren europäische Regionen- und Länderkategorien. Gekauft wurden vor allem Eurozonen-Standardwerte, aber auch pan-europäische Standardwerte- und Dividendenfonds. Das ist bemerkenswert, bedenkt man, dass europäische Aktien zum Jahresanfang stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Entpuppt sich die derzeitige Schwächephase an den Märkte als bloße Korrektur und nicht als Auftakt einer ausgeprägten Baisse, dann haben viele Investoren mit ihrem antizyklischen Handeln vieles richtig gemacht. 

Die untere Grafik zeigt jedenfalls, dass der Einstieg in den europäischen Aktienmarkt im Januar 2016 eine bessere Entscheidung war als ein Kauf, sagen wir, im Mai 2014 oder April 2015. Während derzeit knapp 40% der europäischen Unternehmen unter ihrem von uns kalkulierten fairen Wert notieren, war in den Hochphasen 2014 bis 2015 nur 10% des Marktes unterbewertet. Das Universum hier ist der Morningstar DM Europe Index, der nur Unternehmen aus den entwickelten Ländern Europas umfasst. 

Grafik: Die perfekte negative Korrelation: Bewertungen vs. Aktienkurse 2011 bis 2016

Market vs valuation 

Wir wollten nachsehen, wie weitreichend die Unterbewertung per Ende Januar war und haben die Bewertungen nicht nur nach Anzahl der günstigen Unternehmen abgeklopft, sondern nach Marktkapitalisierung. Wie günstig waren europäische Unternehmen gemäß ihres Börsenwerts? Dafür haben wir das Morningstar Sterne-Rating für Aktien verwendet. Im Gegensatz zum Kurs/Fair Value Verhältnis, das wir mittels einer Discounted-Cashflow-Analyse ermitteln, ist das Morningstar Sterne Rating risikoadjustiert. Wir kalkulieren eine Sicherheitsmarge, die vom fairen Wert eines Unternehmens abgezogen wird. Eine Aktie mit einem Fünf-Sterne-Rating weist den höchsten Abschlag zum fairen Wert auf und ist somit am attraktivsten bewertet. Hier ist unsere Prognose für die risikoadjustierte Rendite positiv. Eine Ein-Sterne-Aktie weist indes einen hohen Aufschlag gegenüber dem fairen Wert des Unternehmens auf und ist somit überbewertet. Bei solchen Unternehmen gehen wir von einer künftig ungünstigen risikoadjustierte Aktienrendite aus.

Kommen wir nun zu unserer Bewertungs-Übersicht. Die unteren Grafiken zeigen, dass der europäische Markt nicht nur nach Zahl der Unternehmen, sondern auch nach Marktkapitalisierung inzwischen deutlich attraktiver bewertet ist als über weite Strecken der vergangenen drei Jahre. Knapp 40% des Marktes weist ein Vier- oder Fünf-Sterne Rating auf. Spiegelbildlich zeigt die Grafik weiter unten, dass nur noch zehn bis 15% des Marktes überbewertet ist. Maßstab hierfür war auch das Sterne-Rating. Als überbewertet gelten Unternehmen mit einem Ein- oder Zwei-Sterne Ratings. (lesen Sie mehr zur Methodologie unserer Aktienanalyse hier

Grafik: Anteil der unterbewerteten Unternehmen in Europa

 Europe undervalued

Grafik: Anteil der überbewerteten Unternehmen in Europa

Europe Market overvalued

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Fernando Luque und Ali Masarwah  Fernando Luque ist Chefredakteur Morningstar Spanien, Ali Masarwah ist Chefredakteur von Morningstar Deutschland, Österreich und Schweiz