Was kostet die ETF-Welt?

Die Geld-Brief-Spanne oder die verborgene Kostendimension bei ETFs (Teil 2).

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Im ersten Teil dieser Artikelreihe haben wir das Thema Geld-Brief-Spanne aus Sicht des Investors betrachtet. Wir haben erklärt, was man unter dem Begriff "Geld-Brief-Spanne" oder auch "Spread" versteht, wie ein Spread entsteht und warum er von ETF zu ETF oder auch von Anlageklasse zu Anlageklasse unterschiedlich ausfallen kann.

Im zweiten Beitrag werden wir durch die Brille des Händlers blicken und analysieren, was eigentlich passiert, wenn eine Kauf- oder Verkaufsorder aufgegeben wird. Insbesondere wollen wir die Frage beantworten, welche Rolle autorisierte Marktteilnehmer (Authorised Participants – APs) spielen, was der Creation/Redemption-Prozess ist, der Arbitrage-Handel und wie sich all diese Aspekte auf Spreads auswirken.

Hinter den Kulissen: Der Primärmarkt

Auf dem Primärmarkt können autorisierte Marktteilnehmer neue ETF-Anteile erschaffen. Dafür müssen sie dem ETF-Anbieter entweder die in dem ETF abgebildeten Wertpapiere oder den entsprechenden Geldbetrag geben. Im Gegenzug erhalten sie ETF-Anteile. Autorisierte Marktteilnehmer können diese neuen ETF-Anteile selbst halten und eines Tages wieder - gegen Geld oder den Wertpapierkorb - bei dem ETF-Anbieter zurücktauschen. Oder aber sie verkaufen die neuen ETF-Anteile auf dem Sekundärmarkt weiter. Daneben gibt es noch Market Maker (MMs). Diese Wertpapierhändler, die auch als Liquiditätsanbieter bezeichnet werden, sollen den Handel auf dem Sekundärmarkt verbessern und für Liquidität sorgen. Zu diesem Zweck halten sie üblicherweise eine gewisse Anzahl von ETFs in ihrem Bestand.  Während alle autorisierten Marktteilnehmer auch als Market Maker tätig sein können, gilt das nicht umgekehrt: Nicht alle Market Maker sind berechtigt, in Zusammenarbeit mit dem ETF-Anbieter neue Anteile zu erschaffen oder sie ihm wieder zurückzugeben.

Wie die unten stehende Grafik zeigt, können autorisierte Marktteilnehmer auf drei verschiedene Arten für Liquidität auf dem Sekundärmarkt sorgen, bevor sie sich wieder an den ETF-Anbieter wenden, um mit diesem am Primärmarkt neue ETF-Anteile zu schaffen oder einzuziehen.

 

Option A: Der autorisierte Marktteilnehmer kann den ETF an der Börse kaufen.

Option B: Der autorisierte Marktteilnehmer kann die im ETF abgebildeten Wertpapiere kaufen und diesen Wertpapierkorb dann bei der Fondsgesellschaft für ETF-Anteile eintauschen.

Option C: Der autorisierte Marktteilnehmer kann einen korrelierenden Hedge auflegen um seine Short-Position in dem ETF zu decken.

Welche Option er wählt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bei Option A wird der autorisierte Marktteilnehmer den ETF vermutlich von einem anderen Liquiditätsanbieter kaufen und agiert damit nur als Mittelsmann. Früher oder später wird einer der an der Transaktion Beteiligten jedoch die in dem ETF abgebildeten Wertpapiere kaufen (zumindest trifft das auf die meisten physisch replizierten ETFs zu). Bei Option B ginge der autorisierte Marktteilnehmer den ETF short und den Wertpapierkorb long - er würde den Wertpapierkorb dem ET-Anbieter im Austausch gegen entsprechende ETF-Anteile geben. Option C wird meist bei synthetischen ETFs gewählt oder wenn der Markt, den der ETF abbildet, geschlossen ist. Wenn der Marktteilnehmer aber die zugrunde liegenden ETF-Titel in seinem Bestand hält und nicht den ETF selbst, fallen Kosten an. Deswegen wird der autorisierte Marktteilnehmer versuchen, seinen Wertpapierkorb so schnell wie möglich an die Fondsgesellschaft abzugeben oder seine Position wieder abzubauen. Manche Market Maker allerdings kaufen die Index-Bestandteile auch als Absicherung für synthetische ETFs, wenn das der beste und kostengünstigste Weg ist, um ihre Positionen zu hedgen.

Im Großen und Ganzen haben Market Maker dieselben Möglichkeiten wie die autorisierten Marktteilnehmer um am Sekundärmarkt Liquidität zu schaffen. Allerdings müssen sich die Market Maker am Ende eines Tages an einen autorisierten Marktteilnehmer wenden, um ihre Bücher glattzustellen und können nicht - wie dieser - direkt zu dem ETF-Anbieter gehen.

Der Creation/Redemption-Prozess

Kommen wir nun zu dem Punkt, wo alles seinen Anfang nimmt: Dem Creation/Redemption-Prozess. Bei Geschäften, die über die Börse oder auch außerbörslich getätigt werden, spricht man von Transaktionen auf dem Sekundärmarkt. Am Primärmarkt dagegen werden neue Wertpapiere in den Umlauf gebracht. Ein ETF wird erschaffen, indem ein autorisierter Marktteilnehmer die in dem Fonds abgebildeten Wertpapiere oder den entsprechenden Wert in bar an den ETF-Anbieter gibt. Im Gegenzug erhält er ETF-Anteile. Davor existierten diese ETF-Anteile nicht, der ETF-Anbieter erzeugt sie erst zu diesem Zeitpunkt. Durch das mit dem autorisierten Marktteilnehmer abgewickelte Geschäft steigt somit auch die Zahl der ausstehenden ETF-Anteile. Der Redemption-Prozess läuft entgegengesetzt: Der autorisierte Marktteilnehmer gibt der Fondsgesellschaft ETFs und erhält dafür den entsprechenden Wertpapierkorb oder Bargeld. Da der ETF-Anbieter keine ETFs in seinem Bestand hält, werden die zurückgegebenen Anteile „vernichtet“ und die Zahl der ausstehenden Anteile sinkt dementsprechend.

Ausgabe und Rücknahme von ETFs finden zum aktuellen Nettoinventarwert (NIW) des ETFs statt. Dieser wird ermittelt, indem die aktuellen Kurse für alle im Fonds enthaltenen Wertpapiere und die Barreserve addiert werden. Die Preise von Wertpapierkorb und ETF sollten somit gleich sein. Lässt man die Transaktionskosten außer Acht, sollte es keinen Unterschied machen, ob man den Wertpapierkorb oder den ETF besitzt.

Für den Creation/Redemption-Prozess wird eine Gebühr erhoben, die üblicherweise - vor allem in den USA - pauschal erhoben wird, egal, wie viele ETF-Anteile ausgegeben oder zurückgenommen werden. Bei großen Transaktionen hat das natürlich Skaleneffekte zur Folge. Der autorisierte Marktteilnehmer rechnet die Gebühr in den An- und Verkaufspreis des ETF ein. In Europa kommt es allerdings auch vor, dass die Creation/Redemption-Gebühr relativ zur Transaktionsgröße erhoben wird. Diese Gebühr wird dann in Prozentpunkten angegeben. Bei großen, außerbörslichen Transaktionen müssen die Investoren die Gebühr direkt übernehmen. ETFs mit einem höheren Umsatz haben üblicherweise einen engeren Spread, da die autorisierten Marktteilnehmer die Kosten für die Erschaffung der ETFs im Sekundärmarkt rasch wieder einnehmen.

Arbitrage-Geschäfte

Durch den Creation/Redemption-Prozess liegt der Kurs von ETFs sehr nahe am NIW. Entfernt sich der Kurs eines ETF - aus welchem Grund auch immer - von seinem NIW, sorgen Arbitrage-Händler dafür, dass die Differenz schnell wieder ausgeglichen wird. Die folgende Graphik zeigt, was passiert, wenn der Kurs des ETF über dem NIW (zuzüglich Transaktionskosten für den Kauf aller abgebildeten Wertpapiere) liegt. Denn in diesem Fall lohnt es sich für den Market Maker oder Arbitrageur, den Wertpapierkorb zu kaufen und ihn gegen neue Fondsanteile einzutauschen. Der Kurs des ETF rutscht dadurch wieder auf das Niveau des NIW.

Wenn Sie mehr zum Thema NIW sowie Auf- und Abschlag erfahren wollen, finden Sie in dem folgenden Artikel weitere Informationen “Terms of the Trade: NAV, Premiums, and Discounts.”

Hat man den Creation/Redemption-Prozess und den Handel mit ETFs erst einmal verstanden, fällt es nicht schwer, die Entstehung der Geld-Brief-Spanne im Sekundärmarkt nachzuvollziehen. Denn kann der autorisierte Marktteilnehmer den ETF von anderen Liquiditätsanbietern (Option A im vorangegangenen Schaubild) kaufen, kann er die Kosten für die Spreads abwälzen und wird vermutlich noch etwas als Aufwandsentschädigung für sich aufschlagen. Wenn der autorisierte Marktteilnehmer den Wertpapierkorb kauft (Option B), hängt der Spread des ETF davon ab, welche Geld-Brief-Kurse im Schnitt beim Kauf der Indexbestandteile anfallen.

In einigen Fällen liegt der ETF-Spread sogar unter den aggregierten Spreads des Wertpapierkorbs. Die Kosten für die Absicherung in Option C hängen von verschiedenen Faktoren ab. Je größer die Volatilität am Markt ist, desto teurer wird das Hedging. Bei illiquiden Märkten ist es ebenfalls schwieriger, sich abzusichern. Auch steigt das Risiko, dass falsche Entscheidungen getroffen werden, so dass die Kosten für die Absicherung höher liegen. Wenn der Markt, an dem die Bestandteile des ETF normalerweise gehandelt werden, geschlossen ist, basiert der ETF-Preis vermutlich auf den Futures-Kursen - vorausgesetzt, es gibt welche. Deswegen sind in einem solchen Fall die Spreads üblicherweise weiter.

Die Geld-Brief-Spanne für einen in London gehandelten ETF auf den amerikanischen NASDAQ 100-Index ist beispielsweise am Vormittag größer als am Nachmittag, wenn die Wall Street eröffnet. Dann nähern sich An- und Verkaufspreis oft wieder an. Besonders nach Veröffentlichung wichtiger Nachrichten, die auf den noch geschlossenen Markt eine große Wirkung haben könnten, macht sich diese Unsicherheit in den Spreads bemerkbar. Lassen Sie mich das an einem Beispiel veranschaulichen: Angenommen, Sie wollen einen in London gelisteten ETF auf den NASDAQ 100 Index kaufen. Rund 18% des ETF machen Apple-Aktien aus. Nach US-Börsenschluss hat Apple Geschäftszahlen veröffentlicht, die unter den Erwartungen des Marktes lagen. Dies dürfte den Aktienkurs und - durch die starke Gewichtung von Apple im NASDAQ 100 - auch den Index selbst beeinflussen.

Wie stark die Reaktion ausfällt, lässt sich aber nicht sagen, denn schließlich hängt das auch von der aktuellen Stimmung am Markt ab. Und diese kann von Börsenplatz zu Börsenplatz unterschiedlich sein. Wenn also die Wertpapiere, die der ETF abbildet, gerade nicht gehandelt werden, besteht ein erhöhtes Risiko, dass der autorisierte Marktteilnehmer sich verkalkuliert und damit höhere Hedgingkosten verbuchen muss. Auch das wird Einfluss auf die Spreads haben.

Zusammenfassung

Bei der Kalkulation der gesamten Kosten für den Besitz eines ETF müssen die Spreads einberechnet werden - vor allem kurzfristig orientierte Investoren sollten diesen Faktor nicht unterschätzen. Spreads sind ein sehr komplexes Thema. Vor allem die Liquidität der abgebildeten Wertpapiere sowie Orderbuchtiefe und Preisstruktur des Market Makers beeinflussen die Geld-Brief-Spanne.

Der Blick auf die Welt der Spreads aus Sicht des Investors und des Händlers hat Ihnen hoffentlich geholfen, diesen wichtigen Aspekt beim Investieren in ETFs besser zu verstehen.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Gordon Rose, CIIA, CAIA,

Gordon Rose, CIIA, CAIA,  war von 2011 bis 2014 Fondsanalyst bei Morningstar.