So viele Fonds – und doch so wenig Auswahl: Anlagestil in Europa

Es gibt zehntausende Investmentfonds in Europa. Jedoch ist die Chance, mit neuen Produkten eine echten Mehrwert zu schaffen meist schlecht genutzt worden – zum Schaden der Anleger.

Niklas Tell, 12.11.2004
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Ein Grundprinzip der Geldanlage ist die Diversifikation. Die Beschränkung auf nur ein Anlagesegment ist für den Anleger riskant, da sich kein einzelnes Segment in allen Marktphasen gut entwickeln wird. Daher empfehlen verantwortungsvolle Berater und andere, dass Anleger ihre Investments streuen und ein ausgewogenes Portfolio konstruieren sollten.

Morningstar verfügt über die Daten von rund 25.000 Anteilsklassen in Europa. Das sollte mehr als ausreichend sein, um Anlegern Zugang zu einer breiten Auswahl an Fonds für ein breit diversifiziertes Portfolio zu bieten. Jedoch hat bereits im vergangenen Jahr eine Morningstar-Studie ergeben, dass einzelne Bereiche des Markts übersättigt sind, während andere völlig unterrepräsentiert bleiben, dies gilt auch für Neuemissionen.

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Die Bedeutung des Anlagestils

Der Anlagestil ist in den USA seit langen Jahren ein Schlüsselkriterium, wenn es um die Beurteilung von Aktienfonds geht. In dieser Zeit haben die dortigen Fondsmanager sich die Expertise für die verschiedenen Anlagestile angeeignet. Die Rendite, ob gut oder schlecht, erklärt sich nicht selten zu großen Teilen aus den Anlagestilcharakteristika der im Fonds enthaltenen Aktien. Wie stark die Renditen zwischen verschiedenen Anlagestilen variieren wird deutlich, wenn man die von Morningstar für den US-Markt entwickelten Stilindizes betrachtet. Diese basieren auf der gleichen Methodik wie die in Europa mittlerweile wohlbekannte Morningstar Style Box.

Wenn man zum Beispiel die Wertentwicklung des amerikanischen Aktienmarkts durch die Stillupe untersucht, so ist die Antwort auf die Frage „War das Jahr 2000 ein gutes oder schlechtes Jahr für Aktien?“ gar nicht mehr so eindeutig wie viele annehmen. Die unterstehende Grafik zeigt die Performance der verschiedenen Stilsegmente im US-Aktienmarkt des Jahres 2000. Im gleichen Zeitraum war die Wertentwicklung der wichtigsten Indizes durchweg negativ: Der Dow Jones IA verlor 5,4%, der S&P 500 gab 9,1% ab, und der Nasdaq Composite war gar um 39,3% schwächer.Das Platzen der Blase im März 2000 traf jedoch primär das Wachstumssegment des Marktes. Andere Bereiche konnten mitunter hervorragende Resultate erzielen.



Weder Fisch noch Fleisch

Selbst wenn wir übereinstimmen, dass der Anlagestil wichtig ist, und wir den Anlagestil eines Fonds mithilfe der Morningstar Style Box auf einfache Weise bestimmen können, so fehlt doch noch ein wesentliches Teil des Puzzles. Den Anlegern in Europa steht kein adäquates Angebot an stildefinierten Fonds zur Verfügung.

Ein kurzer Blick auf die Stilverteilung einiger Schlüsselkategorien im Standardwertebereich ist sehr aufschlussreich. Die unterstehende Grafik zeigt den Anteil von Value-, Growth- und stilneutralen Fonds (auf Grundlage der Style Box des jüngsten verfügbaren Portfolios) in jeder von sechs Standardwerte-Kategorien. Es ist offensichtlich, dass die Anleger wenige Möglichkeiten haben, wenn sie nach Value- oder Growthfonds suchen. Die überwiegende Mehrzahl der Fonds ist stilneutral.



Nun sind natürlich stilbewusste Fonds, um sie einmal so zu nennen, nicht per se jenen Fonds vorzuziehen, die entweder stilneutral sind oder zwischen den Anlagestilen hin- und herpendeln. Mit Sicherheit aber ist der Anlagestil ein wesentlicher Diversifikationsfaktor auf der Depotebene, und es ist wichtig zu wissen, wie die Verteilung von Substanz- und Wachstumswerten innerhalb eines Portfolios ist. Viele Fondsmanager in Europa argumentieren, dass ein pragmatischer, opportunistischer Ansatz im Bezug auf Anlagestil die beste Option ist. Die Wahl des richtigen Zeitpunkts für einen Wechsel zwischen Anlagestilen ist jedoch mindestens ebenso so schwierig, wie das für Branchen oder Regionen der Fall ist.

Die Bedürfnisse der Anleger erfüllen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Investmentfonds ein hervorragendes Anlagevehikel sein können, aber dass die Anleger es oft nicht optimal nutzen oder nutzen können angesichts des mangelhaften Angebots.

Ein Beispiel wäre die Konstruktion eines Portfolios, bewusst oder unbewusst, mit einer starken Growth-Tendenz Ende 1999. Selbst wenn die einzelnen Fonds im Portfolio hervorragende Wachstumsfonds waren, so wäre das Ergebnis ein absolutes Desaster nach dem Platzen der Technologieaktienblase von 2000. Die Tatsache, dass neue Fonds in Europa meist stilneutral sind vergrößert die Schwierigkeit, ein Fondsdepot gemäß den individuellen Anforderungen des jeweiligen Anlegers zusammen zu stellen. Ein Anleger mit einem growthlastigen Portfolio tut sich schwer echte Valuefonds als Ausgleich zu finden.

Nun könnte man natürlich anführen, dass Anleger diese Produkte nicht nachgefragt haben und sie deshalb auch nicht lanciert wurden. Das ist die Geschichte vom Huhn und dem Ei – keine Nachfrage, kein Angebot. Um aber dauerhaft erfolgreich zu sein, sollten die Fondsgesellschaften ihre Anstrengungen zur Anlegerweiterbildung erheblich verstärken und den Fondssparern die Grundlagen und Einsatzmöglichkeiten verschiedener Anlagestile vermitteln, anstatt Stil nur als einen Marketinggag zu begreifen.

Letztendlich sollten die Fondsanbieter versuchen das Vertrauen der Anleger wieder zu erlangen, indem sie Fonds mit durchdachten und nachvollziehbaren Anlagestrategien, einer anständigen Gebührenstruktur und transparenter Kommunikation offerieren. Die Anleger brauchen nicht noch mehr vom Gewohnten, sondern Fonds, welche die Lücken in ihren Portfolios schließen können.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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