Kosten für ETF-Anleger

Kostenquoten sind nur eine von vielen Kosten bei einem ETF-Investment.

Ben Johnson 05.09.2011
Facebook Twitter LinkedIn

Im Vergleich zu traditionell aktiv gemanagten Fonds und Index-Trackern sind die relativ geringen Kosten von börsengehandelten Indexfonds (ETFs) wahrscheinlich die attraktivste Eigenschaft dieser Anlageklasse. Im Hinblick auf die Kosteneinsparungen von ETFs achten die meisten Anleger lediglich auf die Gesamtkostenquote (TER), wenn sie ein Vehikel mit dem anderen vergleichen. Diese Kosten sind im Verkaufsprospekten und anderen Dokumenten angegeben. Die TER repräsentiert jedoch nur eine von vielen Kostenquellen eines ETF-Investments. Kauf- und Verkaufskosten, mögliche versteckte Kosten oder Gewinne haben alle letzten Endes einen Einfluss auf den Ertrag, den Anleger durch ein ETF-Investment erhalten. Wir werden im Folgenden die einzelnen Kosten, die mit dem Handeln und dem Halten von ETFs zusammenhängen erläutern, um ein Gesamtbild der Kosten für ein ETF-Investment zu geben.

Gesamtkostenquote (TER)
 
Die Gesamtkostenquote ist der auffälligste zuzuordnende Kostenblock bei einem ETF-Investment. Die TER repräsentiert den Teil der Kosten, der jährlich vom Anbieter für die Indexnachbildung entnommen wird. Dies kann alle möglichen Kosten beinhalten, von den Handelskosten bis zum Marketingbudget und von Depotbankgebühren bis hin zu Lizenzkosten für den Index. Die durchschnittliche Gesamtkostenquote aller europäischen ETFs liegt bei 0,38%. Dies sieht im Vergleich zu der durchschnittlichen Gesamtkostenquote für traditionell aktiv gemanagte Fonds und Index-Trackers durchaus vorteilhaft aus. Mehr zu Thema Gesamtkostenquote find Sie in unserem Artikel: „Geringe Kosten sind das beste Investment“.

Handelskosten 
Wir hatten dieses Thema erstmals in unserem Artikel “Tricks of the Trade” diskutiert. Diese Kosten beinhalten Maklergebühren, Bid-Offer Spreads und den Market Impact. Der Auf- bzw. Abschlag zum Nettoinventarwert ist ebenfalls ein entscheidender Faktor (mehr zu diesem Thema finden sie hier).

Tracking-Unterschied
Der Tracking-Unterschied sind implizite Kosten eines Investments in ETFs. ETFs hinken, ceteris paribus, ihrer Benchmark in Höhe des TER definitionsgemäß hinterher. Angenommen ein Investor investiert in einen ETF, der den EURO STOXX 50 Index abbildet. Der Fonds verlangt, rein hypothetisch, 0,25% an Gebühren. In einem Jahr steigt der EURO STOXX 50 Index um 10%. Die Rendite für den Investor--nach Kosten--würde sich auf 9,75% belaufen (10% Bruttorendite der Benchmark abzüglich der 0,25% Gebühren). In diesem hypothetischen Beispiel entspricht die Abweichung vom Zielindex genau der TER.

Tracking-Unterschied = ETF Rendite – Benchmark Rendite

Die Kostenquote ist eine vorhersehbare und leicht quantifizierbare Ursache für den Performanceunterschied zwischen ETFs und ihren Basisindizes. Es ist wichtig zu verstehen, dass ETF-Anbieter einen Teil der Effekte, den Gebühren auf die Nettorendite von ETFs haben, mit sogenannten „enhancements“ ausgleichen können. Dies geschieht normalerweise durch Wertpapierleihe, die ein Extraeinkommen generiert. In einigen Fällen kann dieses Extraeinkommen die Kosten des Fonds mehr als kompensiert. Dadurch kann der ETF sogar eine etwas bessere Performance als seine Benchmark zeigen.

Tracking-Unterschied vs. Tracking Error (Abweichung vom Zielindex)
Der Investor sollte zwischen dem Tracking-Unterschied und dem Tracking Error differenzieren. Der Tracking-Unterschied ist lediglich die Differenz zwischen der Performance des ETFs und dessen Benchmark über einen bestimmten Zeitraum.
Der Tracking Error misst die Performancevolatilität des ETFs relativ zu seiner Benchmark. Für die Berechnung des Tracking Errors wird die Standardabweichung der Überrendite des ETFs zum Index verwendet. Dies basiert auf Tages- oder Wochenbasis.

Das Sampling-Verfahren bei Fonds mit physischer Replikation kann Tracking-Probleme verursachen 
Die publizierten Aufwendungen und das Einkommen aus der Wertpapierleihe sind nicht die einzigen Verursacher für Tracking-Unterschiede bei ETFs. Die Methode der Indexabbildung eines ETFs kann auch ein entscheidender Grund für eine Abweichung vom Zielindex sein. Ein ETF mit physischer Replikation, der z.B. einen Index mit kleineren und weniger liquiden Komponenten abbildet (z.B. der MSCI Emerging Markets Index oder Anleihenindizes, die oft aus mehr als 1000 Anleihen bestehen), kann für die Indexabbildung das sogenannte Sampling-Verfahren verwenden. Hierbei wird lediglich ein Korb mit den größten und liquidesten Indexkomponenten ausgesucht, um die Gesamtliquidität des ETFs zu verbessern (dies macht es für Market Maker einfacher ETF-Anteile zu kreieren und abzusichern). Darüber hinaus werden dadurch die Kosten minimiert. Das Sampling-Verfahren hat einige offensichtliche Vorteile. Da diese Methode von einer perfekten Replikation abweicht, indem einige kleinere und weniger liquide Indexbestandteile nicht berücksichtigt werden, ergeben sich dadurch potentielle Ursachen für eine Abweichung vom Zielindex.
Ein gutes Beispiel für potentielle Probleme, die beim Sampling-Verfahren auftreten können, ist der in den USA gelistete iShares MSCI Emerging Markets Index ETF. Der ETF wendet das optimierte Sampling-Verfahren an, um den Index abzubilden, daher besitzt dieser ETF nicht alle Indexbestandteile. Der ETF investiert in einen Großteil der Wertpapiere (ca. 625 von 770 Aktien) und erstellt anschließend auf quantitativer Basis den repräsentativsten Anteil der kleinsten und illiquidesten Aktien. Der ETF hatte vor 2010 lediglich in ca. die Hälfte der Indexbestandteile investiert (in die liquideren Aktien), um das Handeln zu erleichtern. Das und die relativ hohe Kostenquote sorgten dafür, dass die NIW-Rendite des ETFs 2009 um fast 10%-Punkte niedriger ausfiel als die Rendite der Benchmark. 2010 lieferte der ETF nur etwa 2%-Punkte weniger Rendite als seine Benchmark, da der ETF nun in mehr Indexbestandteile investiert.
Im Gegensatz dazu bildet der in den USA gelistete Emerging Markets Stock ETF von Vanguard auch den MSCI Emerging Markets Index ab und macht dabei von der vollständigen Replikation gebrauch. Der Fonds wies 2009 eine NIW-Rendite von knapp über 76% in US-Dollar aus und liegt damit sehr nahe an der Rendite der Benchmark (78,51%).

Index-Turnover
 
Die Kosten des Index-Turnover spiegeln ein weiteres Problem der Indexabbildung wider. Obwohl das Investieren in einen Index eine passive Strategie ist, kann der Austausch von Index-Komponenten einen Turnover hervorrufen. Strategien, wie z.B. fundamentale Indexierung oder eine Gleichgewichtung, oder Indizes welche nur ein Segment des Marktes, wie z.B. Value, Wachstum, und Dividenden berücksichtigen, haben eine noch höhere Umschlagshäufigkeit. Selbst unter den Marktkapitalisierungsindizes können Firmenpleiten und Fusionen dazu führen, dass der Index neu gewichtet werden muss. Die Kosten, um einen ETF mit physischer Replikation mit dem neuen Index wieder in Einklang zu bringen, spiegeln sich letztendlich in einer größeren Abweichung zur Rendite des Zielindex wider.

