Hinter den Kulissen der Quartalszahlen

Die Details der Unternehmensberichte werden einiges über die tatsächliche Wirtschaftslage verraten

Bearemy Glaser 14.10.2011
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Zum Start der Berichterstattung über die Geschäftsentwicklung der Unternehmen im dritten Quartal scheint alles erneut auf ansehnliche Zahlen hinzudeuten. Für Investoren wäre das – sofern sich diese Erwartungen erfüllen – ein Lichtblick im bislang allgemein trüben konjunkturellen Umfeld. Allerdings kommt es darauf an, das Kleingedruckte in den Quartalsberichten zu lesen.

Die Entwicklung der Unternehmensgewinne war einer der wenigen echten Positivfaktoren während der konjunkturellen Erholung . Inmitten der Rezession hatten die Unternehmen einen drastischen Sparkurs verfolgt, um die Krise zu überstehen. Als die Nachfrage dann allmählich wieder aus der Talsohle kletterte, stellte sich bei zahlreichen Firmen ein Aha-Erlebnis ein: Die gleiche Zahl von Produkten lässt sich auch mit weniger Beschäftigten fertigen. Warum also neue Mitarbeiter einstellen? Daher ist die Arbeitslosigkeit vor allem in den USA immer noch hoch – wie auch die Gewinnspannen der Unternehmen. Zudem profitieren viele Firmen von der Nachfrage aus den dynamisch wachsenden Schwellenländern. Während die Nachfrage an den entwickelten Märkten stagniert, steigt sie in China, Indien und Lateinamerika.

Aber kann dieser Aufwärtstrend ewig anhalten? Während sich dunkle Wolken über Europa zusammenziehen und man von einem langsameren Wachstum in den Schwellenländern munkelt, steigt auch die Gefahr, dass Unternehmen ihre Ertrags- und Profitabilitätsziele verfehlen. Das wird nicht über Nacht geschehen: Die jüngste Berichtssaison wird  allerdings einige Hinweise auf die wahre Verfassung der Wirtschaft liefern.

Europas Sorgen
Positivmeldungen aus der europäischen Wirtschaft hatten in letzter Zeit Seltenheitswert. Die Staatsschuldenkrise zieht immer weitere Kreise, und die politischen Entscheidungsträger scheinen erst jetzt den Ernst der Lage zu erkennen. Eine einfache Lösung ist so gut wie ausgeschlossen; zu rechnen ist europaweit mit drastischen Sparmaßnahmen und Ausgabenkürzungen. Andererseits exportieren Deutschland und andere große Volkswirtschaften weiterhin in großem Stil in die Schwellenländer, und die Arbeitslosigkeit ist in weiten Teilen Europas unverändert niedrig. Vor allem die Quartalsergebnisse von Unternehmen, die entweder in Europa ansässig sind oder sich stark an den europäischen Märkten engagieren, dürften Hinweise darauf liefern, ob Wirtschaft und Verbraucher mitziehen.

US-Verbraucher
Die Konjunkturnachrichten aus den USA sind zwar nicht halb so schlimm wie in Europa, aber auch nicht gerade rosig. Wenn auch die in der vergangenen Woche veröffentlichten Beschäftigungsdaten etwas besser ausgefallen sind als erwartet, so bedeutet dies noch keine Entspannung am Arbeitsmarkt. Auch der Wohnimmobilienmarkt kommt einfach nicht auf die Beine. Doch der Konsum ist in den USA noch nicht völlig zum Erliegen gekommen; es zeichnet sich sogar eine leichte Verbesserung der Konsumausgaben ab. Von den Gewinnzahlen der Unternehmen wird sich einiges über das Ausgabeverhalten der Verbraucher ablesen lassen: Herrscht Ausgabenfreude, so profitieren die Hersteller im gehobenen Konsumgüterbereich – wird nur das Nötigste gekauft, so schneiden die Anbieter von Basiskonsumgütern gut ab. Leben die Verbraucher sozusagen von der Hand in den Mund oder ermöglichen die verfügbaren Einkommen ungehinderten Konsum? Diese Nuancen gehen mitunter in den aggregierten Daten unter, geben aber aufschlussreiche Hinweise zur Verbraucherzuversicht und zum künftigen Ausgabeverhalten.

Nachfrage aus der Wirtschaft
Die Zuversicht der Wirtschaft ist im Prinzip genauso wichtig wie die der Verbraucher. Erwarten Unternehmen einen starken Nachfragerückgang, dann drosseln sie entsprechend ihre Ausgaben und stellen Expansionspläne zurück. Es sind aber gerade die Investitionen in neue Technologien und der Aufbau der Lager, die die Konjunktur antreiben. Insofern kann die Analyse der Expansions- und Investitionspläne von Unternehmen wertvolle Antworten auf die Frage liefern, an welchem Punkt wir uns im Anlagezyklus befinden.

Emerging Markets
In den letzten Jahren waren vor allem die Schwellenländer entscheidend für die positive Entwicklung vieler Unternehmen. Wenn man anhand der Quartalsberichte in etwa nachvollziehen kann, wie sich Waren aller Art – von Luxushandtaschen bis hin zu Maschinerie – in China und anderswo verkaufen, erlaubt das einen wertvollen Einblick in die wahre Leistung dieser Volkswirtschaften. Sollte die die Nachfrage absehbar ins Stocken geraten, dürfte die Weltwirtschaft in ernste Schwierigkeiten geraten.

Ausblick
Auch wenn das als eine Binsenweisheit erscheint, gilt es im Auge zu behalten, wie viele Unternehmen ihren Ausblick sowohl kurz- als auch langfristig nach unten revidieren werden. In den vergangenen Quartalen haben einige Firmen im Zuge günstigerer Geschäftsaussichten ihre Prognosen für das nachfolgende Quartal und auch den weiteren Jahresverlauf nach oben angepasst. Erst wenn die Geschäftsführungen zu Ausgabenkürzungen greifen oder die Erwartungen nach unten korrigieren, wäre das ein Indiz für eine rückläufige Entwicklung.

Rohstoffpreise
Anfang des Jahres hörte man häufig aus den Management-Etagen, dass die steigenden Rohstoffpreise die Profitabilität aushöhlen, da sie nicht an die Kunden weitergegeben werden könnten. In den letzten paar Monaten sind die Preise einiger der wichtigsten Rohstoffe allerdings gefallen. Es bleibt abzuwarten, ob sich das bereits positiv in den Gewinnzahlen niederschlägt oder ob die Inputkosten weiterhin das Sorgenkind der Geschäftsführungen bleiben.

Die Liquiditätsschwemm
Infolge ihrer Kostensenkungsmaßnahmen während der Krise haben viele Firmen Berge von Cash gehortet. Hier lautet die Gretchenfrage: Was werden sie mit dem Geld machen? Während der Krise galt das Cash-Polster vielen Unternehmensleitungen als Rettungsanker. Die Liquiditätspolster machten sie unabhängig von der Notwendigkeit, kurzfristige Kredite aufzunehmen,  und sie gaben ihnen die Möglichkeit, die die Turbulenzen zu überstehen. Sofern in diesem Quartal davon die Rede sein wird, diese Barreserven für Dividendenzahlungen, Aktienrückkäufe oder Übernahmen zu nutzen, wird das ein klares Zeichen sein, dass man vorerst keine weitere Krise erwartet.

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns folgende Fragen stellen: Was erwarte ich von den Gewinnzahlen für das dritte Quartal? Kann ich davon ausgehen, dass die Unternehmen überwiegend die Erwartungen erfüllen werden oder werden manche das Klassenziel nicht erreichen? Gibt es Branchen, die man genau im Auge behalten sollte? Es bleibt spannend.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Bearemy Glaser  Bearish markets editor Bearemy Glaser is the worry-prone alter-ego of markets editor Jeremy Glaser. Each week, Bearemy will share what's topping his list of concerns and invites you to reply or add your own in the comments section below.