DAX 9.000: Zeit für den Einstieg?

Asterix und seine gallischen Freunde mussten weiland nur befürchten, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Anleger, die heute mit einem Einstieg in Aktien liebäugeln, müssen einiges mehr bedenken. 

Ali Masarwah 30.10.2013
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Aufmerksame Leser werden den Hinweis bereits kennen: Nein, wir wissen nicht, wie sich die Märkte morgen entwickeln werden. Wir betreiben viel Research um Fonds, Aktien, Bonds und haben auch den Luxus, Volkswirte zu beschäftigen. Und dennoch würden Sie bei Morningstar nie eine DAX-steigt-zum-Jahresende-auf-XY-Punkte-Prognose finden. Warum? Weil es schlicht unseriös ist, kurzfristig die Richtung eines Marktes nicht nur zu deuten, sondern auch zu quantifizieren. Die schlechten Ergebnisse taktischer Investment-Ansätze legen Zeugnis über die Unfähigkeit von Anlegern ab, erfolgreich die Märkte zu timen.

Medien und Fondsanbieter trommeln für den Einstieg

Warum diese Vorrede? Nun, es finden sich in diesen Tagen jede Menge Zahlenspielereien in den Medien und Markteinschätzungen der Fondshäuser. „DAX nimmt Anlauf auf die 9.000-Marke“, „DAX 10.000 zum Jahresende“, „DAX 20.000“ - und so weiter und so fort. Es ist natürlich möglich, dass die Aktienindizes weiter steigen und diese Marken tatsächlich kurz- oder mittelfristig erreicht werden. Dafür könnten das weiter billige Zentralbankgeld, die Erholung der Wirtschaft in der Eurozone und den USA sowie die hohen Cash-Quoten vieler Anleger sorgen.

Anleger sind mit vielerlei Sirenengesang konfrontiert, der zum Einstieg lockt. Die Aktienkurse steigen allerdings bereits seit dem Frühjahr 2009!

Doch es könnte ganz anders kommen. Zu jedem der o.g. positiven Szenarien lässt sich ein negatives aufmachen, das nicht weniger plausibel klingt. Doch die hört man nicht. Hand aufs Herz: vernehmen Sie in diesen Zeiten mehr mahnende oder mehr optimistische Ausblicke? Anleger sind heute mit vielerlei Sirenengesang konfrontiert, der zum Einstieg in Märkte lockt. Die Aktienkurse steigen allerdings bereits seit dem Frühjahr 2009. 

Wir haben bereits vor einiger Zeit vor den vermeintlich neutralen Marktausblicken der Fondsanbieter gewarnt, die in der Praxis viel zu optimistisch sind und somit oft in die Irre führen (lesen Sie hier weiter). Heute wollen wir mit praktischen Beispielen die verheerenden Folgen falscher Timing-Entscheidungen zeigen und versuchen, daraus Lehren zu ziehen. 

Zwischen 8.000 und 9.000 DAX-Punkten lagen 13 Jahre 

Zur Erinnerung: Der deutsche Leitindex DAX konnte erstmals im Jahr 2000 die 8.000-Punkte-Marke überwinden. Bis zum Überschreiten von 9.000 Punkten hat es gut 13 Jahre gebraucht. Die Zeit war durchsetzt mit Krisen und Korrekturen, die den DAX einmal nachhaltig unter die 4.000er und einmal sogar unter die 3.000er Marke gedrückt hat. 

Wir haben ein kleines Zahlenspiel angestellt: Was für einen Unterschied hätte es gemacht, Anfang 2008 oder Anfang 2009 in Aktien zu investieren? Wir erinnern uns: Die langjährige Aktienhausse befand sich Ende 2007 in ihrer Spätphase. Ende Januar schickte der „Fall Kerviel“ die Märkte das erste Mal auf Talfahrt, und im Herbst 2008 brachen die Folgen der Lehman-Pleite über Märkte und Investoren herein. Wer Anfang 2008 auf die Fortsetzung des Aktienanstiegs seit März 2003 setzte, agierte prozyklisch und hoffte auf die Fortsetzung eines 4,5 Jahre währenden Trends. Wer Anfang 2009 investierte, zeigte dagegen Mut und stellte sich gegen die vorherrschende Meinung, wonach die Welt dem Untergang geweiht schien. 

10.000 Euro für acht Morningstar Fondskategorien

Manchen wir nun die Probe. Wie groß wäre der Unterschied zwischen dem prozyklischen Einstieg zum 1.1.2008 und den antizyklischen Einstieg am 1. Januar 2009 ausgefallen? Wir haben zu beiden Stichpunkten ein fiktives Investment von 10.000 Euro in acht ausgewählte Märkte getätigt. Um die Bedingungen so realistisch wie möglich zu gestalten, haben wir keine Indexperformance verwendet, sondern die der jeweiligen Morningstar-Kategorien. Wir haben uns sowohl für Kernmärkte (Euroland, Deutschland, Schweiz) als auch für Nischenmärkte (Brasilien, BRIC, China, Indien, Türkei) entschieden.

Die untere Tabelle zeigt in der linken Spalte die jeweilige Morningstar-Kategorie, in der Spalte weiter rechts wird das Ergebnis in Euro bei einem Einstieg Anfang 2008 sowie die kumulierte und annualisierte Performance dargestellt. Weiter rechts finden Sie das Ergebnis des Einstiegs 12 Monate später.

Tabelle: Ein Jahr macht den Unterschied: Was aus 10.000 Euro geworden sind

 

Die obere Tabelle verdeutlicht zweierlei. Die Ergebnisse in allen acht Kategorien zeigen einmal, welche verheerenden Ergebnisse ein prozyklischer Einstieg während der Spätphase einer Hausse zeitigen kann. Wer Anfang 2008 10.000 Euro in einen durchschnittlichen Indien-Aktienfonds investierte, wartet noch heute auf seinen Einsatz. Genauer gesagt ist das Indien-Investment auf knapp 6.900 Euro zusammengeschmolzen. Das entspricht einem Verlust von gut 31 Prozent bzw. einem Minus von 6,2 Prozent pro Jahr.

Auch eine Anlage in einen BRIC-Fonds hätte bis heute ein Minus von kumuliert 22,7% ergeben. Aus 10.000 Euro sind bis Ende Oktober dieses Jahres 7.726 Euro geworden. Verluste standen auch bei Euroland-Fonds an. Ein minimales nominales Plus gab es bei China-Aktien zu holen, Deutschland-Aktienfonds glichen immerhin die Inflation aus, lieferten aber eine schlechtere Rendite als Bundesanleihen. Nur bei Schweizer Aktienfonds sprang ein für Risiko-Assets akzeptables Ergebnis heraus.

Die Lichter schoss ein Türkei-Investment aus. Aus 10.000 Euro wurden in nur 4,5 Jahren sage und schreibe 27.095 Euro!

Wer sich indes Anfang 2009 ein Herz fasste und in die stark fallenden Märkte investierte, freut sich heute über seinen Mut. Alle acht Kategorien verbuchten phantastische Ergebnisse. Die Lichter schoss das Türkei-Investment aus. Aus 10.000 Euro wurden sage und schreibe 27.095 Euro, ein Plus von 170 Prozent in nur 4,5 Jahren! Die Katastrophen-Investments des Jahres 2008, Indien- und BRIC-Fonds, warfen bei einem Einstieg nur ein Jahr später 73 bzw. 79 Prozent Plus ab.

Prozyklik tut in Nischenmärkten besonders weh

Die zweite Erkenntnis aus unserer Zahlenspielerei lautet: Besonders gefährlich sind prozyklische Investments in Nischenmärkten. Wer auf dem Höhepunkt der Emerging-Markets-Hype investierte, wartet heute noch auf seine Einstiegskurse. Weniger dramatisch waren die zwischenzeitlichen Verluste bei einem Einstieg 2008 in Deutschland- und Schweiz-Fonds. Auch wenn die Rendite deutscher Fonds bei einem Investment 2008 mager ausfällt, konnte zumindest ein realer Kapitalerhalt sichergestellt werden. Das Ergebnis Schweizer Fonds lag sogar im Rahmen der langfristigen Aktienrenditen von sechs bis acht Prozent jährlich.

Wer heute mit einem Einstieg in den Aktienmarkt liebäugelt, muss wissen, dass die Aktienkurse in vielen Märkten auf historischen Hochs notieren und ein Investment empfindliche Verluste nach sich ziehen kann - unter Umständen müssen Anleger, die dem Impuls folgen, unbedingt dabei zu sein, etliche Jahre auf ihren Einsatz warten.

Antizykliker machen es heute dem norwegischen Staatsfonds nach

 

Vielleicht hilft das Beispiel des norwegischen Staatsfonds (vormals: Ölfonds), den Verlockungen eines prozyklischen Investments zu widerstehen? Der gut 800 Milliarden Euro schwere Fonds allokiert Medienberichten zufolge derzeit keine neuen Mittel in Aktien. Der größte Staatsfonds der Welt ist bekannt für seine antizyklische Investitionsstrategie. Für Yngve Slyngstad, CEO von Norges Bank Investment Management, dem Verwalter des Fonds, sind Korrekturen am Aktienmarkt gute Kaufgelegenheiten. „Im Allgemeinen betrachten wir Marktkorrekturen eher als Chance denn als Bedrohung“, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Bloomberg. „Wenn sie kommen, dann ist das für uns als Investor nur ein positives Zeichen“, so der Norweger weiter. Wer heute sein Pulver trocken hält, tut es also einem der erfolgreichsten Profi-Investoren gleich!

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich