Willkommen zum vierten Teil unserer Serie über klassische Verhaltensmuster bei Anlegern! In den vorangegangenen Beiträgen haben wir zahlreiche Themen angesprochen und sind dabei auf einige Grundsätze der immer populäreren Verhaltensökonomie gestoßen. Im ersten Teil unserer Serie ging es darum, welche Rolle Denkfehler im Alltag eines Investors spielen. Im zweiten Teil haben wir die Neue Erwartungstheorie, auch „Prospect Theory“ genannt, auf den Prüfstand gestellt und untersucht, welche Rolle das „gefühlte Risiko“ spielt, wenn wir Entscheidungen treffen. Vergangene Woche haben wir dann das Phänomen der Verlustangst behandelt - die Erkenntnis, dass ein Verlust uns stärker zu schaffen macht als ein Gewinn uns Freude bereitet. All diese Verhaltensweisen machen es schwer, eine rationale und fundierte Anlageentscheidung zu treffen. Auch heute werden wir eine weitere Verhaltensweise thematisieren, die Anlegern das Leben schwer machen kann, ganz gleich, ob man sich für eine aktive oder eine passive Handelsstrategie entscheidet: den so genannten Besitztumseffekt (Englisch: Endowment Effect).
Das als „Endowment Effect“ bekannte Phänomen, das den Grundsätzen der klassischen Wirtschaftstheorie widerspricht, wurde 1980 von Richard Thaler aufgezeigt. Der Wissenschaftler beschrieb dieses Phänomen als das Verhalten, dass „Menschen oft viel mehr dafür verlangen, dass sie ein Objekt hergeben, als sie selbst gezahlt hätten, um es zu bekommen“. Seit 1980 wurde dieser Effekt in unzähligen Versuchen – sowohl unter Labor- als auch unter realen Bedingungen – nachgewiesen, häufig mit Hilfe eines Kaffeebechers. Stellen Sie sich vor, ich hätte einige Kaffeebecher und würde Ihnen einen davon zum Kauf anbieten. Den Preis dürften Sie bestimmen. Sagen wir, Sie bieten mir zwei Euro, und ich schlage ein. Nehmen wir nun an, ich würde den Becher sofort wieder zurückkaufen wollen, zu dem zuvor vereinbarten Preis von zwei Euro. Würden Sie ihn hergeben? Die meisten Menschen nicht. Sie verlangen einen höheren Preis, zwischen drei und fünf Euro.
Warum ist das so? Thaler zog die Schlussfolgerung, dass man einem Gegenstand, den man besitzt, als wertvoller empfindet als zu der Zeit, als man ihn noch nicht hatte. Diese Denkweise widerspricht der klassischen Wirtschaftstheorie, der zufolge in einem solchen Fall eine völlige Übereinstimmung der Bereitschaft zu erwarten wäre.