Herr Strauss, wenn in den vergangenen Jahren die Rede von Emerging Markets war, dann drehte sich alles um Themen wie Wirtschaftswachstum und – daraus abgeleitet – erwartet hohe Kapitalmarktrenditen. Heute hat sich dieses positive Bild in sein Gegenteil verkehrt. Heute spricht man über das eingetrübte Wachstum, schwache Renditen und Liquiditätskrisen. Wo stehen wir?
Viele Investoren waren in der Vergangenheit viel zu optimistisch mit Blick auf Emerging Markets. Die Schwellenländer-Story war leider zu oft marketing-getrieben. Das geht im Grunde auf das BRIC-Konzept (BRIC steht für Brasilien, Russland, Indien und China) zurück. Die BRIC-Hype war eine vollkommen falsche Weichenstellung. Man hat vier Länder, die nichts miteinander gemein haben, zu einer Wachstumsstory gebündelt. Doch was waren die tatsächlichen Bedingungen vor Ort? Nehmen wir das Beispiel Brasilien, ein Mitglied im BRIC-Klub. Das Land hat vom langjährigen Rohstoff-Boom profitiert. Zusätzlich wurde das Wirtschaftswachstum durch die Verschuldung befeuert. Das war wie Doping, das Wachstum war zum großen Teil künstlich erzeugt. Das konnte man zwar schon länger sehen, aber wenn die Performance schlecht ist, nehmen Anleger die Probleme viel stärker wahr, als wenn die Kurse nach oben gehen.
Ist das alles nur eine Wahrnehmungsfrage? Brasilien hat jüngst die Finanztransaktionssteuer abgeschafft. Die wurde eingeführt, um Hürden für zu hohe ausländische Investitionen aufzubauen. Heute ist davon keine Rede. Ausländische Anleger flüchten.Die brasilianische Notenbank nimmt bis Ende 2013 sogar 60 Milliarden Dollar in die Hand, um den Real zu stützen. Derartige Probleme haben viele Schwellenländer. Ist die Lage heute wirklich so viel komfortabler als in den 1990er Jahren?