Coronavirus-Debatte: Und wenn sich Cost Averaging doch lohnte?

Im vergangenen Jahr haben wir eine Langfrist-Analyse produziert, in der wir nachgewiesen haben, dass Einmalanlagen langfristig erfolgreicher waren als ein scheibchenweiser Einstieg in den Aktienmarkt. Erfordert die Corona-Korrektur eine veränderte Lageeinschätzung?

Ali Masarwah 10.03.2020
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Anlässlich der laufenden Korrektur im Zuge der Verbreitung des Corona-Virus haben uns kritische Fragen zu unserer klaren Positionierung pro Einmalanlage und gegen das Cost Averaging erreicht. Wir hatten im vergangenen Jahr anhand einer Langzeituntersuchung zum US-Aktienmarkt geschlussfolgert, dass Einmalanlagen in den meisten Zeiträumen eine überlegene Rendite produzieren als ratierliches Sparen

Die aktuelle Korrektur hat Kritiker auf den Plan gerufen. „Wer bei (nahen) Höchstständen und z.T. hohen fundamentalen Bewertungen solche Artikel publiziert, sollte kritisch reflektieren, welche Auswirkungen diese Artikel hatten“, so ein Leser. Ratgeber und Analysehäuser wie Morningstar hätten viele Leser und würden geschätzt, daher sei anzunehmen, dass eine signifikante Zahl den Ratschlägen gefolgt sei und nahe der Höchstkurse von Mitte Februar. 

Uff! Das saß 

Halten wir zunächst fest, dass die Kurse in den vergangenen Monaten tatsächlich stark gestiegen sind. Auch die derzeitige Korrektur war signifikant. Der deutsche Leitindex DAX verlor gegenüber seinem Höchststand bei rund 13.800 Punkten in nur wenigen Wochen rund 25 Prozent. Haben wir durch unsere Analyse, welche die Vorteile von Einmalanlagen hervorhob, Anleger zu sorglosem Handeln animiert? 

Das erscheint mir nicht plausibel. Wie wahrscheinlich ist es, dass notorische Aktienmuffel nach der Lektüre eines Fachartikels auf einer Informations-Plattform für Finanzprofis und informierte Privatanleger ihre Scheu beiseiteschieben und spontan den DAX bei 13.800 Punkten kaufen und dabei alles investieren, was sie auf dem Sparkonto haben? 

Und auch wenn die aktuelle Korrektur krasse Ausmaße hat, müssen wir klarzustellen, dass unsere Empfehlung für Einmalanlagen nicht einer spontanen Laune geschuldet war. Ratierliches Sparen als Strategie war in der Vergangenheit keine gute Lösung, und es spricht nicht viel dafür, dass sich das ab heute ändern wird. 

Unsere oben erwähnte Untersuchung zum US-Aktienmarkt für die Zeit zwischen 1926 und 2019 zeigt, dass Einmalanlagen in gut 72 Prozent der Fälle besser abschnitten als ratierliches Sparen, also Sparpläne, die über verschiedene Perioden Bestand hatten. Die Analyse umfasst verschiedene Sparplan-Perioden zwischen zwei und 120 Monaten.

Je länger die Sparplan-Dauer war, desto erfolgloser war das Cost-Averaging mit Sparplänen. Besonders schlecht war die Performance von Sparplänen gegenüber einer Einmalanlage bei einer Dauer von zehn Jahren. 

Warum war das so? Nun, weil die Aktienkurse zwischen 1926 und 2019 per Saldo nach oben strebten. Wer mit einer Einmalanlage dabei war, hatte die Möglichkeit, länger am Kursanstieg zu partizipieren (und zu profitieren), als diejenigen, die nur ein Stück des Weges in Aktien investierten. Die Märkte enteilten dem Raten-Sparer schlichtweg. 

Wird das immer so sein? Das wissen wir natürlich nicht. Keiner kann vorhersehen, was die Märkte morgen machen werden, und es ist durchaus möglich, dass die Kurse nach dem jüngsten Minus von 25 Prozent noch einmal um so viel fallen werden. 

Der Kasus Knacktus: Ist der Kapitalismus tot? 

Deshalb empfiehlt es sich zunächst, wie immer, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen. Wer einen dicken Batzen Geld hat und mit Aktien liebäugelt, muss eine grundlegende Prämisse vertreten. Er muss der Meinung sein, dass unser kapitalistisches Wirtschaftsmodell weiter Bestand haben wird. Dann ist er per Definition optimistisch für Aktien, auch wenn es die typischen Boom- und Bust-Zyklen an den Märkten geben wird.

Dieser Anleger sollte sich ein Herz fassen und investieren. Aber natürlich ist Investieren keine Ideologie. Wer sich wohler fühlt, den Einstieg in mehrere Tranchen aufzuteilen, der sollte das in jedem Fall tun. Aber er sollte auf jeden Fall investieren, wenn alle seine persönlichen Parameter unverändert sind, die auch vor dem 20. Februar galten, etwa die Dauer des Investments, die Risikotragfähigkeit, die Rendite-Risiko-Prämissen.     

Wer indes der Meinung ist, dass der Kapitalismus dem Untergang geweiht ist oder wir vor einer Phase stehen, in der die Wirtschaft für lange Zeit schrumpfen wird, der sollte natürlich nicht in Aktien investieren. Rezessionen sind Gift für Unternehmen, und dann sind solche Investoren natürlich mit Cash oder Anleihen auf der sicheren Seite. Dann stellt sich natürlich die Frage: Ratierliches Sparen oder Einmalinvestments nicht.

Weil Aktien-Investments ein Spiel mit vielen Unbekannten sind, erwarten Anleger eine Prämie, die sie für die eingegangenen Risiken kompensiert. Die sprudelte in den vergangenen Jahrzehnten reichlich. Die Vergangenheitserfahrung zeigt, dass ab einer Anlagedauer von etwa 14 Jahren Aktien-Risiken keinen Verlust produzierten, sofern man in breit diversifizierten Portfolios unterwegs war. 

Fein raus ist heute eine Gruppe an Investoren: Die, die ratierlich investieren müssen, weil sie keinen dicken Batzen Geld auf dem Konto haben. Diese Anleger sind fein raus: Sie unterliegen nicht der Versuchung, aus Angst vor weiter fallenden Märkten an der Seitenlinie stehen zu bleiben, sondern sie kaufen sich mit kleinen Raten in den fallenden Markt ein, auch wenn die Chancen langfristig vermutlich schlechter stehen, als einmalig zu investieren. 

Bei einem hinreichend langen Investment-Horizont sollten Investoren, die einen dicken Batzen Geld investieren wollen und davon überzeugt sind, dass die kapitalistische Wachstums-Prämisse unverändert gilt, sollten zugreifen. Und weil Timing für die meisten Anleger eine tückische Sache ist, laufen diejenigen, die zu lange zögern, die Gefahr, langfristig suboptimale Renditen zu erzielen oder zumindest Opportunitätskosten zu tragen.  

Moats und Bewertungen können helfen 

Natürlich gibt es Nebenbedingungen für ein Investment in Aktien. So sind günstige Bewertungen eine Indikation für künftige höhere Renditen. Auch gute Geschäftsmodelle könnten Performance-Vorteile gegenüber Pleitekandidaten bringen. Denn Aktie ist bekanntlich nicht gleich Aktie. Wer sich mit solchen Details beschäftigen möchte, ist bei unserem Bewertungs-orientierten Aktien-Analyse-Ansatz an der richtigen Adresse. Unser Research hat das Ziel, qualitativ hochwertige Unternehmen (Stichwort: Wide Moat Ratings) zu identifizieren, die günstig bewertet sind (Stichwort: Morningstar Sterne Rating für Aktien). 

Aber das sind Nebenbedingungen. Wichtig bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass das Coronavirus uns zwar alle gehörig durchgeschüttelt haben mag. Doch der Schreck in den Knochen sollte uns nicht dazu verleiten, langjährige Investment-Erfolgsrezepte über Bord zu werfen. Da der Kapitalismus nicht untergehen wird, lohnt es sich, langfristig zu investieren, auch in Zeiten des Coronavirus.   

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich