Bond-Markt in Aufruhr: Rendite-Quelle oder Risiko-Herd?

In wohl kaum einer Asset-Klasse finden sich heute derart viele Paradoxien wie bei Anleihen. Anleger suchen sie händeringend - und müssen dennoch befürchten, dass ihr Investment den Charme einer Tretmine entfalten könnte. Wir widmen uns in einer Themenwoche den diversen Aspekten von Renten-Investments.

Ali Masarwah 21.11.2016
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Wer sich die ganze Paradoxie des heutigen Rentenmarkts vor Augen führen will, dem sei ein Blick auf das Verhalten europäischer Investoren empfohlen. Anleihefonds sind unter allen Asset-Klassen am stärksten nachgefragt. Laut Morningstar Absatzdaten gingen Bonds-Fonds aller Couleur (einschließlich den passiv verwalteten) im Oktober 12,1 Milliarden Euro zu. Mischfonds und alternative Fonds sammelten dagegen nur netto 5,5 bzw. 2,16 Milliarden Euro ein. Aktienfonds mussten indes Abflüsse von 1,83 Milliarden Euro hinnehmen. Im laufenden Jahr gingen Bond-Fonds sogar 114,68 Milliarden Euro europaweit zu, alternative Fonds kamen auf Platz zwei mit 34,9 Milliarden und Mischfonds folgten mit 26,47 Milliarden Euro; Aktienfonds verloren demgegenüber in den ersten zehn Monaten 75,12 Milliarden Euro netto. 

Diese Nachfrage ist angesichts des Niedrigzinsumfelds, das in weiten Teilen Europas, ja der Welt herrscht, erstaunlich. Was sich unter der Oberfläche für ein explosives Gemisch verbirgt, zeigt der genauere Blick auf die am stärksten nachgefragten Bond-Kategorien. Mit Ausnahme von Kurzläufer-Rentenfonds, die heute typischerweise die Funktion von Geldmarktfonds einnehmen, haben Anleger in diesem Jahr Rendite und nicht Sicherheit gesucht. Gekauft wurden bisher vor allem Spread-Produkte. Emerging Markets, Fonds für Unternehmensanleihen (inklusive globale Hochzinsfonds) und flexible Rentenfonds. Spiegelbildlich wurden in diesem Jahr vor allem EUR-Staatsanleihen massiv verkauft.

Der Heiße Spread-Trade hat bisher funktioniert

Dieser Trade, Bonds als Spread-Instrumente zu behandeln, hat (mit Ausnahme der ersten beiden Monate des Jahres) sehr gut funktioniert. Doch dieses Szenario droht zu kippen. Die Wahl Donald Trumps mit seiner eindeutig protektionistischen Agenda (so man seine Ideen als kohärentes Etwas bezeichnen kann) hat die Bond-Märkte durcheinandergewirbelt. Heute wird ein Inflations- und Zinsanstiegsszenario gespielt, das in seiner extremen Ausprägung nicht nur Emerging Markets Bonds und Langläufer, sondern auch Hochzinspapiere unter Druck brächte. Es gäbe bei einem abrupten Zinsanstieg, bildlich gesprochen, kaum noch ein rettendes Ufer für Rentenfondsanleger. 

Materialisieren sich die Pläne des neuen US-Präsidenten Trump und gingen die Bond-Märkte auf Tauchstation, dann würde es auf der Bond-Seite künftig vor allem um Schadensminimierung gehen. Kurzläufer wären eine Nische oder auch Geldmarkt- oder Inflationsschutz-Papiere (wobei letztere beiden nicht Verlusten gefeit wären). 

Es gibt natürlich ein alternatives Szenario. Auch unter einem Präsidenten Trump müssten die Renditen nicht zwangsläufig einen Durchmarsch nach oben starten

Doch es gibt natürlich auch ein alternatives Szenario. Die Nervosität seit der Wahl Donald Trumps dürfte die Märkte zwar noch eine ganze Weile begleiten, aber die Renditen müssten nicht zwangsläufig einen Durchmarsch nach oben starten. Schließlich sind zwei der großen drei Notenbanken weltweit, die EZB und die Bank of Japan, nach wie vor im „QE“-Modus, wenn auch nicht mehr so eindeutig wie noch zu Jahresanfang. Zudem besteht die vage Aussicht, dass auch bei einem Donald Trump nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird. Sein Programm könnte, so das Alternativszenario, in den Mühlen der Präsidentschaftsbürokratie und im Kongress zerrieben werden. Dann würden sich Rendite- und Zinsanstiege in Grenzen halten.

Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns eine Woche lang mit Bond-Investments. Unser Wochenplan für Sie in der Übersicht: 

 

Montag, 21.11.2016

Steigende Hitze an den Bond-Märkten

Anleihe ABC: Die Geschichte zweier Kennzahlen: "Laufzeit" und "Duration"

Dienstag, 22.11.2016

Szenarien für Zinserhöhungen in den USA

Was passiert, wenn die Fed die Zinszügel strafft?

Mittwoch, 23.11.2016

Risikomanagement bei Bonds: Die Grenzen der Duration

Wie Morningstar Rentenfonds analysiert

Donnerstag, 24.11.2016

Ist die gesetzliche Rente eine Anleihe?

Brauchen junge Anleger überhaupt Staatsanleihen?

Freitag, 25.11.2016

Goldene Vergangenheit, volatile Zukunft: Zehn Bond-Kategorien im Überblick

Staatsanleihefonds mit positiven Morningstar Analyst Ratings

Spread-Produkte in renditearmen Zeiten

Schwellenländer-Rentenfonds mit positiven Morningstar Ratings

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich