Bei deutschen Fondshäusern ist Schmalhans Küchenmeister

Hohe Abflüsse bei den großen deutschen Anbietern 2011 zeigen Schwächen im Vertrieb

Ali Masarwah 07.02.2012
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Wenn der Investment-Verband BVI am heutigen Dienstag Bilanz für das abgelaufene Jahr zieht, dann werden sich die Ergebnisse wenig vom Bild der gesamten europäischen Fondsbranche abheben: Das Jahr 2011 ist ausnehmend schlecht für die Fondsbranche gelaufen (lesen Sie mehr zum paneuropäischen Vertrieb 2011 hier). Das lässt sich an den Absatzzahlen der vier großen Anbieter Allianz Global Investors, Deka, DWS und Union Investment ablesen, die es zusammen auf rund 70% des in Publikumsfonds investierten Vermögens in Deutschland bringen.

Wie unsere Absatzschätzungen für das Jahr 2011 zeigen, mussten alle vier Anbieter hohe Abflüsse aus ihren Publikumsfonds (ohne Dachfonds) hinnehmen. Vor allem der Vertrieb der Sparkassentochter Deka schwächelte. Mit Nettomittelabflüssen von 8,22 Milliarden Euro aus ihren Wertpapierfonds belegte die Deka unter den großen vier den letzten Platz. Es folgen AGI mit 3,4 Milliarden Euro an Abflüssen und Union Investment und die DWS mit 2,94 beziehungsweises 2,33 Milliarden Euro.

Gemessen am Fondsvermögen zum Jahresanfang 2011 haben alle Anbieter mehr oder weniger an Substanz verloren: Zwischen 1,24% (DWS) und 10,48% (Deka) lag die Quote der Nettoabgänge gemessen am verwalteten Vermögen per Anfang 2011.

Besonders auffällig wird die Vertriebsschwäche der deutschen Fondshäuser, wenn man sich die gesamteuropäische Vertriebslandschaft des vergangenen Jahres vergegenwärtigt: US-amerikanische Asset Manager dominieren den Vertrieb von Investmentfonds in Europa. Wie aus der Tabelle der Anbieter mit den höchsten Nettomittelzuflüsse europaweit hervorgeht, führt Franklin Templeton mit einem Nettoabsatz von 13,61 Milliarden Euro das Ranking des paneuropäischen Fondsvertriebs an, gefolgt von JPMorgan Asset Management (10,84 Milliarden Euro) BNY Mellon (10,79 Milliarden Euro), Pimco (9,27 Milliarden Euro) und BlackRock (8,45 Milliarden Euro).

Apropos Pimco: Die heute weitgehend selbstständig von der AGI im Vertrieb agierende Allianz-Tochter besitzt seit 2012 mit der Pimco Deutschland GmbH eine Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Finanzportfolioverwaltung, Anlageberatung, sowie zur Anlage- und Abschlussvermittlung.

Blickt man auf die einzelnen Fondskategorien, in denen die US-Häuser im Vertrieb in Europa geglänzt haben, dann wird deutlich, woran es bei den deutschen Häusern hapert: an global investierenden, flexible Anleihefonds, sowohl für Staatsanleihen als auch für Unternehmensschuldtitel. Diese Produkte standen bei den US-Asset-Managern (und bei den europäischen Kunden) im Vertriebsfokus. Um nur einige Beispiele zu nennen: Fonds wie der Templeton Global Total Return, Templeton Global Bond, Newton Real Return, Pimco GIS Global Investment Grade Credit oder der Pimco GIS Unconstrained Bond konnten jeweils zwischen 1,4 Milliarden und 6,31 Milliarden Euro netto an Anlegergeldern einsammeln.

Auch auf der Aktienseite stachen die Amerikaner die deutschen Häuser ausgerechnet in der Kategorie aus, in der die deutschen Fondshäuser traditionell viele Produkte anbieten: bei global investierenden Aktienfonds. Die fünf US-Häuser sammelten in Produkten der Morningstar-Kategorie Global Large Cap Equity Blend 2,73 Milliarden Euro 2011 ein, verglichen mit Nettomitteabflüssen in Höhe von 960 Millionen Euro aus den globalen Fonds der deutschen Häuser. Selbst auf ihrer ureigenen Spielwiese, bei deutschen Aktienfonds für Standardwerte, mussten AGI, Deka, DWS und Union per Saldo Abflüsse hinnehmen.

Die deutschen Fondsanbieter haben 2011 natürlich auch von einzelnen Wachstumsbereichen profitiert. Als nachhaltig positiver Trend sind vor allem die Zuflüsse in Fonds auszumachen, die als Vehikel für die Altersvorsorge fungieren. Hier stechen vor allem die Garantiefonds der DWS, etwa die Reihe DWS Flex Pension, hervor. Der DWS FlexPension II 2026 etwa war mit Nettomittelzuflüssen von 1,1 Milliarden Euro das am stärksten nachgefragte Produkt der deutschen Fondsanbieter 2011. Auch Fonds, die Bestandteil der Riester-Rente sind, konnten 2011 stark zulegen, etwa der UniEuroRenta von Union Investment, der DWS Vorsorge Rentenfonds XL Duration und der DWS Vorsorge Rentenfonds, die 800 Millionen beziehungsweise 560 Millionen und 360 Millionen Euro an Nettoneugeldern sahen.

Bei den langfristigen Anlagevehikeln, also den Fonds ohne Geldmarktprodukte und andere Kurzfristanlagen, ist das Bild bei den deutschen Fondshäusern eher diffus und von Einzelstories beziehungsweise Themen getrieben. Zu den erfolgreichen Einzelstories zählen mittlere bis hohe dreistellige Millionen-Euro-Zuflüsse in bewährte Fonds, etwa in den DWS Deutschland, Allianz RCM Europe Equity Growth oder den DWS Top Dividende.

Zu den eher themenorientierten Absatzstories 2011 zählen Fonds wie der UniGarantPlus Erneuerbare Energien, Allianz RCM Reale Werte oder DWS Renten Direkt 2015, die mit Nettomittelzuflüssen von jeweils zwischen 220 und 260 Millionen Euro einen ordentlichen Absatz erzielten.

Hinweis: Morningstar schätzt die Daten zum Absatzgeschäft der Fondsindustrie in Europa auf monatlicher Basis. Wir wenden folgende Methodologie an: Es werden - kurz gesagt - die Volumina der in Europa zugelassenen Fonds zum Ende des jeweiligen Monats mit ihrem Volumen zum Monatsanfang abgeglichen. Die Residualgröße, die sich nicht auf die Performance-Entwicklung zurückführen lässt, stellt die (positive oder negative) Nettoabsatzleistung des jeweiligen Fonds dar. Die aggregierten Morningstar-Daten geben zuverlässig und sehr zeitnah die Absatztrends in Europa wider, können sich aber von den offiziellen Daten der nationalen europäischen Fondsverbände und der europäischen Fondsvereinigung Efama unterscheiden. Unterschiede basieren im wesentlichen darauf, dass unser Schätzverfahren durch die Dynamik der Zuflüsse innerhalb eines Monats beeinflusst werden kann. Darüber hinaus unterscheiden sich unsere Fondskategorien von denen der Fondsindustrie; auch der unterschiedliche Umgang mit institutionellen Fondstranchen, die wir vorwiegend nicht in der Publikumsfondsstatistik erfassen, kann zu Abweichungen zu den endgültigen Fondsstatistiken der Fondsindustrie führen. Zuletzt enthalten die in diesem Artikel erwähnten Zahlen – soweit nicht explizit gekennzeichnet – keine Absatzdaten zu Dachfonds.

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich