"Wir glauben immer weniger, dass Small Caps auch 2005 outperformen werden."

Philip Dicken, neben Dave Dudding Fondsmanager des Threadneedle European Smaller Companies Growth Fund, sprach mit Morningstar über seine Vorgehensweise und die Aussichten für europäische Nebenwerte.

Natalia Siklic, 11.02.2005
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Bitte beschreiben Sie Ihre Vorgehensweise. Wie gehen Sie bei der Titelauswahl vor und welche Rolle spielen Top-Down-Überlegungen?

Die Anlagestrategie des Fonds, der von Dave Dudding hauptverantwortlich und von mir mitverwaltet wird, ist maßgeblich durch einen Bottom-up-Selektionsprozess geprägt. Dieser Prozess hat einen starken Fokus auf die fundamentale Aktienanalyse und beinhaltet mehr als 500 Unternehmensbesuche pro Jahr. Top-Down-Überlegungen, d.h. volkswirtschaftliche und sektorale Einflussfaktoren, werden in den Research-Prozess integriert, aber wir ziehen eine stilneutrale Positionierung vor. Wir zielen statt dessen darauf ab, solche Unternehmen ausfindig zu machen, die Wachstum zu einem angemessenen Preis (Growth at a Reasonable Price - G

ARP) bieten. Wir wägen dabei ab, ob das Unternehmen und seine Branche wachsen und ob es seine Marktstellung verteidigen kann. Wir prüfen außerdem, ob die Firma eher wie ein Übernahmekandidat oder ein „Übernehmender“ in der eigenen Branche erscheint, bevor wir die Bewertung und das Wachstumspotential der Aktie miteinander vergleichen. Dadurch können wir in Aktien investieren, die vielleicht nicht besonders billig wirken, aber dennoch unsere Wachstumskriterien erfüllen.

Was hatte den größten Einfluss auf die Performance des vergangenen Jahres?

Im vergangenen Jahr haben die niedrig kapitalisierten Werte an den europäischen Märkten erneut eine Outperformance vorgelegt, was dem Fonds natürlich zu Gute kam. Insgesamt gesehen gab es keine extremen Marktgeschehnisse, so dass wir uns voll und ganz auf die Ertragssteigerung im Portfolio konzentrieren konnten. Dabei haben wir im zweiten Halbjahr weniger Transaktionen durchgeführt, um die Gesamtzahl unserer der Titel im Fonds zu reduzieren und uns auf die besten Ideen im Portfolio zu konzentrieren.

Unser Ansatz profitiert auch von einer strengen Verkaufsdisziplin. Für uns bedeutet das: Wir trennen uns tendenziell nicht von einer Aktie, bevor wir nicht wirklich von den Alternativen überzeugt sind. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr in Werte investiert, die langfristige Qualität versprechen. Da wir eher nicht an der Jagd nach kurzfristigen Renditen interessiert sind, haben wir sicherlich eine ganze Reihe von Marktturbulenzen umgehen können.

Was sind Ihre aktuellen Favoriten?

Titel wir Audika und Amplifon, Elringklinger oder Nokian Tyres verdeutlichen die unterschiedlichen Aspekte unseres Stock-Picking-Ansatzes. Die beiden ersten sind Anbieter für Hörgeräte speziell im französischen und italienischen Markt. Da nur etwa 15% der französischen Bürger, die ein Hörgerät benötigen, derzeit auch eines besitzen, erwarten wir hier ein starkes organisches Wachstum. Ähnliche Erwartungen haben wir auch für das italienische Pendant, wenngleich das Unternehmen aggressivere Ambitionen für Akquisitionen hat.

Das deutsche Unternehmen ElringKlinger ist wegen seiner Produktion von Präzisions-Autokomponenten interessant. Vom Top-Down-Ansatz her würden wir auf Grund des Preisdrucks in diesem Sektor eher nicht investieren. Allerdings haben uns die konsistente Qualität des Management-Ansatzes und der Grad der Preismacht überzeugt, die ElringKlinger zu bieten hat – trotz der Schwierigkeiten, die andere Unternehmen in diesem Sektor zu bewältigen haben.

Bei Nokian Tyres fällt mir sofort die starke Investment-Story gespickt mit Unterhaltungswert ein. Das Unternehmen wurde vor einigen Jahren erfolgreich aus Nokia augegliedert. Jetzt ist es in der beneidenswerten Lage, Winterreifen direkt an die Konsumenten zu verkaufen – und dies in einer Zeit, in der der russische Bedarf weiter floriert. Als Dave den Chief Executive des Unternehmens, Kim Gran, vergangenes Jahr traf, musste Gran dringend zu einem Mittagessenstermin mit Vladimir Putin. Dave scherzte hinterher, er hoffe, Gran würde dem russischen Präsidenten erzählen, dass er von Dave Dudding von Threadneedle aufgehalten worden sei!

Investieren Sie auch in Osteuropa?

Der Fonds hat deutlich vom Nachfragezuwachs in den osteuropäischen Märkten profitiert, aber nicht immer durch direkte Investments. Nokian Tyres ist ein Beispiel dafür, genauso wie der österreichische Ziegelhersteller Wienerberger, der enorm von der Nachfrage nach Rohmaterialien profitiert hat.

Wie beurteilen Sie die Aussichten von Nebenwerten, auch im Vergleich zu den hochkapitalisierten Blue Chips?

Philip Dicken: Aus Top-Down-Überlegungen sind wir immer weniger davon überzeugt, dass das Small-Cap-Universum auch in 2005 outperformen wird. Ein wichtigster Bestandteil unserer Hausmeinung für dieses Jahr ist, dass die Annäherung der Bewertungen, die wir über sämtliche Märkte und Sektoren gesehen haben, in 2005 enden dürfte. Dies könnte in breitem Maße den höher kapitalisierten Werten zu Gute kommen. Dennoch gehen wir - solange es keine besonderen Markttrends gibt - davon aus, dass sich die Einzeltitelwahl (stock picking) stärker auf die Fondsentwicklung auswirken wird als breite volkswirtschaftliche oder Branchenthemen, zumal das europäische Anlageuniversum über 1000 kleinere Unternehmen bietet, aus denen wir langfristig erfolgreiche Wachstumswerte herausfiltern können.

Wie hat sich das Fondsvermögen verändert? Ist der Fonds bereits zu groß für Nebenwerte? Wie gehen Sie mit Liquiditätsrisiken um?

Der Fonds ist von rund 290 Mio. GBP im Januar 2004 auf nunmehr rund 415 Mio. GBP angewachsen. Es sind bisher keine Probleme in Hinblick auf die Liquidität aufgetreten. Natürlich muss jede Anlage in einen Nebenwert auch unter Liquiditätsgesichtspunkten betrachtet werden, denn viele dieser Werte weisen ein geringes Handelsvolumen auf und implizieren damit das Risiko, dass man nicht zum gewünschten Zeitpunkt aussteigen kann. Deshalb beziehen wir die Liquidität sowie einen größeren Wachstumsspielraum mit in unsere Investmententscheidung ein. Das bedeutet: Die Small Caps, in die wir investieren, müssen deutlich bessere Wachstumsaussichten erwarten lassen, als wir es für höher kapitalisierte Unternehmen fordern.

Vielen Dank für das Gespräch.



Dieses Interview erschien ursprünglich im Magazin Going Public

(Februar 2005).

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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