Fund Times: Die Morningstar Fondskolumne zum Wochenstart

7 Fragen an Ihr Portfolio oder ein dezidierter Nicht-Quartalsrückblick.

Ali Masarwah 02.04.2012
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Der erste Handelstag des zweiten Quartals hat so angefangen, wie man es mittlerweile schon fast von Börsensitzungen im Jahr 2011 oder 2012 erwarten muss: Auf einen freundlichen Start am Morgen folgt eine veritable Talfahrt zum Mittag, bevor sich der Markt am Nachmittag wieder in deutlich positives Terrain voran arbeitet. Die pikante wie bekannte Begleiterscheinung derart volatiler Intraday-Bewegungen: Für jede Richtung gibt es vollkommen plausible Erklärungen. Der freundliche Börsenstart am Montag wurde mit den besser als erwartet ausgefallenen Konjunkturdaten aus China begründet: Der offizielle Einkaufsmanagerindex der chinesischen Regierung stieg im März überraschend auf 53,1 von 51,0 Punkten im Vormonat. Und der Absturz um fast 100 DAX-Punkte bis zum Mittag? Klarer Fall: Der Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe des Euroraums fiel schwächer als erwartet aus! Wie war das noch mit der Wettervorhersage? Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt eben so, wie es ist!

Nein, Ziel der Kolumne des heutigen Tages ist es nicht, Bauernweisheiten zu verbreiten, sondern Anleger einerseits zu mehr Gelassenheit zu ermuntern. Wir wissen nicht, wie sich die Geschicke der Eurozone und die Lage der Weltwirtschaft entwickeln werden. Ebenso klar ist auch, dass wir die „Wir-haben-es-schon-immer-Gewusst“-Kommentare der Fondsprofis lesen werden, egal, in welche Richtung sich der DAX oder SMI entwickeln werden. Ex post, versteht sich.

Gelassenheit sollte allerdings - andererseits - nicht das einzige Gebot der Stunde sein. Gehen wir einen Schritt zurück vom aktuellen Geschehen. Womit haben wir es heute zu tun? Unbestrittener Ausgangspunkt heute ist ein fantastisches erstes Quartal, eines der besten der jüngeren Geschichte. Der DAX legte in den ersten drei Monaten um gut 18% zu, und sogar der chronisch kränkelnde EURO STOXX 50 brachte es auf ein mehr als ordentliches Plus von knapp 7%. Wir halten fest:

- die Märkte könnten im zweiten Quartal nach derart rasantem Zuwachs konsolidieren und einen Dämpfer von den unsicheren Kantonisten Südeuropas bekommen;

- sie könnten aber auch bis zum nächsten Quartalsrückblick weiterlaufen, angetrieben von unverändert viel EZB-Liquidität und einer halbwegs soliden globalen Konjunktur.

Nun ist es nicht so, dass wir bei Morningstar keine Meinung zu den Folgen des Kursanstiegs hätten. Die meisten globalen Aktienmärkte weisen inzwischen zweistellige Kurs-Gewinn-Verhältnisse aus, 92% der von Morningstar-Analysten beobachteten Aktien haben inzwischen ihren fairen Wert erreicht. Es ist also nicht so unwahrscheinlich, dass in der nächsten Zeit günstigere Einstiegskurse winken als es heute der Fall ist. Wir meinen aber, dass es für Anleger unergiebig ist, auf günstige Market-Timing-Chancen zu spekulieren. Es könnte sich vielmehr lohnen, Portfolios heute kritisch auf folgende Punkte zu überprüfen:

  1. Stimmt noch der Asset-Mix Ihres Depots? Sie haben sich vermutlich mit einem strategischen Ziel vor Augen einen bestimmten Asset-Mix aus Aktien und Anleihen zugelegt. Ein markanter Kursanstieg bei manchen Investments von 30% und mehr spricht für ein unterjähriges Rebalancing. Zumindest aber dafür, das Portfolio auf Klumpenrisiken zu untersuchen. Für die meisten Fondsdepots lässt sich das relativ einfach mit dem Morningstar-X-Ray bewerkstelligen (hier gelangen Sie zum kostenlosen X-Ray-Tool).
  2. Sollten Sie in den vergangenen 12-18 Monaten neue Asset-Klassen ins Portfolio aufgenommen haben, dann hinterfragen Sie kritisch (und ehrlich), ob Sie die Grundaussagen heute noch für valide halten. Beispiel Gold: Sie sind bei einem Edelmetall-Preis von 1.900 US-Dollar/Unze im Spätsommer 2011 eingestiegen und gehen unverändert von steigenden Inflationsraten aus? Dann sollten Sie sich nicht von dem Preisanstieg in anderen Asset-Klassen irritieren lassen, sondern den Goldpreis von unter 1.700 US-Dollar/Unze zum Nachkaufen nutzen. (Sollten Sie dagegen nur auf Drängen eines nervigen Verkäufertyps auf den Edelmetall-Trip gekommen sein und von der Inflationsstory nichts halten, sollten Sie sich nicht scheuen, Verlustpositionen aus dem Depot zu werfen).
  3. Sollten Sie in den vergangenen 12-18 Monaten defensive Asset-Klassen oder Aktien nicht gekauft haben, halten Sie Abstand von den Empfehlungen mancher Profis, jetzt auf „Sicherheit“ zu setzen. Sichere Staatsanleihen, etwa deutsche, sind heute ziemlich teuer, und bei Aktien sind die klassischen defensiven Sektoren, wie Pharma oder Basiskonsumgüter, fair bewertet. Es könnte also „sicherer“ sein, bei Aktien eher auf Energietitel oder Rohstoffe zu setzen, die zwar konjunktursensitiv sind, aber im Schnitt noch nicht beim fairen Wert angekommen sind.
  4. Wie robust ist Ihr Bond-Portfolio heute? Das vierte Quartal hat Investoren einen idealen Live-Stress-Test geliefert. Heute sind wir nach der Kurserholung der vergangenen drei Monate bei Spread-Produkten – und dazu zählen auch viele Euro-Staatsanleihen – fast wieder auf dem Ausgangspunkt der zweiten Jahreshälfte 2011 angelangt. Wenn sich Ihr Bond-Portfolio 2011 nicht so verhalten hat, wie Sie es sich vorgestellt haben, dann haben Sie eine Idee, wie es sich unter künftigen Stress-Bedingungen verhalten könnte. Das pessimistische Basis-Szenario sieht heute nicht anders aus als Ende Juli 2011 – Sie müssen nur „Griechenland“ mit „Portugal“ substituieren.
  5. Wie haben sich die Fondsmanager Ihrer Wahl geschlagen? Wer Anfang 2012 in seinen Fonds-Berichten bullish war, hätte zumindest seine Benchmark schlagen müssen (darauf sind sie angelegt). Wer sich als pessimistisch und vorsichtig zu erkennen gegeben hat und dennoch auf Höhe seiner Benchmark und darüber war, hat vielleicht doch sein Fähnchen mit dem Wind gedreht? Wenn das für Sie in Ordnung geht, dann freuen Sie sich über Ihren Beta-Jockey, ansonsten sollten Sie sich diese Positionen in Ihrem Fondsportfolio etwas genauer ansehen – und die Aussagen des Fondsmanagements künftig etwas kritischer auf Konsistenz beäugen. Der Morningstar Fund Screener hilft Ihnen, die Fonds in Ihrem Portfolio näher zu analysieren (hier gelangen Sie zum Fund Screener).
  6. Sie haben viel Cash auf dem Konto, das Sie eigentlich investieren möchten, wollen aber nicht nach einem zweistelligen DAX-Anstieg in 3 Monaten Risiko-Anlagen kaufen? Das ist vernünftig und überhaupt keine Schande. Allerdings sollten Sie dann erst Recht bei dieser Linie bleiben, wenn der Dax bis Ende Juni noch einmal um 18% zulegen sollte. Unterdessen sollten Sie sich Gedanken machen, ob Sie einen angemessenen Parkplatz für Liquidität besitzen. Durchaus seriöse Direktbanken bieten heute für Neuanlagen einen Tagesgeld-Zins von deutlich mehr als die Inflationsrate. Diese Angebote gelten zwar erfahrungsgemäß nur für einen begrenzten Zeitraum, aber Sie wollen das Geld ja ohnehin auf absehbare Zeit anlegen. Keine Alternative sollten für liquide Mittel eine längerfristige Zinsbindung, Produkte mit Ausgabeaufschlag und Angebote von Banken sein, die sich nicht einem Einlagensicherungssystem angeschlossen haben. Es ist unter diesen Umständen kein Tagesgeld-Angebot von mehr als 2,5% p.a. am Markt vorhanden? Was haben Sie angesichts des heutigen Zinsniveaus erwartet?
  7. Zu guter Letzt sollten Sie immer im Blick haben, wie Ihr Portfolio als Ganzes dasteht. Lassen Sie die Entwicklung einzelner Investments im Depot nicht den Blick auf das große Ganze versperren. Wie hat sich Ihr Depot wirklich entwickelt? Befinden Sie sich noch im Rahmen der Leitplanken, die Sie einmal definiert haben? Steht die Rendite der vergangenen 3,6 oder 12 Monate in einem angemessenen Verhältnis zum eingegangenen Risiko? Wenn nicht, woran liegt das? War vielleicht die Benchmark falsch gewählt? Wollen Sie das ändern? Und nein: Es bringt absolut nichts, zu versuchen, mit der Hinzunahme der 17. Asset-Klasse, etwa mit Vietnam-Aktien, die Performance des Gesamtportfolios zu optimieren. Stellen Sie dann Ihrem Berater besser grundsätzliche Fragen!

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich