China 2025 – 10 Thesen zur Wirtschaftsentwicklung

China war in den vergangenen Jahren unbestritten der Wachstumsmotor der globalen Wirtschaft. Das Land steht nun vor wesentlichen Veränderungen, die andererseits neue Chancen eröffnen. In zehn Thesen werfen wir einen Blick auf die nächsten zehn Jahre der China-Story.

Daniel Rohr, CFA 22.03.2016
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Das Zugpferd der globalen Wirtschaft gerät ins straucheln. Gerade 2015 hat China infolge des sinkenden Wirtschaftswachstums die Märkte aufhorchen lassen und die Aktienmärkte durch eine eher schlecht als recht kommunizierte Währungspolitik weltweit auf eine Achterbahnfahrt geschickt – ganz zu schweigen vom turbulenten Auf und Ab an der Börse im eigenen Land.

Als zweitgrößte Volkswirtschaft ist China noch immer ein entscheidender Träger der Weltwirtschaft. Insofern sollten wir durchaus einen Blick auf das Reich der Mitte werfen und versuchen, Antworten darauf zu finden, was uns in den kommenden zehn Jahren aud dem Fernen Osten blühen könnte. Auch wenn es eine mit Unsicherheit gepflasterte Übung ist, finden wir, dass vor allem zwei wesentliche Tendenzen die Entwicklung des Landes in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen dürften.

Zum einen steht China am Wendepunkt. In den vergangenen Jahren wurden massiv Produktionskapazitäten aufgebaut bei einem zugleich steigenden Schuldenberg. Diese Entwicklung kann nicht aufrecht gehalten werden, so dass sich zukünftig das chinesische Wirtschaftswachstum aus einem steigenden Konsum ergeben muss.

Der zweite Einschnitt ist dem demografischen Wandel zu verdanken: Die arbeitende Bevölkerung wird bis 2030 um 43 Millionen Menschen schrumpfen. China wird dann mehr Menschen im Rentenalter haben als die EU, Japan und die vereinigten Staaten zusammen. Diese beiden Kern-Tendenzen bilden das Fundament unseres langfristigen Ausblicks für China, den wir in zehn Thesen zusammenfassen.

#1: Das BIP-Wachstum

Das Wirtschaftswachstum wird sich auf weniger als die Hälfte dessen reduzieren, was das Land in den vergangenen zehn Jahren erreicht hatte. Das lässt sich an den Entwicklungen anderer Länder ablesen, die ebenso den Übergang von einer investitions-, hin zu einer konsumgetriebenen Wirtschaft vollzogen haben. Es hat sich auch gezeigt, dass, je nach Stärke des Aufschwungs, ein äquivalenter Abschwung des Wirtschaftswachstums folgte. Entsprechend erwarten wir ein verlangsamtes Wachstum zwischen 1,5% und 4,5%.

#2: Enttäuschende Reformen

Das obere Ende der Wachstumsspanne halten wir nur dann für realistisch, wenn es mit umfangreichen Reformen gelingt, den Konsum anzukurbeln und die Produktivität der Staatskonzerne zu verbessern. Das macht uns skeptisch. Der Grund liegt im inhärenten Konflikt zwischen wichtigen Reformen und den politischen Zielen der Regierung: Kontrolle und Stabilität. So dürften staatseigene Konzerne weiterhin in den Genuss günstiger Kredite kommen und von Insolvenzen verschont bleiben. Unternehmen, die produktiver sind und höhere Refinanzierungskosten, geriert das zum Nachteil. Als Konsequenz dürfte der Kapitalfluss von sparenden Haushalten zu staatseigenen Konzernen bestehen bleiben, was letztlich auf das Konsumwachstum drückt.

#3: Ineffiziente Wirtschaftsstimulation

Die geldpolitischen Maßnahmen der chinesischen Führung seit November 2014 haben nicht länger eine stimulierende Wirkung gezeigt wie in den Jahren zuvor. Investoren sind aufgrund der eingetrübten Wirtschaftsaussichten zurückhaltender geworden, was sich auch in der Kreditnachfrage der chinesischen Zentralbank widerspiegelt. Die Skepsis gegenüber effizienten Stimulationsmaßnahmen fußen auch auf der Überstimulation, mit deren Folgen wie Überkapazitäten, faulen Krediten und fallenden Preisen die Regierung nun zu kämpfen hat.

#4: Die Geburtenrate

Ungeachtet der Abschaffung der Ein-Kind-Politik erwarten wir, dass die Geburten bis 2025 um 25 Millionen gegenüber den vergangenen zehn Jahren zurückgehen werden. Die Anzahl potentieller junger Mütter wird bis 2025 um 50 Millionen zurückgehen, wovon alleine 41 Millionen auf Frauen im Alter von 20 bis 29 Jahren entfallen sollten. Bei Nachbarländern, die eine ähnliche Wirtschaftsentwicklung durchmachten, lag der Geburtenrückgang vor allem an wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren, was bei China ähnlich verlaufen könnte.

#5: Stadtbevölkerung

Das Bevölkerungswachstum in Städten wird sich um 50% reduzieren. In den letzten zehn Jahren siedelten sich infolge der Urbanisierungspolitik der Regierung rund 200 Millionen Menschen in Städten an. In der kommenden Dekade dürfte sich diese Zahl signifikant verringern auf gut 115 Millionen Menschen. 

#6: Abwertung des Yuan

Wir schätzen, dass der Yuan gegenüber dem US-Dollar um weitere 20% nachgeben wird. Massive Kapitalabflüsse zwang die chinesische Zentralbank, ihre Dollar-Reserven deutlich aufzubauen. Sollte es nicht gelingen, mit höheren Zinsen oder einer Aufwertung des Yuan entgegenzuwirken, dürfte die Kapitalflucht und damit die Talfahrt des Yuan weiter gehen. Unter Berücksichtigung der Kaufkraft und mit Blick auf den globalen Währungsmarkt sehen wir den fairen Wechselkurs hingegen bei 8 Chinesischen Yuan per US-Dollar.

#7: Dunkle Zeiten für Industriemetalle

China ist der größte Konsument von Industrie-Rohstoffen wie Kupfer, Stahl oder Kohle und hat das  weltweite Wachstum der Nachfrage nach diesen Rohstoffen in der Vergangenheit maßgeblich beeinflusst. Mit schwindenden Investitionen wird die Nachfrage sinken. Wir sehen daher auch die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen weniger stark wachsen als das globale BIP. Dementsprechend sollten auch die Rohstoffpreise auf ein ähnliches Niveau vor dem Investmentboom in China Anfang des Jahrtausends.

#8: Indien wird die Lücke nicht füllen

Was die Rohstoff-Nachfrage angeht, bezweifeln wir, dass Indien in die Fußstapfen Chinas treten wird, auch wenn es das einzige Land ist, das von der Bevölkerungsgröße her mithalten kann. Zwar liegt das BIP-Wachstum Indiens heute dort, wo China vor zehn Jahren war. Wir glauben aber nicht, dass Indien die gleiche Entwicklung zeigen wird, da andere politische Strukturen vorherrschen und zudem Neu Delhi nicht die gleichen Stellschrauben wie Beijing zur Verfügung stehen, um die Wirtschaft des Landes zu beeinflussen

#9: Gesundheitsausgaben

Die Gesundheitsausgaben sollten sich in China mehr als verdoppeln. Es gibt mehrere Gründe, warum wir der Ansicht sind, dass entsprechende Anschaffungen deutlich schneller wachsen dürften als das BIP. Mit steigenden Einkommen sollte der Anteil dessen, was für die Gesundheit ausgegeben wird, ebenfalls zunehmen. Ein Trend, der nicht nur weltweit, sondern auch in China zu beobachten ist. Ferner wird bis 2025 die Bevölkerung derer, die 65 Jahre und älter sind, um 50% zunehmen, bis 2030 sogar um 130%. China wird sich also zu einem „alten“ Land nach mittlerem Einkommensstandards entwickeln, allerdings mit proportional höheren Ausgaben als „jüngere“ Länder.

#10: Größte Wirtschaftsnation China?

Auch wenn es weitläufig vorhergesagt wird, zweifeln wir daran, dass China die USA in den kommenden zehn Jahren als größte Volkswirtschaft überholen wird. Selbst wenn die Wechselkurse stabil bleiben, die USA ein jährliches Wachstum von 2,2% haben werden (das ist die Annahme des IMF) und Chinas BIP-Wachstum mit 4,5% am oberen Ende liegt, so bleibt die US-Wirtschaft bis 2025 immer noch 30% größer als die chinesische.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Daniel Rohr, CFA  Daniel Rohr, CFA, is a senior securities analyst at Morningstar.