Das CO²-Risiko auf Fondsebene: Die Sauberen, die Dreckigen und die Großen

Wir haben nachgeschaut, welche CO²-Risiken in den europäischen Aktienfondskategorien schlummern und wie hoch der Anteil der Fonds ist, die niedrige CO²-Risiken aufweisen. Wir haben uns auf drei Gruppen konzentriert.

Ali Masarwah 16.05.2018
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Mit dem Morningstar Portfolio Carbon Risk Score haben wir eine neue ESG-Kennziffer Anfang dieses Monats eingeführt, mit der wir Anlegern die Möglichkeit geben, das CO²-Risiko auf Fondsebene zu bewerten. Das soll die Frage beantworten, wie die finanzielle Anfälligkeit der Unternehmen in einem Fonds mit Blick auf das CO²-Risiko einzuschätzen ist. Das CO²-Risiko wird gelegentlich auch als Übergangsrisiko bezeichnet, dem Unternehmen in einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft im Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft ausgesetzt sind. 

Auch hier arbeiten wir mit unserer Partner-Agentur Sustainalytics zusammen. Dabei gilt – wie auch bei unserem Sustainability Rating auch – das Motto: Sustainalytics analysiert die Unternehmensebene, und wir aggregieren die Ergebnisse hoch auf die Fondsebene, was deshalb möglich ist, da wir über vollständige Portfolio-Holdings verfügen. Der Morningstar Portfolio Carbon Risk Score ist das Asset-gewichtete Sustainalytics Carbon-Risk Rating von Unternehmen in einem Portfolio. Der Score reicht von dem Wert „null“, der ein vernachlässigungswertes Risiko widerspiegelt, über ein niedriges (0,1 bis 9,99), mittleres (10 bis 29,9) und hohes Risiko (30-49,9) bis hin zu einem extremen Risiko (50+). Mehr zur Methodologie des Scores finden Sie hier

Vor diesem Hintergrund haben wir analysiert, wie das Karbon-Risiko auf Ebene ganzer Fondskategorien einzuschätzen ist. Wir haben alle UCITS-Aktienfonds in Europa per Ende April 2018 einem Screening unterzogen. Wir haben drei Cluster von Fondskategorien gebildet: diejenigen mit besonders günstigen Carbon Risk Scores und diejenigen mit den besonders hohen. Zuletzt haben wir uns die Bilanz der wichtigsten fünf Aktienkategorien für kontinentaleuropäische Investoren angeschaut. Dabei haben wir jeweils den Median der Carbon Risk Scores für die Kategorien ermittelt. 

In einem zweiten Schritt haben wir die Fonds identifiziert, die ein unterdurchschnittliches CO²-Risiko und eine geringe Involvierung mit fossilen Energien aufweisen. Diese Fonds erhalten eine so genannte „Low Carbon Designation“, was wir mit einem grünen Blatt symbolisieren. Das soll Anlegern helfen, schnell und einfach kohlenstoffarme Fonds zu identifizieren. Kommen wir zunächst zu den Kategorien mit den niedrigsten Karbon-Risiken, die sie in der unteren Tabelle (aufsteigende Rangfolge) finden. 

Tabelle: Die Kategorien mit den niedrigsten Karbon-Risiken Low carbon cats

Die obere Tabelle zeigt, dass vor alle Fonds aus Energie-effizienten Sektoren die besten Werte bei den Karbon-Risiken aufweisen. Der Median-Biotechnologiefonds weist ein vernachlässigungswertes Risiko auf. Nicht viel anders sieht es bei Healthcare-Fonds, Technologiefonds und Konsumgüterfonds aus. Die nachfolgenden Kategorien, Europa Growth, Schweizer Aktien, USA Growth und Aktien global Growth, weisen typischerweise Aktien aus den zuvor genannten Branchen auf – man denke nur an Roche, Novartis und Nestlé aus der Schweiz sowie die Technologie- und Bio-Tech-Firmen, die sich gehäuft in USA-Portfolios tummeln (die wiederum auch in der USA-lastigen Kategorie Aktien global Growth vertreten sind). 

Wenig erstaunlich ist angesichts des niedrigen Karbon-Risikos die Tatsache, dass bei Biotechnologiefonds alle zehn Produkte, für die wir aktuelle Werte haben, eine Low Carbon Designation haben. Bei Gesundheitsfonds haben 61 von 69 Produkten günstiges Karbon-Risiko-Profil. Bei Tech-Fonds haben 70 von 74 Fonds eine Low Carbon Designation. Da die Sektoreigenschaften im Mittelpunkt stehen, verwundert nicht, dass auch Fonds ohne ESG-Mandat günstige Karbon-Eigenschaften aufweisen. Anleger müssen also nicht zwangsläufig in ESG-Fonds investieren, um die Karbon-Risiken zu minimieren. Sie sollten sich also eher die Frage stellen, in welche Branche sie investieren wollen. 

Tabelle: Die Kategorien mit den höchsten Karbon-Risiken High carbon cats

Spiegelbildlich zum günstigen Abschneiden von Fonds aus Energie-effizienten Branchen, sieht es mit den Karbonrisiken bei den Kategorien nicht gut aus, die Fonds aus Energie-intensiven Branchen vereinen. Vor allem stammen sind hier Energie-Fonds zu nennen, die im Median auf einen Score von 40 kommen, was hohe Risiken signalisiert. Das gilt auch für Russlandfonds sowie Fonds der Kategorie Schwellenländer Europa, in denen Russland-Aktien den Löwenanteil der Portfolios ausmachen. Rohstofffonds liegen knapp mit einem Score von 29 im mittleren Risikobereich. Aus der Tabelle lässt sich ableiten, dass Schwellenländerfonds bestenfalls mittlere Karbon-Risiken aufweisen. (Die mittelmäßige Bilanz der Kategorie Aktien Österreich resultiert vor allem aus der hohen Gewichtung von Energie-, Rohstoff- und  Industrieaktien - Stichworte OMV und voestalpine.)

Wer nun bei den hohen bzw. mittleren Risiken einen Durchschnittseffekt ausgemacht haben will, dem sei gesagt, dass keiner der bewerteten Fonds aus diesen zehn Kategorien ein niedriges Karbon-Risiko aufweist; kein Fonds hat ein Low Carbon Designation. 

Tabelle: Die Karbon-Risiken der großen Kategorien Large cat carbon

Kommen wir zum Abschluss zur Bilanz der fünf größten Aktienfondskategorien für kontinentaleuropäische Anleger. Wie die obere Tabelle zeigt, weisen alle fünf großen Kategorien im Median ein mittelhohes Karbon-Risiko auf. Dabei schrammen die Kategorien USA Standardwerte, Aktien weltweit Standardwerte und Aktien Europa Standardwerte nur sehr knapp an der Schwelle zum niedrigen Karbon-Risiko vorbei – sie liegen nur sehr knapp über dem Score von 9,99. Auch die Fonds der Kategorie Aktien Eurozone sind im Median nicht weit von dieser Schwelle entfernt. Etwas anders sieht es bei Aktienfonds für Schwellenländer aus: Hier ist der Median-Wert mit einem Score von 15 deutlich höher. In der kommenden Woche zeigen wir die Bilanz der Fondskategorien mit Blick auf die Involvierung mit fossilen Energien. 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich