Warum der Rettungsplan für Griechenland nicht funktionieren wird

Der europäische Plan schiebt die Probleme hinaus, ändert aber nichts an der grundlegenden Schwäche der griechischen Wirtschaft.

Bearemy Glaser 06.07.2011
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Es war schon schmerzhaft zu beobachten, wie die europäischen Staats- und Regierungschefs während des letzten Jahres an einer Lösung für die griechische Schuldenkrise gebastelt haben. Die Vereinbarungen, welche im Juli die zweite Tranche des Rettungspakets ermöglichten, waren dazu gedacht, Ängste zu beschwichtigen. Trotz der großartigen Ankündigungen, dass die Situation unter Kontrolle sei, habe ich leider immer noch die Sorge, dass die Krise noch lange nicht vorbei ist, und dass der aktuelle Rettungsplan lediglich das Unvermeidliche hinauszögert.

Nach den jüngsten Eurostat-Daten lagen Griechenlands Staatsschulden im Jahr 2010 bei erstaunlichen 143% des Bruttoinlandsprodukts. Und diese Zahl ist seit Ende letzten Jahres nur noch gestiegen, da die Ausgaben des Landes weit schneller stiegen als die Einnahmen. Die Eckpunkte des aktuellen Plans werden nicht viel dazu beitragen können, das grundlegende Problem zu lösen: dass Griechenland niemals in der Lage sein wird genügend Geld zu verdienen, um die Verschuldung auf ein verträgliches Niveau zu reduzieren.

Temporäres Heilpflaster

Werfen wir einen genaueren Blick auf den aktuellen Plan, um zu sehen, warum es sich dabei nur um eine temporäre Lösung handelt. Der erste Schritt war das kürzlich verabschiedete Sparpaket, das ohne den Verkauf von Vermögenswerten etwa 28 Milliarden Euro an Einsparungen bringen soll, und zwar durch eine Kombination aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Griechenland hat über EUR 329 Mrd. Staatsschulden. Die Einsparungen sind ein erster wichtiger Schritt, um dem Haushaltsdefizit zu begegnen, aber es bleibt festzuhalten: Das Land kann sich nicht einfach aus dieser Misere heraussparen.

Griechenland kürzt natürlich nicht nur die Ausgaben, sondern erhöht auch die Steuern. Aber auch das wird das Land nicht über die Ziellinie bringen. Man kann die Steuern nur so lange erhöhen, bis die Wirtschaft zusammenbricht oder die Bürger revoltieren (wie die Reaktion auf die aktuellen Sparmaßnahmen zeigt). Zusätzlich gibt es das gravierende Problem der Steuerhinterziehung, das erst einmal gelöst werden muss, um sicherzustellen, dass nicht noch mehr von der Wirtschaft in den Untergrund abwandert.

Im Allgemeinen sind Sparpläne nicht ohne Sinn. So wurden in Großbritannien tiefe Einschnitte vorgenommen, die den Schuldenstand im Laufe der Zeit wieder auf ein erträglicheres Maß reduzieren können. Aber der große Unterschied zwischen Griechenland und Großbritannien ist, dass die Briten die Sparmaßnahmen für einige Jahre wirken lassen können, um die für die Schuldenrückzahlung erforderlichen Einnahmen zu generieren. Griechenland hingegen steht so nahe am Abgrund, dass es sich diesen Luxus nicht leisten kann.

Dies bringt uns zu dem zweiten Schritt, der Auszahlung von mehr Mitteln aus dem 110 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds der EU. Die Gelder (sie werden zu einem Zinssatz von 5% verliehen) werden Griechenland helfen, die Schulden, die jetzt im Juli fällig werden, zu strecken, aber auch sie werden nicht dazu beitragen, die eigentliche Ursache der Krise anzugehen. Sie geben lediglich Aufschub für ein paar weitere Monate, bevor das Land erneut zum Fonds zurückkehren muss, um einen Zahlungsausfall wieder für einen weiteren Monat hinauszuschieben.

Der dritte Schritt ist ein Plan, der von den Franzosen geschmiedet und vor kurzem auch von den Deutschen angenommen wurde. Dieser beinhaltet, dass die privaten Anleihegläubiger freiwillig einer Restrukturierung ihrer Griechenland-Anleihen zustimmen. Das ist sozusagen das Einverständnis mit verspäteten Rückzahlungsraten, um Griechenland mehr Atemluft zu geben. Dieser Plan hat jedoch einige Mängel. Der erste ist, dass Griechenland nicht das Problem eines kurzfristigen Zahlungsengpasses hat, sondern langfristig insolvent ist. Einfach nur nachzugeben, wenn die Rückzahlungen fällig werden, macht nicht viel Sinn. Außerdem – immerhin ist es ein freiwilliges Programm – gibt es keine Möglichkeit zu wissen, wie viele Investoren Griechenland tatsächlich ein Verlängerungsangebot unterbreiten werden. Wenn niemand sich dazu entscheidet, zu Gunsten des Allgemeinwohls nachzugeben, wäre der Nutzen des Programms noch weiter in Frage gestellt.

Dennoch hat es Vorteile, die Probleme schlichtweg für ein paar Monate in die Zukunft zu verschieben. Schließlich geben die Programme den Banken die Möglichkeit, ihr Exposure aus Griechenland-Anleihen zu kontrollieren und helfen damit hoffentlich, eine Situation à la Lehman Brothers zu vermeiden, als ein Mangel an Vertrauen das globale Bankensystem in die Knie zwang. Viele hoffen, dass ein enormer Schub für das Wirtschaftswachstum oder eine radikale Verbesserung der Weltwirtschaft innerhalb der nächsten Jahre dazu beitragen, dass sich die Griechenlandkrise auf ein rein akademisches Problem reduziert.

Drastische Maßnahmen geplant?
Aber realistischerweise wird das nicht passieren. Damit Griechenland aus dieser Krise herauskommt, muss es die grundlegenden Probleme mit seiner Wettbewerbsfähigkeits beheben, die es überhaupt erst in diesen Schlamassel gebracht haben. So schmerzhaft es ist: Der erste Schritt dazu wird sein, dass Griechenland akzeptiert, dass es unmöglich seine aktuellen Schulden zurückzahlen kann. Das Land müsste einen Weg finden, um einen geordneten Zahlungsausfall zu verhandeln, bei dem sein Verschuldungsgrad auf ein besser zu handhabendes Niveau gebracht würde. Solche Verhandlungen könnten Griechenland aber dazu zwingen, die Eurozone zu verlassen. Das wäre ein logistischer Alptraum, könnte aber auch sein Gutes haben. Durch die Wiedereinführung der Drachme und eine anschließende Währungsabwertung könnte Griechenland seine reale Schuldenlast reduzieren, seine Exporte wettbewerbsfähiger machen, und den Tourismus in Folge der wieder attraktiveren Preise ankurbeln.

Ein Zahlungsausfall ist nicht schön und Abwertungen sind kein Allheilmittel. Aber dieser harte Kurs wäre besser als die Alternative. Deutsche Steuerzahler werden es bald satt haben, weiterhin Milliarden  auszugeben, um Griechenlands Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, und griechische Bürger werden misstrauisch angesichts ständiger Sparpakete ohne Verringerung der Schuldenlast. Falls der politische Wille oder die wirtschaftlichen Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung der Rettungsaktionen plötzlich nicht mehr da wären, könnten die Folgen schwerwiegend sein. Europa muss eine echte Lösung finden.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 1. Juli 2011 auf www.morningstar.com. Bearemy Glaser ist das pessimistische Alter Ego unseres Marktstrategen Jeremy Glaser.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Bearemy Glaser  Bearish markets editor Bearemy Glaser is the worry-prone alter-ego of markets editor Jeremy Glaser. Each week, Bearemy will share what's topping his list of concerns and invites you to reply or add your own in the comments section below.