Ibbotson: US Aktien normal bewertet - Kaldemorgen: Short USA / Long Coca Cola

Vier Fondsmanager, ein Professor und ein Volkswirt blicken auf Inflation, Aktien und Staatsschulden.

Simon Nöth 20.11.2009
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Die diesjährige Morningstar Investmentkonferenz stand ganz im Zeichen der Folgen der Finanzkrise. In den Vorträgen zur Lage der globalen Wirtschaft thematisierten die Referenten sowohl die kurzfristigen Aussichten als auch mögliche Langzeitfolgen. Dass sich die Realwirtschaft nach dem Schock erholt hat und kurzfristig wachsen kann, darüber waren sich alle einig. Strittiger wurde es, als es um den mittel- bis langfristigen Ausblick ging. Klaus Kaldemorgen von der DWS rechnet mit inflationären Tendenzen, wohingegen der Chefvolkswirt Dr. Dirk Schumacher von Goldman Sachs Deutschland gegenwärtig von dieser Front keine Gefahr sieht. Die Zentralbanken verfügen seiner Meinung nach über die notwendigen Instrumente und haben zudem auf den Lehman-Schock angemessen reagiert, so dass ihnen auch zukünf

tig das Vertrauen gehören sollte. Als Herausforderung sehen Schumacher und der Yale Professor Roger Ibbotson die nach wie vor schwachen Banken und weltweit angestiegene Staatsverschuldung, die das Wachstum in den kommenden Jahren bremsen sollte. Mit Blick auf die Märkte wies Professor Ibbotson darauf hin, dass die Aktienmärkte mit einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16, das die Verluste ausklammert, historisch durchschnittlich gepreist sind. Der Fondsmanager des DWS Vermögensbilung I und DWS Akkumula Klaus Kaldemorgen kommentierte die aktuelle Verschuldungsdebatte mit der Aussage, dass er Schuldverschreibungen von Coca Cola gegenüber US Staatsanleihen bevorzugt.

Drei Deutschland-Spezialisten geben Einblick in ihre Fonds

Manfred Piontke von FPM, Tim Albrecht von der DWS und Dr. Christoph Bruns von der Loys AG waren sich während der Diskussionsrunde Let’s talk about stocks einig, dass nicht nur von Seiten der öffentlichen Hand die richtigen Maßnahmen ergriffen wurden, sondern auch die Unternehmen ihrerseits mit der Kostenreduzierung richtig reagierten. Die steigenden Kurse seit März fassten sie unter einer Cost-Cutting- und Liquiditäts-Rallye zusammen und sehen die Aktien auf dem gegenwärtigen Niveau mindestens als fair bewertet. Spätestens hier aber divergierten die Meinungen. Während Piontke und Bruns auch mittelfristig wegen der anhaltenden Liquiditätsschwemme und vor allem auf Einzeltitelebene positiv bleiben, erwartet Albrecht ganz im Sinne der Top-Down Einschätzung seines Hauses ein eher verhaltenes Szenario. Piontke und Bruns, die beide eine strikt fundamentale Anlagephilosophie verfolgen, ziehen ihren Optimismus beispielsweise aus der Tatsache, dass die gut geführten Unternehmen in der Abwärtsphase ihre Kosten in den Griff bekommen haben. Aus diesem Grund würde auch ein mäßiger Umsatzanstieg die Margen verbessern und die aktuelle Bewertung günstig erscheinen lassen. Auch sieht Piontke beispielsweise in der Aareal Bank einen Wert, der wegen seiner Branchenzugehörigkeit zu Unrecht erheblich unter seinem Buchwert notiert, obwohl auch während der Krise in jedem Quartal ein Gewinn zu Buche stand. Nach seinem Dafürhalten also ein klassisches Value-Engagement. Tim Albrecht von der DWS sieht hingegen eher die Gewitterwolken am Himmel. Mittelfristig rechnet er weder mit einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung noch mit steigenden Umsätzen über alle Branchen hinweg. Für sein Portfolio bedeutet dies, dass Albrecht Zykliker und Konsumwerte eher untergewichtet und Cashflow-Lieferanten wie Versorgern oder den defensiven Versicherern den Vorzug schenkt. Damit befindet sich Albrecht auf einer Linie mit Klaus Kaldemorgen, der ebenfalls Zykliker und Konsumtitel meidet und auf defensive und dividendenstarke Aktien sowie Schwellenländer- und Goldminenaktien setzt.

Diese unterschiedlichen Einschätzungen müssen nicht zwangsläufig in divergierenden Renditen enden. Vielmehr sind sie der Ausdruck der Investmentphilosophie. Piontke und Bruns sind beide Stock-Picker. Das Portfolio ist das Resultat ihrer Aktienanalyse und kann auf Branchenebene erheblich von Vergleichsfonds abweichen. Das Flaggschiff von FPM ist ein All Cap Mandat und schifft auf der Marktkapitalisierungsleiter rauf und runter. Der von Bruns gemanagte Multiadvisor Loys Global befindet sich mit Mittel- und Nebenwertebereich und bedient sich zur Hälfte am globalen Aktienuniversum. Beide fahren ein konzentriertes Portfolio und haben die Freiheit, sich in ihrem Universum zu bewegen, wie sie wollen. Der DWS Deutschland hingegen ist ein auf deutsche Standardwerte spezialisierter Fonds, der zwar bis zur Hälfte in Nebenwerte abtauchen darf, aber doch immer mit einem Auge auf die Benchmark schielen muss. Fondsmanager Albrecht kennt seine Aktien ebenfalls von der fundamentalen Seite her recht gut, muss aber per Auftrag auch am deutschen Aktienmarkt dominante Aktien wie Siemens im Fonds halten. Bei der Entscheidung über das Gewicht der Siemens Aktie kommt dann das weltwirtschaftliche Bild der DWS, der Top-Down-View zum Tragen. Dem Fonds hat das bisher nicht geschadet.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Simon Nöth  ist Fondsanalyst bei Mornigstar