Dividenden
Der Zeitpunkt und die steuerliche Behandlung von Dividendenzahlungen sind zwei weitere potentielle Ursachen für Probleme bei der Indexabbildung für ETFs. Die Zeit zwischen dem Ex-Dividenden Tag eines ausschüttenden ETFs mit physischer Replikation und der Zahlung der eigentlichen Dividende (meist mehrere Wochen) kann die ETF-Performance belasten. Während dieser Zeit liegt der auszuschüttende Betrag in einem vom Fonds getrennten Konto, das Guthabenzinsen zahlt. Als Folge ist der Anleger während dieser Zeit in Höhe der ausstehenden Dividenden nicht in den Index investiert. Dadurch erhöht sich die Gefahr von der Index-Rendite abzuweichen. Der Zeitpunkt der Dividendenauszahlung hat keinen Einfluss auf akkumulierende und Swap-basierte ETFs, da diese ETFs jederzeit zu 100% in den Index investiert bleiben--unabhängig von ihrer Struktur.
Die steuerliche Behandlung der Dividenden ist ein weiterer wichtiger Faktor. Sobald ETFs Dividenden/Kupons von Wertpapieren erhalten, die sich außerhalb ihres Domizils mit unterschiedlichen Steuersystemen befinden, können die Quellensteuern zu einer zusätzlichen Abweichung zur Zielindex-Rendite führen. Diese Quellensteuer kann nicht immer komplett zurückerstattet werden. Für den Fall, dass diese rückerstattet werden, ist dies jedoch oft mit Zeit und Kosten verbunden. ETFs mit synthetischer Replikation unterliegen einer günstigeren steuerlichen Behandlung für Dividenden. Deshalb haben diese ETFs das Problem mit der Quellensteuer besser handhaben können als physische replizierende ETFs.

Kosten für Rohstoffe 
Viele Exchange-Traded Commodities (ETCs) und Exchange-Traded Notes (ETNs) verlangen zusätzlich zur Kostenquote eine Reihe anderer Gebühren. Dazu gehören Depot und Lagergebühren (nur Edelmetall-Fonds mit physischer Hinterlegung), Kosten für die Hinterlegung der Sicherheiten und Indexlizenzgebühren. Die Kosten für die Hinterlegung von Sicherheiten spiegeln die Kosten wider, die das Hinterlegen von Sicherheiten verursachen, um das Kontrahentenrisiko für synthetische ETCs und ETNs zu reduzieren. Untersuchungen der Deutschen Bank zeigen, dass diese Kosten durchschnittlich bei 0,40% für ETCs und bei 0,23% für ETNs liegen. Lizenzkosten erklären sich von selbst. Sie repräsentieren die Gebühren an den Indexanbieter für die Nutzung des geistigen Eigentums (der Benchmark) für die Konstruktion des ETFs. Die Deutsche Bank schätzt, dass die Indexgebühren die ETC-Anbieter durchschnittlich 0,38% pro Jahr kosten. Diese Gebühren sind selten Bestandteil der Gesamtkostenquote und erscheinen eventuell noch nicht einmal explizit im Verkaufsprospekt. Investoren sollten sich bei diesen Produkten daher über die versteckten Kosten bewusst sein.

Die Gesamtkosten für ETF-Anleger ins Verhältnis gerückt
Obwohl die tatsächlichen Kosten  für ein ETF-Investment weit über den der Gesamtkostenquote (TER) liegen können, sind ETFs naturgemäß immer noch eine günstige Anlage im Verhältnis zum breiteren Anlagespektrum.
Dies trifft ins besondere zu, wenn man einige der größten und liquidesten ETFs betrachtet, die sich speziell als Baustein für eine Kerninvestment-Strategie eignen. Diese ETFs sind auf einer All-in-Fee Basis wahrscheinlich die günstigste Variante. Nehmen wir z.B. den db x-trackers EURO STOXX 50 (Thesaurierend). Dieser synthetische Fonds berechnet ein TER von 0% und ist einer der liquidesten ETFs an den Börsen, an denen er gehandelt wird. Im Jahr 2010 schlug der ETF seine Benchmark um 0.85%. Obwohl es wichtig ist, die tatsächlichen Kosten für ein ETF-Investment im Kopf zu behalten (explizite und implizite), ist es ebenso wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass die größten und liquidesten ETFs – die meistens die niedrigsten Gesamtkostenquoten haben – immer noch sehr günstige Angebote auf All-in-Fee Ebene sind.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ben Johnson  Ben Johnson is Morningstar’s Director of European ETF Research.