„Für den Anleger geht es um Erwartungssicherheit“

Am Anfang war das Beta. Doch weil ETFs nur Bausteine in der Vermögensallokation sind, stellte sich alsbald die Frage, wie diese Tools eingesetzt werden sollten. Wir baten prominente Dachfonds-Manager zum Gespräch. Das Morningstar ETF Werkstattgespräch.

Ali Masarwah 24.07.2013
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ETFs sind nach wie vor ein wichtiges Wachstumssegment der Vermögensverwaltung. Monat für Monat, Jahr für Jahr werden Zahlen über steigende Mittelzuflüsse und neue Produktlancierungen verkündet. Aber was wird eigentlich aus ETFs gemacht? Dass ETFs Bausteine für die Vermögensallokation sind, ist das Eine. Das andere ist, was der aktive Investor daraus macht. Wir baten die beiden Dachfondsmanager Christoph Fick (Pioneer Investments), und Christian Schwab (Credit Suisse Asset Management) zum Gespräch. Die von ihnen verwalteten Dachfonds-Reihen, HVB Vermögensdepot und CS MACS, zählen zu den größten Produkten, die die börsennotierten Indexfonds einsetzen.

Dachfondsmanager zum Interview bei Morningstar in Frankfurt: Gordon Rose (Morningstar), Christoph Fick (Pioneer Investments), Christian Schwab (Credit Suisse Asset Management), Ali Masarwah (Morningstar)

Meine Herren, wir wollen nicht die ewige und wenig fruchtbare Debatte über aktive versus passive Fonds in der Kapitalanlage befeuern. Dennoch zu Beginn unseres Gesprächs die Frage: Warum setzen Sie in Ihren Dachfonds vorwiegend auf ETFs?

Christoph Fick (Pioneer Investments): Bei uns geht der Einsatz von passiven Investments auf die Zeit zurück, in der die HypoVereinsbank eine fondsbasierte Vermögensverwaltung ins Leben rief. Diese wurde zur effizienteren Steuerung und Abwicklung dann im Vorfeld der Abgeltungssteuer in Fonds migriert. Schon zu Activest-Zeiten habe ich mich in der Fondsvermögensverwaltung auf passive Fonds fokussiert. Passive Fonds sind effizienter, günstiger - und außerdem schaffen es langfristig nur wenige aktiv verwaltete Fonds, ihre Benchmarks zu übertreffen.

Christian Schwab (Credit Suisse Asset Management): Zu den genannten Vorzügen von ETFs habe ich nichts hinzuzufügen. Der Einsatz von ETFs in den MACS-Dachfonds folgt unserem Investment-Ansatz als Asset Allocator. Wir setzen Produkte ein, die unsere strategische Sicht auf die Märkte als Regionen und Länder widerspiegeln. Aber, um der Wahrheit Ehre zu tun: Es gibt bei uns kein prinzipielles entweder oder. Bei manchen Strategien setzen wir nur auf aktiv verwaltete Fonds, in denen Kunden auf unsere Fondspicking-Kompetenz zurückgreifen wollen, bei anderen setzen wir vorwiegend auf ETFs.

Gordon Rose (Morningstar): Wann setzen Sie in den von Ihnen gemanagten Fonds auf ETFs, wann auf aktive Fonds?

Schwab: In den MACS Classic und Dynamic Fonds setzen wir eigentlich nur dann auf aktive Manager, wenn wir bei ETFs nicht fündig werden, etwa in einigen Bond-Bereichen oder bei Wandelanleihen. Es kann auch Phasen geben, in denen es bei bestimmten Märkten sinnvoll ist, aktive Manager einzusetzen. Aber das wichtigste Argument für ETFs hat Herr Fick schon genannt: Die Mehrzahl der aktiven Manager schafft es nicht, die Benchmark zu schlagen.

Fick: Bei der HVB-Vermögensdepot-Reihe sind ETFs die Default-Option, wir kommen in der Regel auf Quoten zwischen 80 bis 90%. Bei Bonds gehen wir teilweise  auf Einzeltitel, weil die günstiger sind.

Ali Masarwah (Morningstar): Die übliche Weisheit lautet, dass die Kernanlagen eines Portfolios idealerweise passiv belegt werden sollten, bei ineffizienten Nischenmärkten, die nicht im Fokus der Analysten stehen, sollten aktive Manager zum Zug kommen. Gilt dieses Prinzip für Sie nicht? Sie haben ja beide hervorgehoben, dass Sie prinzipiell passive Fonds einsetzen.

Fick: Unser Philosophie, über die strategische und taktische Asset Allokation Rendite zu generieren, und weniger über die Wahl von Instrumenten und Einzeltiteln wenden wir auch in Nischenmärkten an. Anders sieht es bei Renten aus, da würde ich häufiger Nachteile bei ETFs sehen. Da geht es zum einen um das Prinzip, die größten Schuldner am höchsten im Index zu gewichten. Aber auch die Wahl der Indizes sehe ich kritisch: die spiegeln häufig eher die Bedürfnisse des ETF-Anbieter wider als die des Kunden.

Masarwah: Wie das?

Fick: Bei der Wahl des Index stehen vor allem die Liquidität und die Erfordernisse für die Kreierung und Rückgabe im Vordergrund. Für den Investor ist das oft suboptimal,  hier spielen auch Repräsentativität des Index und Konstanz im Zeitablauf eine Rolle.

Schwab: Das sehe ich auch so. Bei der Rentenseite sehen wir starke Probleme, vor allem wegen des Prinzips der Verschuldungskapitalisierung. Diese hat zur Folge, dass die schlechtesten Schuldner das höchste Gewicht in den herkömmlichen Indizes einnehmen.

Fick: Aus den genannten Gründen bilden wir inzwischen die Rentenseite in unseren Fonds  mit deutschen Staatsanleihen ab. Teilweise nutzen wir dafür unter Kostengesichtspunkten auch Staatsanleihen auf Einzeltitelbasis und nicht nur ETFs

Rose: Kommen wir doch noch einmal zur Frage aktiv versus passiv. Wenn wir annehmen, dass ein Anleger ETFs bevorzugt, weil sie günstig sind und er aktiven Managern nicht traut, was führt diesen Investor dann zu Ihnen? Sie setzen passive Bausteine aktiv ein. Beißt sich da die Katze nicht in den Schwanz?

Schwab: Auch wenn die meisten Studien besagen, dass die strategische Allokation, also die langfristige Vermögensaufteilung, den Großteil des Erfolgs eines Fonds ausmacht, sollte man die taktische Komponente nicht ganz vernachlässigen. Was passiert, wenn ich 3 ETFs kaufe und diese zehn, 15 Jahre im Portfolio einfach liegen lasse? Auch eine strategische Asset Allocation bedarf der laufenden Überprüfung. Gegebenenfalls muss nachjustiert werden. Ich bin der Meinung, dass eine taktische Komponente sinnvoll ist, weil sie Mehrwert liefern kann. Im Übrigen fordern viele Anleger angesichts der Kursausschläge in den vergangenen fünf Jahren Multi-Asset-Mandate.

Fick: Ich würde gerade auf den letzten Punkt eingehen. Unsere Mandate sind für Privatkunden konzipiert, die sehr risikoavers sind. Natürlich kann man die Meinung vertreten, dass strategisch aufgesetzte Portfolios, die möglichst stabil gehalten werden, langfristig das beste Ergebnis bringen. Das Problem ist nur, dass in der Realität die meisten Privatanleger derartige Strategien nicht so lange durchhalten wie sie es müssten, um die optimalen Ergebnisse dieser Langfriststrategien auszuschöpfen. Deshalb ist es legitim, einen Ansatz zu verfolgen, der die Performance zwar nach oben abschneidet, aber dafür die Verluste reduziert. Das gibt dem Kunden das Vertrauen, weiter investiert zu bleiben, auch wenn die Märkte mal schwierig sind. Ich würde aber auch wie Sie, Herr Schwab, aus dem Grund für mehr Aktivität plädieren, weil die Auswahl der Märkte und der Produkte heute sehr viel größer ist als vor zehn Jahren. Damals hat keiner von einer Euro-Peripherie gesprochen, heute ist das für die Kapitalanlage höchst relevant. Die Märkte entwickeln sich weiter, und das vollziehen wir in unseren Portfolios nach.

Masarwah: Die von Ihnen verwalteten Fonds sehen fixe Bandbreiten vor. Hinter Begriffen wie „Balanced“ stehen üblicherweise ausgewogene Portfolios, in denen die Aktienquote auf 50% begrenzt wird – nach oben wie nach unten. Ist es ein Fluch oder ein Segen, innerhalb eines derart starren Rahmens zu arbeiten?

Fick: Derartige Strategien haben immer Vor- und Nachtteile. Es ist aber besonders wichtig, dass der Kunde weiß, worauf er sich einlässt. Hat er sich für eine bestimmte Risikoklasse entschieden, dann weiß er im Idealfall, was besten- und schlimmstenfalls auf ihn zukommt. Bei 50:50-Portfolios sind Drawdowns von 20, 30 Prozent möglich. Bei Portfolios, die eine Aktienquote von 0 bis 100 Prozent fahren können, wird der Anleger zu der Annahme verleitet, dass das reale Investieren so abläuft wie in einem Backtest. Aber bei solchen flexiblen Produkten verläuft die Performance-Kurve selten von links unten nach rechts oben.

Masarwah: Fixe Bandbreiten spiegeln also das Rendite-Risikoprofil eines Kunden wider. Anders gesagt: Zu viel Flexibilität kann bedeuten, dass ein Fondsmanager die Basisallokation des Kunden über den Haufen wirft.

Schwab: Genau. Man kann das neudeutsch als Expectation Management bezeichnen, es geht also um Erwartungssicherheit. Der Kunde muss sich wohl fühlen. Für den Fondsmanager können Bandbreiten eine gewisse Einschränkung mit sich bringen. Aber aus Kundensicht bringt so etwas Transparenz und Berechenbarkeit: Ich finde immer das Rendite-Risikoprofil in meinem Portfolio vor, für das ich mich entschieden habe.

Fick: Allerdings sollten die Bandbreiten schon so groß gewählt sein,  dass man sich als Fondsmanager noch sinnvoll an den Märkten bewegen kann. Alles andere liefe ja auch dem Anspruch zuwider, aktives Management zu verfolgen. Das ist eine Gratwanderung.

Masarwah: Und, mein Kollege Gordon Rose hat es eben ja auch angedeutet: Fondsmanager haben es schwer, mit vollkommen flexiblen Allokationsmodellen statische Benchmarks zu schlagen.

Fick: Das ist mit Sicherheit ein weiterer Punkt. Ein Fonds, der seine Allokation völlig frei wählen kann und dabei stets erfolgreich ist, spielt ziemlich allein auf weiter Flur in der Championsleague. Stetig mit solch einem vollkommen freien Mandat erfolgreich zu sein, setzt eine Erfolgsquote von mindestens 60 bis 70 Prozent voraus. Und wer kann das wirklich für sich beanspruchen?

Masarwah: Schuster bleib bei deinem Leisten?

Fick: Jeder Fondsmanager sollte ehrlich beantworten, wie groß seine Erfolgsquote langfristig realistischerweise sein kann. Hoffentlich ist sie größer als 50%, aber auch wenn ich mich in einem Bereich von 50 bis 60 Prozent bewege, dann heißt das nichts anderes, als dass 4 von 10 Entscheidungen falsch sind, um die muss man sich kümmern. Das reicht, um einen aktienlastigen Fonds in schlechten Zeiten gegen die Wand zu fahren, so dass Kunden vorher verkaufen und die Erholung dann nicht mehr mitmachen.

Masarwah: Gordon, du hast eine Marktübersicht erstellt und untersucht, wie die ETF-Dachfonds am Markt ausgerichtet sind: Wie taktisch agieren sie, und wie erfolgreich waren sie dabei?

Rose:  Rein strategische ausgerichtete Fonds, die nicht rechts und links von ihrer Ausgangsallokation abweichen, findet man kaum. Gemessen am Anspruch, aktives Management zu betreiben, würden solche Produkte auch keinen Sinn machen: Ich als Anleger gehe ja nicht zu einem Fondsmanager und zahle ihm viel Geld dafür, dass er ein vollkommen statisches Portfolio aufsetzt und dafür aktive Gebühren kassiert. Die meisten ETF-Dachfonds am Markt habe ich als Hybrid eingestuft: Sie werden einmal nach bestimmten strategischen Prinzipien aufgesetzt und verändern ihre Allokation im Zeitablauf. Dann gibt es rein taktisch arbeitende Fonds. Die haben sich in den vergangenen Jahren überwiegend schwach entwickelt, was nicht verwundert, da die meisten Trendfolger sind, und Trendfolger hatten es zuletzt schwer. Allerdings hatten auch etliche hybride Fonds, auch die großen Produkte am Markt, in letzter Zeit Schwierigkeiten. Da stellt sich mir die Frage: Was ist schief gelaufen? Wurden systematisch die falschen Calls gemacht?

Masarwah: Geben wir die Frage doch an die anwesenden Fondsmanager weiter. Waren Sie zu offensiv? Zu defensiv?

Schwab:  Zu defensiv waren wir nicht. Bis zum Juni haben wir von einem guten ersten Halbjahr für Aktien profitiert. Dann hat vor allem Japan extrem korrigiert. Es liegt also, offen gesagt, an den Calls. Aber bevor ich mich in Selbstkritik ergehe, möchte ich doch die Frage als solche aufgreifen. Die Entscheidung, in einen Markt zu investieren, treffen wir aus fundamentalen, wenn Sie so wollen, aus strategischen  Gründen. Aber was tue ich, wenn ein Call kurzfristig nicht gut läuft? Sollen wir eine Position, von der wir überzeugt sind, nach drei oder sechs Monaten auflösen?

Masarwah: Haben Sie ein Beispiel?

Schwab: Emerging Markets waren in diesem Jahr keine Outperformer. Aber sie sind nach wie vor attraktiv, ich behaupte sogar: heute noch attraktiver als zu Jahresanfang. Natürlich ist es bedauerlich, dass wir mit der Übergewichtung von Schwellenländern bisher nicht gut gefahren sind, aber die Frage ist, wie man damit umgeht. Strategische Calls sollten schon den Tag überdauern.

Fick: Bei solchen Peergroup-Vergleichen werden auch sehr viele unterschiedliche Produkte über einen Kamm geschoren. Es stellt sich die Frage nach den Benchmarks der Fonds. Wir sind mit Sicherheit auch deshalb in den vergangenen 12 Monaten zurückgefallen, weil wir unsere Benchmarks rentenseitig auf den Investor in Deutschland zugeschnitten haben. Und da wir die Bond-Seite als sicheren Hafen verstehen, setzen wir als Renten-Benchmark nur deutsche Staatsanleihen ein. Natürlich können wir auch mal italienische oder spanische Anleihen kaufen, aber wir halten uns im Zweifel an das Motto, auf der Rentenseite keine Risiken einzugehen. Risiken bzw. Performance nehmen wir auf der Aktienseite

Masarwah: In Zeiten extrem niedriger Renditen von Bundesanleihen fällt die Renten-Seite als Performance-Quelle quasi weg.

Fick: Ja, wir haben diese Entscheidung getroffen, wohl wissend, dass die Rendite deutlich niedriger ist als bei anderen Benchmarks. Insofern ist eigentlich klar, dass wir dann underperformen, wenn Peripherie-Anleihen sich erholen. Aber mit so einer Strategie vermeiden wir unschöne Überraschungen, wie sie viele Anleger im Herbst 2011 erlebt haben.

Masarwah: Und wie steht es mit Ihrer Aktien-Benchmark?

Fick: Die ist primär nicht nach Marktkapitalisierung, sondern nach dem Bruttoinlandsprodukt der Staaten gewichtet. Das impliziert, dass wir Emerging Markets relativ zu anderen stark übergewichten …

Masarwah: … und die haben nun mal jungst underperfomt.

Fick: Ja, und deshalb haben wir in diesem Jahr schlechter abgeschnitten als viele Fonds, deren Aktien-Benchmark der MSCI World ist, einem Index, in dem keine Schwellenländer vertreten sind. Natürlich setzt man seine Benchmarks mit anderen Erwartungen auf, nämlich dass Schellenländer aufgrund ihres niedrigeren Verschuldungsgrades, besseren Demographie und Dynamik langfristig outperformen, aber so ist das nun mal, man kann nicht in jeder Marktlage outperformen.

Rose: Können Sie beziffern, wie hoch der Anteil der taktischen Wetten in ihren Portfolios ist?

Fick: Diese Unterteilung würde ich so nicht vornehmen wollen…

Masarwah: Andersherum formuliert: Was ist bei Ihnen eine starke Übergewichtung?

Fick: Wenn riskante Asset-Klassen in unseren 50:50-Portfolios mit 60 bis 65% gewichtet sind.

Masarwah: Wie managen Sie das Fremdwährungsrisiko?

Fick: Bei der Renten-Seite stellt sich die Frage nicht, bei den Risiko-Assets, und dazu gehört eine 10-prozentige Rohstoffquote, gehen wir schon aktiv vor, was angesichts des hohen Fremdwährungsgewicht angemessen ist.

Schwab: Wir als Haus haben uns entschieden, Währungen in unsere strategische Sicht auf die Märkte einzubeziehen. Die Gewichtung der wichtigsten Währungspaare managen wir also aktiv. Wir können also positiv für eine Region sein, aber zugleich die Währung absichern. Das jüngste Beispiel wäre Japan: Der Aktienmarkt war Anfang des Jahres attraktiv, aber wir haben gleichzeitig das Yen-Risiko abgesichert.

Masarwah: Kommen wir auf die Marktkonstellation der jüngsten Vergangenheit zu sprechen. Im Herbst 2011 eskalierte die Eurokrise, dann kamen die EZB-Programme LTRO I und II, dann folgte eine Vertrauenskrise, die der EZB-Präsident im Sommer 2012 mit seinem inzwischen legendären „Whatever it takes“-Statement beruhigte. Begleitet waren alle diese Entwicklungen von sehr hoher Volatilität. Sind Sie angesichts dieser Marktlage taktischer geworden, oder igeln Sie sich ein, nach dem Motto: Politische Börsen kann man eh nicht lesen?

Schwab: Wir haben als Reaktion auf die Krise unsere Kapitalmarktanalyse um einen weiteren  Baustein erweitert. Früher ging es um die klassischen Faktoren wie Aktien-Bewertungen, Makro-Kennzahlen, Markttechnik und Marktsentiment. Heute achten wir stärker auf die Politik der Zentralbanken. Unsere Arbeit ist von daher nicht einfacher geworden, weil die Politik noch schwieriger zu antizipieren ist als der Kapitalmarkt. Aber wir sind deshalb nicht aktiver im Sinne von aktionistischer geworden.

Fick: Wir haben insofern reagiert, dass unsere Renten-Benchmark nur aus deutschen Anleihen besteht. Auf politische Begebenheiten zu reagieren, ist unmöglich, da es häufig Tagesereignisse sind, wie wir wieder im Fall Zypern gesehen haben. Da gibt es keine Vorwarnzeit. Sie müssen bereits entsprechend allokiert sein. Es passiert etwas am Wochenende, dann gibt es Bankfeiertage, und bei der Wiedereröffnung der Märkte stehen alle vor vollendeten Tatsachen. Das ist nicht prognostizierbar. In heutigen Zeiten muss man – mehr denn je – Szenarioanalysen betreiben: welche Risiken drohen mir im schlimmsten Fall, und wie stelle ich meine Portfolios für einen solchen Fall auf, sollten dabei die wichtigste Frage sein.  

Masarwah: Als taktisches Vorgehen würde ich auch das Ausnutzen von Extremausschlägen verstehen. Der Nikkei war seit Ende Mai von einem extremen Auf und Ab geprägt. Ist es da nicht verlockend, derartige Kursausschläge zu nutzen, nach dem Motto: Bei einem Reversion to the mean, also einer Rückkehr der Kurse zu ihrem Durchschnitt, sind solche Schwankungen Opportunitäten?

Schwab: Marktschwankungen kann man schon nutzen, aber die Frage ist immer, auf welcher Basis ich handele; was ist mein Szenario? Eine Transaktion nur aufgrund einer plötzlichen Schwankung vorzunehmen, entspricht nicht unserer Vorgehensweise. Da muss schon eine Idee, eine klare Marktmeinung dahinter stehen, um eine Bewegung als Opportunität zu nutzen. Die reine Schwankung reicht da nicht aus.

Rose: Sichern Sie eigentlich Ihre Portfolios gegen die so genannten Tail Risks, also gegen unvorhersehbare Ereignisse, ab?

Fick: Ja. So eine Absicherung kostet zwar Geld, wenn die Märkte freundlich sind, aber sie reduziert den Stress, wenn es ungemütlich wird.

Rose: Was setzen Sie ein?

Fick: Das machen wir über Standardoptionen. Wir kaufen Puts, die - je nach Szenario -, 5 bis 10% aus dem Geld sind

Rose: Warum setzen Sie nicht auf Volatilitätsprodukte? Wenn die Märkte anfangen, turbulent zu werden, dann steigt die Volatilität. Vola-Long-Produkte profitieren dann.

Fick: Da kommen wir wieder zum Thema Prognosefähigkeit. Wenn die Fähigkeiten eines Fondsmanagers so gut sind, dass er die Marktvolatilität kurzfristig timen kann, dann könnte er Produkte auf Volatilitätsindizes kaufen. Wir haben uns die Produkte am Markt angeschaut, haben aber davon abgesehen, sie einzusetzen, weil die Carry-Kosten so hoch sind, dass sie dauerhaft keinen Sinn machen würden

Schwab: Bei derartigen Instrumenten handelt es sich um eine Versicherung, und die kostet immer eine Prämie. Bei den MACS-Dachfonds haben wir keine derartigen Absicherungsinstrumente im Einsatz. Wir gehen davon aus, dass Anleger diese Fonds als strategische Langfristinvestments sehen. Absicherungsinstrumente, die gegen kurzfristige Turbulenzen absichern, sind für die meisten unserer Anleger verzichtbar. Eine systematische Absicherung der Abwärtsrisiken nehmen wir im institutionellen Bereich vor, wo es essenziell ist, Risikobudgets zu schützen und einzuhalten.

Rose: Kommen wir zum Thema Smart Beta, ein Bereich, der asymmetrische Rendite-Risiko-Profile im Vergleich zu herkömmlichen Indizes verspricht und den ETF-Anbieter anscheinend zum Wachstumssegment erkoren haben. Schaffen diese Indexvarianten wirklich so viel Mehrwert?

Schwab: Es gibt wirklich einige wilde Konstruktionen, deren Sinnhaftigkeit man hinterfragen kann. Aber generell gilt das Motto: Je größer die Auswahl an Produkten, desto besser ist das für Investoren wie uns. Das gilt auch für Smart Beta-ETFs. Wobei wir diese Produkte nur als Ergänzung sehen. Das Gros unserer Mittel setzen wir immer noch in ETFs auf Standardindizes ein.

Fick: Es gibt viele Phänomene, die am klassischen CAPM-Modell (CAPM steht für capital asset pricing modell. Dieses klassische Gleichgewichtsmodell wird verwendet, um Preise für Kapitalgüter zu schätzen, Anmerkung von Morningstar) zweifeln lassen: Der Size-, der Januar-, der Momentum-Effekt. Die sind alle historisch belegt, und wegen der Unzulänglichkeiten der klassischen Modell-Welt sind risikooptimierte Strategien ja auch so gefragt. Aber das Problem an der Sache ist, dass Anomalien dann verschwinden, wenn die Masse der Anleger sie entdecken. Jeder muss entscheiden, wo wir uns im Zyklus befinden!

Masarwah: Sie bezweifeln den Sinn von derartigen alternativen Indexmodellen?

Fick: Nicht prinzipiell, aber stellt sich immer die Frage des Timings: Wann sind welche Märkte effizient? Die Antwort kann man erst im Nachhinein liefern. In Phasen erwarteter Schwäche investieren wir aber durchaus in solche Produkte.

Rose: Ein anderer Weg ist die Diversifikation mit alternativen Investments. Setzen Sie Asset-Klassen wie Private Equity, Hedgefonds, oder Rohstoffe ein?

Schwab: Wenn Sie Alternatives so breit definieren, dann tun wir das. Rohstoffe, Hedgefonds und auch Immobilienaktiengesellschaften Reits, sofern man sie nicht dem Aktienbereich zuordnet. Private-Equity-ETFs setzen wir dagegen nicht ein. Da handelt es sich um ein Investment in Aktiengesellschaften, also um gelistete Firmen. Das ist für mich kein echtes Private Equity.

Fick: Meiner Meinung nach machen Hedgefonds aus Kosten- und Transparenzgesichtspunkten als ETFs keinen Sinn, Reits sind für uns wiederum Aktien. Rohstoff-ETFs und –ETCs halte ich für tragfähige Investments; solche Indizes kann man durchaus passiv einsetzen.

Masarwah: Kommen wir gegen Ende des Gesprächs zu einer Runde „Ich wünsch mir was“. Was fordern Sie als Profi-Anleger von der ETF-Branche? Noch mehr Produkte? Bessere Spreads? Mehr Market Maker? Noch mehr Transparenz?

Schwab: Was neue Produkte anbelangt, halte ich mich lieber zurück, da ist die Branche schon innovativ genug! Das Thema Transparenz hat die Branche bereits sehr gut aufgegriffen. Die Produktqualität ist dagegen ein Punkt, an dem ich nach wie vor Handlungsbedarf sehe. Da gibt es beim Tracking, also bei der Performance-Qualität, durchaus Unterschiede, die  nicht durch die bekannten Faktoren erklärbar sind, die die Performance beeinträchtigen, also Gebühren oder  Leiheerträge. Das bedeutet für mich, dass bei solchen Produkten nicht alle Prozesse rund laufen.

Fick: Transparenz ist ein gutes Stichwort. Was da geleistet wurde, ist gut, aber ich stehe vor der Frage, wie man diese Transparenz handhabbar machen kann. Auch ich kann mir nicht jeden Tag einen Überblick verschaffen, wie gut die Qualität der Collaterals aller ETFs sind, in die ich potenziell investieren möchte. Hier sollte die Branche eine Stufe höher ansetzen und ein-eindeutige Richtlinien formulieren, sodass ich mir das Collateral schon gar nicht mehr anschauen muss. Über meine zweite Erwartung haben wir bereits gesprochen: Die Auswahl der Indizes richtet sich in einigen Fällen eher an den Bedürfnissen des ETF-Anbieters und nicht an denen des Investors. Das gilt, wie gesagt, vor allem für den Rentenbereich.

Masarwah: Was wäre die Lösung des Collateral-Problems?

Fick: Eine Counterparty –Exposure-Kennziffer wäre nicht schlecht. Solange es die nicht gibt, mögen wir voll replizierende ETFs, die keine Wertpapierleihe betreiben. Das schützt vor Extremereignissen. Es ist natürlich sehr schön, wenn ein ETF-Anbieter den Euro Stoxx 50 Index so optimieren kann, dass sogar eine Outperformance erzielt wird. Aber so mancher Investor würde vermutlich überhaupt kein Counterparty-Exposure haben wollen. In Krisenzeiten fängt immer wieder aufs Neue das große Zittern an: Steht der Kontrahent des ETF noch am nächsten Montag zur Handelseröffnung und reicht das Collateral aus?

Masarwah: Mit anderen Worten: Sie würden am liebsten voll replizierende ETFs ohne Wertpapierleihe einsetzen?

Fick: Die Frage würde ich wie folgt beantworten: Sind wirklich alle Probleme und Begleiterscheinungen der Schuldenkrise gelöst? Wenn dem so ist, dann greife ich gerne ohne Zögern auf fully funded ETFs zurück, die auf allen möglichen Ebenen Erträge durch Optimierungen erzielen. Aber was ist, wenn die Krise nach wie vor latent vorhanden ist? Dann gibt es irgendwo einen trade off: Rendite gibt es nur gegen Risiko, das ich nicht vollständig einschätzen kann. Dann wäre ein voll replizierender ETF ohne Wertpapierleihe die sicherste Wahl.

Rose: Herr Schwab, Sie haben eben sinngemäß gesagt, dass es für Investoren am besten ist, dass es möglichst viele ETFs gibt. Aber haben wir nicht viel zu viele kleine Produkte? Braucht man wirklich 15 ETFs auf den Euro Stoxx 50?

Schwab: Wirtschaftlich gesehen braucht man sicher nicht so viele. Aber diese Redundanzen betreffen mich als Investor nicht. Für mich als Abnehmer ist mehr Wettbewerb gut. Das reduziert die Kosten.

Fick: 15 ETFs auf den Euro Stoxx 50 braucht man natürlich nicht. Aber ich stimme zu, dass mehr Anbieter und mehr Produkte für uns eine sehr komfortable Situation ist. Ich sehe eher das Problem in der Vielzahl der Börsenplätze. Die Börsen-Liquidität ist so fragmentiert, dass das negative Folgen für Investoren hat. Die Preisfindung nicht so effizient wie sie sein könnte. Auch wenn es immer heißt, dass ein ETF immer so liquide ist wie der  Markt, den er abbildet, ist die Onscreen-Liquidität oft unbefriedigend. Wenn ich mir etwas wirklich wünschen könnte, dann wäre es eine Situation, wie man sie in den USA bei einigen Asset-Klassen vorfindet. Der ETF ist so liquide, dass die Kosten im Handel noch niedriger sind als beim Underlying. Das ist dann der Fall, wenn nicht bei jeder Order aufs Neue kreiert werden muss. Bei High Yields liegen oft die Handelskosten des ETFs unterhalb der Kosten der Anleihen, die ich einzeln handeln kann. Ein liquider Handelsplatz ist also extrem viel wert. In Europa gibt es dagegen 10 verschiedene Börsen, weshalb ich als Käufer immer auf der Suche nach Händler bin, der etwas auf dem Buch hat, und das sind – wie gesagt - Onscreen bei größeren Orders nicht wirklich viele. Die Angst vor Arbitrageuren ist zu groß…

Rose: Es gibt ja die Bestrebung, mit Euroclear eine pan-europäische Plattform zu schaffen, die die Liquidität verbessert…

Schwab: Ich sehe die Handelsproblematik nicht so sehr. Ich denke, es kann sich durchaus ein anderer Trend herausbilden. Die meisten Anleger brauchen doch nicht unbedingt ständige Liquidität, gerade, wenn ihre Haltedauer länger ist. Außerdem gibt es den Handel zum Nettoinventarwert mit dem Produktanbieter, über den große Orders problemlos platziert werden können. 

Fick: Es gibt immer Gebühren, auch beim NAV-Handel, und ich haben meine Zweifel, dass das wirklich immer der günstigste Weg ist. Einer zahlt immer.

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich