Das Griechenland-Drama ist noch lange nicht vorbei

Einige Investoren könnten versuchen, für sich günstigere Konditionen herauszuschlagen.

Ali Masarwah 29.02.2012
Facebook Twitter LinkedIn

Alle Signale vom Anleihenmarkt deuten auf Entspannung. In der vergangenen Woche sind die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen gegenüber Staatspapieren weiter gesunken, wenn auch wesentlich langsamer als zuvor. In den USA gingen die Renditeaufschläge beim Morningstar Corporate Bond Index um einige Punkte auf 196 Basispunkte zurück. Wir hatten allzu optimistische Anleger in Spread-Produkten bereits gewarnt: Ein großer Teil der Hausse dürfte nun vorbei sein (lesen Sie hier mehr).

In den kommenden Wochen muss sich zunächst zeigen, ob Griechenland es schafft, einer vorweggenommenen Insolvenz zu entgehen. Sollte Griechenland vor dem 20. März - wenn die nächste Anleihe fällig wird - seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, könnten sich die Spreads um bis zu 50 Basispunkte verengen. Eine Hausse bei Unternehmensanleihen und anderen Spread-Papieren (zu denen bekanntlich heute auch die Anleihen der südeuropäischen Staaten zählen) würde sich unter diesen Bedingungen fortsetzen.

Es gibt allerdings noch ein zweites Szenario, das wir zwar nicht für das wahrscheinlichere halten, das Investoren allerdings im Hinterkopf behalten sollten: Scheitert die Umschuldung Griechenlands, könnten die Verwerfungen am Markt dazu führen, dass sich die Renditeaufschläge deutlich erhöhen. Dann wäre durchaus denkbar, dass wir wieder die Spread-Niveaus vom vergangenen Oktober sehen. Kommt es zu einem ungeordneten Staatsbankrott Griechenlands, dürften wieder Ängste vor einem Kreditereignis aufkommen und auch die Frage nach der Stabilität Portugals und anderer Euro-Südstaaten eine neue Qualität gewinnen. 

Umtauschgebot für private Anleihebesitzer rückt in den Vordergrund 

Nachdem zuletzt die Verhandlungen der Politiker für Schlagzeilen gesorgt haben, dürfte sich nun die Aufmerksamkeit darauf richten, ob sich Griechenland mit den privaten Gläubigern auf den Schuldenschnitt einigen kann. Da wir abhängig vom Ausgang der Umtauschaktion einen Sprung der Spreads bei Unternehmensanleihen um bis zu 50 Basispunkte erwarten - nach oben oder unten -, dürften die Investoren die Nachrichten zu dem Thema mit Spannung verfolgen. Die Europäische Union hat zwar die Bedingungen für die Auszahlung des nächsten Hilfspakets festgelegt, ob das Geld fließen wird, ist trotzdem nicht sicher. Griechenland muss noch seine Staatsausgaben reduzieren, seinen Arbeitsmarkt regulieren und Steuergesetze einführen. De facto muss das Land noch zahlreiche Reformen durchführen, die bereits bei früheren Rettungsmaßnahmen vereinbart worden waren. Auch wenn Griechenland diese Reformen nun erfolgreich umsetzt, werden einige Gläubiger versuchen, den Anleihetausch zum Scheitern zu bringen, in der Hoffnung, bessere Konditionen auszuhandeln.

Wir rechnen damit, dass einige Anleihebesitzer nicht dem freiwilligen Umtausch ihrer Papiere zustimmen werden. Einige werden Klage einreichen. Vermutlich muss Griechenland dann so genannte Collective Action Clauses (CAC) einfügen, um diese Anleihehalter dazu zu zwingen, die neuen Bonds zu akzeptieren. Es steht für Athen viel auf dem Spiel. Ist das Gläubiger-Quorum nicht ausreichend, könnte das Verhältnis von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt nicht auf ein langfristig tragbares Verhältnis gesenkt werden. Damit wäre die Rettungsaktion der Eurogruppe hinfällig. Auch etliche Fonds, die noch Griechenland-Bonds halten, dürften nicht mit dabei sein. Etliche Manager machen geltend, dass sie von Investoren nicht mandatiert sind, einem verlustbringenden Schuldenschnitt zuzustimmen.

Rating-Agenturen senken die Daumen 

Eigentlich ist das Umtauschgebot so strukturiert, dass bei Kreditausfallversicherungen, den Credit Default Swaps (CDS), kein Kreditereignis ausgelöst wird. Doch bei Anwendung eben dieser Kollektivklauseln dürften die CDS fällig werden. Diese Entwicklung haben die Rating-Agenturen übrigens bereits vorweggenommen. Ihr Votum ist eindeutig. Standard & Poor's (S&P) hat die Bonitäts-Einschätzung für Griechenland bereits von „CC“ auf „Selective Default“ herabgestuft. Hintergrund ist eben der von Griechenland-Premier Giorgos Papandreou angekündigte Schritt, die Gläubiger notfalls per Gesetz zum Forderungsverzicht zu zwingen.

Die deutsche Feri EuroRating Services hat die Bonität Griechenlands sogar gleich auf „Default“ herabgestuft. Das am vergangenen Freitag von der griechischen Regierung vorgelegte Angebot zum Tausch bestehender Anleihen bewertet Feri so: Die ursprünglich mit diesen Anleihen verbundenen Zahlungsverpflichtungen werden nicht eingehalten. Negativ wird auch bewertet, dass Griechenland bereits die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen hat, um unwillige Gläubiger im Notfall zum Forderungsverzicht zu zwingen.

Anleger könnten den Hebel auch bei den Stützungsaktionen der Europäische Zentralbank (EZB) für Griechenland ansetzen. Sollte die EZB auf dem Sekundärmarkt gekaufte Bonds gegen neue Titel austauschen, bei denen Kollektivklauseln keine Anwendung finden, wären diese Anleihen grundsätzlich nicht vom Schuldenschnitt betroffen. Damit stünden sie über den Titeln anderer Gläubiger. Dann müsste die EZB keine Verluste auf ihre Anleihen verbuchen. Das könnte jedoch langfristige Folgen auf den Handel und die Preise von Staatsanleihen niedrigerer Qualität haben. So könnte jegliches Gerichtsverfahren dazu führen, dass die EZB derartige Transaktionen vorübergehend stoppen müsste. Das würde auch den Schuldenschnitt Griechenlands verzögern. Üblicherweise gilt in einem Konkursverfahren, dass Besitzer von Anleihen gleicher Art gleich behandelt werden müssen. Auch wenn zuletzt schon viele alte Gewohnheiten über Bord geworfen wurden - dies ist eine neue Entwicklung, über die vielleicht Gerichte urteilen müssen. Was auch immer passiert - an den Märkten dürfte es in den nächsten Wochen unruhig zugehen!

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich