Was steckt hinter der Verkaufswelle bei DAX-ETFs?

Bereits seit Jahren werden aktiv verwaltete Aktienfonds für deutsche Standardwerte verkauft. Nun erfasst die Welle auch Deutschland-ETFs. Allerdings nicht alle gleichermaßen. Es gab einen ganz großen Verlierer in diesem Jahr.

Ali Masarwah 22.11.2013
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Dass europäische Investoren schon seit Jahren ungeachtet des fortdauernden Höhenflugs des DAX aktiv verwaltete Deutschland-Fonds verkaufen, ist Legende. Bis Ende Oktober haben Anleger in diesem Jahr gut drei Milliarden Euro aus aktiv verwalteten Deutschland-Fonds abgezogen. Die Abflüsse dauern bereits seit gut zwei Jahren an. Deutlich besser haben sich bisher im Vertrieb DAX-ETFs geschlagen. Allerdings nur bis Ende September. Seitdem brachen die Dämme. Im Oktober hat sich eine regelrechte Flucht ereignet. Es wurden netto 2,6 Milliarden Euro aus DAX-ETFs abgezogen - mehr als die Hälfte der Abflüsse in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres. Dagegen reduzierten sich die Abflüsse aus aktiven Fonds auf unter 100 Millionen Euro im Oktober. 

Was war geschehen? Befürchteten ETF-Anleger eine Korrektur beim DAX, während die notorischen Späteinsteiger, die Investoren in aktive Fonds, jetzt anfangen, Chancen zu sehen? Wenn dem so wäre, dann hätten sich ETF-Investoren zu früh vom DAX verabschiedet: Der deutsche Leitindex eilt nach wie vor von Kursgipfel zu Kursgipfel.

Der db-x-trackers DAX ETF war der große Verlierer

Ein näherer Blick auf die genauen Umstände liefert Erstaunliches zutage. Nicht alle DAX-ETFs haben im Oktober verloren. Im Gegenteil: Der iShares DAX, der per Ende Oktober ein Vermögen von 15,6 Milliarden Euro aufwies, konnte sogar leichte Zuflüsse von 72 Millionen Euro verbuchen. Der deutlich kleinere Deka DAX ETF sammelte netto sogar knapp 100 Millionen im Oktober ein.

Es gab also einige kleine Gewinner, aber einen großen Verlierer: die Deutsche Bank. Der db x-trackers DAX ETF musste im Oktober 2,76 Milliarden Euro an Nettoabflüssen verkraften. Er verlor damit in einem Monat knapp 50 Prozent seines Fondsvermögens und hatte per Ende Oktober nur noch ein Vermögen von 3,5 Milliarden Euro. 

Wir haben auf der Homepage der Deutschen Bank die jüngsten Zahlen abgelesen. Sie offenbaren, dass sich der Erdrutsch im November ungebremst fortgesetzt hat. Per 20. November war das Fondsvermögen des zweitgrößten DAX-ETFs in Europa auf nur noch 2,18 Milliarden Euro zusammengeschmolzen. Das entspricht Mittelabflüssen von 5,7 Milliarden Euro im laufenden Jahr.

Schrumpfungskur auf nur noch 2,18 Milliarden Euro

Was war passiert? An der Performance hat es nicht gelegen. Auch war kein substanzieller Switch in andere Produkte zu verzeichnen. Auch wenn fast alle voll replizierenden DAX-ETFs Mittelzuflüsse verbuchen konnten - dazu gehörte auch der physisch replizierende db-x-tracker DAX-ETF - überwogen die Abflüsse aus dieser Kategorie per Saldo derart klar, dass man nicht von einer Umschichtung von einer in die andere Replikationsmethode sprechen kann.

Steuerinduzierte Abflüsse zu einem bestimmten Stichdatum sind ebenfalls ausgeschlossen, da der Swap-ETF der Deutschen Bank keine Dividenden ausschüttet und so die typischen Mittelbewegungen vor und nach einem Ertragsausschüttungstermin nicht als Grund für die Anlegerflucht in Frage kommen. Eher Ratlos macht auch das Statement von Simon Klein, Leiter Vertrieb ETF und ETC in Europa und Asien der Deutschen Asset und Wealth Management. „Der Grund für die Abflüsse aus unserem DAX ETF in den vergangenen Wochen waren Anlageentscheidungen einzelner Investoren.“ Wer genau hinter den Abflüssen steckt, lässt Klein nicht durchblicken, spricht allerdings von „Gewinnmitnahmen“, die "der Marktentwicklung mit neuen Hochs im DAX geschuldet“ seien.

Dieser Erklärungsversuch hinterlässt einen schalen Beigeschmack, da kein anderer DAX-ETF auch nur annähernd ähnliche Verluste an Anlegergeldern verkraften musste. Der Lyxor ETF DAX, der in diesem Jahr auch überwiegend verkauft wurde, musste in den ersten zehn Monaten nur 160 Millionen Euro an Abflüssen hinnehmen, im Oktober fielen unterdurchschnittliche Rückgaben von nur 17 Millionen Euro an. Hatten die Anleger im db x-trackers DAX ETF also  ein glücklicheres Händchen beim Timing, so dass sie bereits jetzt verkaufen können, während die weniger schlauen Anleger in anderen DAX-ETFs noch durchhalten müssen, bis sie die Reißleine ziehen können und einer möglichen Aktienkorrektur zuvorkommen? 

Wir wissen es nicht. Fest steht allerdings, dass offenbar einige wenige Großanleger den großen Kehraus bei der Deutschen Bank veranstaltet haben. In den vergangenen zehn Wochen sind wiederholt an einzelnen Tagen mittlere bis hohe dreistellige Millionen-Euro-Summen aus dem Deutsche-Bank-ETF geflossen. Der dramatische Schrumpfungsprozess hatte für die verbleibenden Anleger freilich keine Konsequenzen. Der Handel war zu keiner Zeit beeinträchtigt. „Das zeigt, wie hochliquide ETFs sind. Sie können auch hohe Schwankungen im verwalteten Volumen problemlos verkraften“, tröstet sich Vertriebschef Simon Klein. Er kann sich allerdings auch glücklich schätzen, dass sich die Abflüsse im „richtigen“ Marktsegment ereignet haben. Abflüsse aus Emerging Markets ETFs dürften andere Folgen gehabt haben als der Swing raus aus deutschen Standardwerten. 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich