Die Aussichten für Solarwerte trüben sich ein

Die Morningstar Aktienanalysten prognostizieren trotz Atomunglück schwierige Zeiten für die Solarbranche.

Travis Miller 11.04.2011
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Der Solarsektor steht vor zwei grundlegenden Problemen, einer rückgängigen Nachfrage und einem übermäßigen Wachstum der Produktionskapazitäten, was sich in einem Überangebot niederschlägt. Daher haben wir unsere Fair-Value-Schätzungen für die Unternehmen in der Branche deutlich reduziert. Wir erwarten in den nächsten zwei Jahren einen Preisrückgang bei den Solarmodulen von 30-40% (je nach Unternehmen). Das Wachstum und die Profitabilität sollten parallel dazu ebenfalls sinken. Zwar wird es weitere Kostensenkungen geben, die den Schaden teilweise begrenzen können, doch können sowohl First Solar (FSLR) als auch die führenden Hersteller kristalliner Solarzellen (Trina TSL, Yingli YGE, etc.) ihre Kosten nicht schnell genug senken. Daher sehen wir eher Chancen in der Identifizierung überbewerteter Unternehmen, da deren Kurse deutlich sinkende Preise oder einen Branchenabschwung noch nicht reflektieren. Tatsächlich hatte der Sektor in Reaktion auf die Atomkatastrophe von Fukushima an den Aktienmärkten in letzter Zeit viel Rückenwind.

Das Schrumpfen der europäischen Märkte wird nicht durch das Wachstum in anderen Regionen ausgeglichen.  
In letzter Zeit war die Solarbranche häufiger in Schwierigkeiten, doch immer tauchte doch noch genug Nachfrage auf, um die Probleme zu lösen. Nachdem Spanien die Subventionen massiv einschränkte (~ 40% der globalen Nachfrage 2008), sah es nicht danach aus, als ob der globale Solarmarkt 2009 wachsen könnte. Doch der deutsche Markt erlebte eine Verdoppelung, was zu einem globalen Wachstum von 20% führte. Die nächsten schlechten Nachrichten kamen aus Deutschland selbst, das eine Kürzung der Subventionen Mitte 2010 ankündigte. Viele erwarteten ein starkes erstes Halbjahr 2010 und einen deutlichen Rückgang im der zweiten Jahreshälfte. Stattdessen blieb die Nachfrage in Deutschland hoch und der italienische Solarmarkt wuchs im vergangenen Jahr mit mehr als 400%.  Zusammengenommen installierten die zwei Länder 2010 Kapazitäten in Höhe von 11,4 Gigawatt (GW), rund 63% der 18,2 GW, die weltweit installiert wurden.

Die Entwicklung auf den größten Solarmärkten gibt derzeit wieder Grund zur Besorgnis. Hier eine kurze Zusammenfassung:

  • Die Einspeisevergütung in Deutschland wurde Anfang 2011 erneut um 15% gekürzt. Die Rentabilität vieler Solarprojekte erscheint mittlerweile so ungünstig wie schon länger nicht mehr. Weitere Kürzungen werden am 1. Juli erfolgen, falls annualisiert mehr als 3,5 GW zwischen März und Mai neu installiert werden. Laut Regierungsangaben soll die jährliche Installation nach 2011 auf 3-4 GW begrenzt werden. Wir prognostizieren 5,5 GW im Jahr 2011 und 4 GW im Jahr 2012, was einen Rückgang gegenüber den 7,6 GW im Jahr 2010 bedeuten würde.
  • Italien plant, bald neue Regeln für Solarsubventionen aufzustellen. Dabei wird eine jährliche Begrenzung auf 1-2 GW erwartet. 2011 sieht es nach mehr als 2 GW aus, da der Januar und Februar stark ausfielen  und die Regierung eine Übergangsperiode für Projekte, die sich bereits im Planungs- und Bewilligungsstadium befanden, vorsieht. Wir erwarten 3,7 GW im Jahr 2011 und 2 GW 2012. 2010 waren es noch 3,8 GW. 
  • Tschechien (drittgrößter Markt 2010): Die Regierung schaffte das Solarprogramm ab, nachdem die installierten Solarstromkapazitäten  2010 über 1 GW hinausgingen. Hier dürfte sich somit nichts mehr tun. 
  • Frankreich (sechstgrößter Markt 2010) hat eine Obergrenze von jährlich 500 MW bekannt gegeben, die subventioniert werden. Vergleichbar mit Italien wird die installierte Kapazität 2011 darüber hinausgehen, da Projekte, die vor der Verkündung der Obergrenze genehmigt worden waren, weiterhin Anspruch auf die Einspeisevergütung aus 2011 haben. Wir erwarten 1 GW 2011 und 500 MW 2012, verglichen mit 720 MW 2010.

Optimisten weisen darauf hin, dass die Branche in den letzten Jahren noch jedes Mal die Kurve gekratzt hat. Wir meinen aber, dass es dieses Mal schwieriger wird. Deutschland und Italien haben die Branche zwei Jahre gestützt, und die Möglichkeit, dass beide Märkte in naher Zukunft rückläufig (oder bestenfalls stagnierend sein werden), öffnet eine große Lücke, die anderswo gefüllt werden müsste.

Unglücklicherweise hat aber kein anderes Land ein Subventionsprogramm, das mehrere Gigawatt an Nachfrage 2011-2012 generieren kann. Daher erwarten wir einen Rückgang des Wachstums in Europa von 19% 2011 und 32% 2012. Für einen gewissen Ausgleich werden neuere Solarmärkte wie die USA, Kanada, China und Indien sorgen, wo eine rasche Expansion erfolgen dürfte. Da wir aber davon ausgehen, dass 65% der weltweiten Nachfrage 2011 aus Europa kommen wird, sollte die globale Installation 2011 um 2% und 2012 um 9% zurückgehen.

2011 könnte für eine positive Überraschung sorgen (entweder durch eine starke US-Nachfrage oder die Verschiebung der italienischen Kürzungen auf 2012). 2012 dürfte aber nichts an einem deutlichen Rückgang der Nachfrage vorbeiführen. Danach liegt das Wachstum des Sektors klar außerhalb von Europa, doch die Märkte der Zukunft (China, USA, Indien) sind noch nicht soweit, die Rolle Europas für die Branche zu übernehmen. Wir erwarten, dass die installierten Kapazitäten in den USA/China/Indien auf 4,7 GW im Jahr 2012 steigen werden (von 1,4 GW 2010). Dies ist ein beeindruckendes Wachstum, aber noch weit weg von den 11,4 GW, die in Deutschland/Italien 2010 installiert wurden.

Übermäßige Ausweitung der Produktionskapazitäten
Phasen negativen Wachstums sind schwierig genug, doch die Solarhersteller haben dieses Problem durch eine umfangreiche Ausweitung der Produktionskapazitäten noch verschärft. Die folgende Tabelle zeigt die geplanten Kapazitätserweiterungen der 13 größten Hersteller für 2011:

Die Ergebnisse sind besorgniserregend. Zusammen erwarten diese Unternehmen (die 55-65% der globalen Produktionskapazität ausmachen), ihre Lieferungen in diesem Jahr auf 18,8 GW zu steigern. Dies entspricht einer Wachstumsrate von 58% gegenüber dem Vorjahr. Die Gesamtbranche steuert somit auf  30+ GW im Jahr 2011 zu. Daher dürfte die Produktion bald die Nachfrage überflügeln.

Wir meinen, dass der Markt das Ausmaß des daraus entstehenden Preisdrucks noch nicht erkannt hat.  Wir erwarten, dass die Preise von Solarmodulen bis Ende 2012 um 30-40% von ihrem jetzigen Niveau sinken werden. In der gesamten Branche dürften das Wachstum und die Gewinne zurückgehen. Angesichts der kurz- bis mittelfristigen Fundamentaldaten sehen wir Solarwerte derzeit nicht als attraktives Investment an.

Der Rückenwind durch die japanische Atomkatastrophe löst die kurz- bis mittelfristigen Probleme des Sektors nicht.
Der globale Energiemix dürfte in Zukunft weniger Nuklearenergie enthalten, als noch vor dem Atomunglück erwartet worden war. Er könnte dazu führen, dass existierende Atomkraftwerke vom Netz genommen und weniger neue gebaut werden. Dies wurde von vielen als Auftrieb für alternative Energien verstanden, was Solarwerten in den letzten Wochen zu einer Rallye verhalf.

Zwar stimmt es, dass schlechte Nachrichten für die Atomkraft gute Nachrichten für die Solarbranche bedeuten. Allerdings stellt eine Bewegung weg von der Atomkraft eine langfristige Entwicklung dar, die das derzeit drohende Angebots-Nachfrage-Ungleichgewicht in der Solarbranche nicht beheben kann. Da die Generierung von Wind- und Solarenergie Schwankungen unterliegt (d.h. keine Energiegewinnung bei bewölktem Himmel oder Windstille), erscheint sie als Kern des Energieportfolios weniger geeignet. Wenn Atomkraftwerke permanent abgeschaltet werden, dürften deren Kapazitäten zunächst durch Erdgas, den saubersten der fossilen Energieträger, ersetzt werden.

Zudem ist die Solarbranche stark auf Subventionen angewiesen. Deutschland ist der weltweit größte Solarmarkt, da es über das umfangreichste Subventionsprogramm verfügte. Die Solarenergie ist weiterhin zu teuer, als dass neue Nachfrage ohne neue Subventionen entstehen könnte. Das einzige Land, wo es deutliche Änderungen angesichts von Fukushima geben dürfte, ist Deutschland. Sieben ältere Atommeiler wurden vom Netz genommen und ein großer Teil der Wähler ist atomskeptisch. Falls Deutschland seine Atomkraftwerke stilllegt, würden etwa 20 GW in den nächsten Jahren ersetzt werden müssen. Dies würde 70 GW an Solarkapazitäten erfordern, um die Kernkraft zu ersetzen. Selbst wenn das jährliche Ziel für Solarkapazitäten in Deutschland erhöht wird, würde dies wahrscheinlich zu Subventionsraten unterhalb der derzeitigen EUR 0,21-EUR 0,25/Kilowattstunde geschehen. Eine zusätzliche Nachfrage würde somit nicht bedeuten, dass der Preisrückgang bei den Modulen gestoppt würde.  Wir halten eine Anhebung des angepeilten jährlichen Wachstums auf 5-6 GW für plausibel.  Dies ist sicherlich eine willkommene Entwicklung für die Solarhersteller, ändert aber an den sich verschlechternden kurz- bis mittelfristigen Fundamentaldaten der Branche zunächst nichts.

Travis Miller ist Associate Director of Equity Research bei Morningstar. Die Morningstar Aktien- and Kreditanalysten Stephen Simko, Mark Barnett und Patrick Goff haben zu diesem Artikel beigetragen. Er erschien ursprünglich am 6. April 2011.

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Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Travis Miller  Travis Miller is an associate director for the utilities sector.