Die Fondsindustrie: Eine Welt der Mythen und Legenden

Teil I: Sind Märkte ineffizient? Was Anleger über Dichtung und Wahrheit der Vermögensverwalter wissen sollten.

Ali Masarwah 05.04.2012
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Es gibt drei Arten von Anlegern: solche, die nicht wissen, wohin die Börsen tendieren werden, solche, die nicht wissen, dass sie das nicht wissen und schlussendlich gibt es noch die Anlageprofis. Letztere wissen, dass sie nichts wissen, tun aber so, als könnten sie die Richtung der Märkte prognostizieren. Dieses Bonmot von William J. Bernstein, Asset-Allocation-Experte, Buchautor und Kolumnist, zeigt, dass es Sinn macht, häufig bemühte Thesen aus der Asset-Management-Industrie zu hinterfragen. Angesichts der mannigfaltigen Marketing-Botschaften der Fondsbranche ist das eine lohnenswerte Übung.

Wir starten heute eine Serie, die in lockerer Folge einige scheinbar feststehende Wahrheiten der Asset Manager unter die Lupe nimmt. Der erste Teil handelt von der häufig vernommenen These, wonach aktive Fondsmanager regelmäßig Marktineffizienzen ausnutzen, um so eine bessere Rendite zu erzielen als der Markt, in dem sie sich bewegen. Doch stimmt das überhaupt? Sind Märkte ineffizient? Und wer sind sie eigentlich: die Märkte?

Bevor wir uns der These von der Marktineffizienz widmen, stelle ich Ihnen eine einfache Frage:

Welche Formulierung klingt besser:

„Langfristig wird der Fonds X mit einem geringeren Risiko eine bessere Rendite erzielen als der breite Markt“.

Oder:

„In einer Phase steigender/fallender Kurse erwirtschaftet der Fonds im Markt X eine angemessene Risikoprämie“.

Mit Sicherheit kennen Sie als Anleger die erste Behauptung aus der Werbung oder den Fondsberichten. Sie klingt, zugegebenermaßen, verlockend. Der zweite Satz, der ungleich komplexer ist, ist dagegen frei erfunden. Sie werden ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nie aus dem Munde eines Fondsprofis vernommen haben. Das ist bedauerlich, denn er ist mit Sicherheit die ehrlichere Variante für die Beschreibung der Fähigkeiten der allermeisten aktiven Fondsmanager.

Die Wahrheit ist, dass es die wenigsten Fondsprofis schaffen, über längere Zeiträume den Markt, in dem sie agieren, regelmäßig zu schlagen. Das gilt für alle Asset-Klassen: Aktien, Renten, Rohstoffe und andere. Und natürlich, bzw. erst Recht, für Mischfonds, die aktiv zwischen verschiedenen Asset-Klassen umschichten. Wiederholte Studien haben gezeigt, dass die meisten aktiven Fonds nicht in der Lage sind, über die Zeit besser als eine adäquate Benchmark abzuschneiden (Sie finden auf unserer Website entsprechende Berichte, zuletzt zu internationalen Aktienfonds, oder flexiblen Mischfonds).

Die Frage, ob Fonds in der Lage sind, besser abzuschneiden als ihre Märkte, ist seit Jahrzehnten auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Konsensmeinung, die sich in der Finanzwissenschaft inzwischen etabliert hat, ist, dass Kapitalmärkte mitnichten ineffizient sind. Im Gegenteil: es spricht alles dafür, dass sie in höchstem Maße effizient sind. Kurz gesagt: Der Markt hat immer Recht. Natürlich nicht in dem Sinne, dass der heutige, vom Aktienkurs abgebildete Unternehmenswert dem tatsächlichen diskontierten Wert aller künftigen Cashflows einer Firma entsprechen muss. Sie sind allerdings in dem Sinne effizient, dass in den Kursen bereits alle öffentlich zugänglichen Informationen enthalten sind. Das bedeutet, dass Fondsmanager auf Basis derselben Informationen handeln wie alle anderen Marktteilnehmer auch (sofern sie nicht über illegale Insiderinformationen verfügen, wovon in aller Regel auszugehen ist).

Die in aller Regel effizienten Märkte bieten also den selbst ernannten Alpha-Fondsmanagern sehr geringe Spielräume. Burton Malkiel, Autor des Klassikers „A Random Walk down Wall Street” benennt zwei wichtige Merkmale effizienter Markte: in ihnen werden zum einen alle neuen, öffentlich zugänglichen Informationen in den Kursen akkurat widergespiegelt. Zum anderen können Anleger an den Kapitalmärkten nicht überdurchschnittliche Erträge erzielen, ohne überdurchschnittliche Risiken einzugehen. „Vermeintliche Anomalien an den Märkten haben sich in der Vergangenheit entweder als Illusion erwiesen, oder aber sie waren die Prämie für ein möglicherweise nicht erkanntes Risiko, das man auch als Tail-Risk beschreibt“, sagt Bernd Scherer, ehemaliger Professor der Elite-Universität EDHEC und heute Partner der Asset-Management-Firma FTC.

Doch selbst für den Fall, dass man von der Existenz von Anomalien oder unregelmäßigen Mustern an den Märkten ausgeht, die Opportunitäten liefern, stellt sich als nächstes die Frage, ob Anleger, egal, ob sie Profis oder private Investoren sind, überhaupt in der Lage sind, diese statistischen Phänomene in Performance umzumünzen. Denn zum einen sind die vorhandenen Chancen an den Märkten, in der Fachsprache auch Alpha-Quellen genannt, begrenzt. Anders gesagt: Ein Alpha ist wegen der großen Zahl an Akteuren, die aufgrund der rapiden Verbreitung und Verarbeitung von neuen Informationen die Chancen gleichermaßen nutzen, ein sehr seltenes weil flüchtiges Gut. Auf die Spitze treiben es die so genannten Algo-Trader: Diese Computersysteme sind darauf angelegt, systematisch und innerhalb von Millisekunden, Ineffizienzen an den Märkten aufzuspüren und in Gewinne umzumünzen. Es ist allerdings fraglich, ob derartige Handelssysteme in der Summe für den Anleger mehr als Kosten produzieren. Das bringt uns zum zweiten Punkt: Die Handelskosten, die zur Erschließung von Alpha-Quellen nötig wären, sind in der Regel zu hoch. Somit wird aus einer statistischen Möglichkeit in der Praxis häufig ein unpraktikables Gedankenspielchen.

Die Puristen unter den Verfechtern der Theorie der effizienten Märkte sind der Meinung – Sie werden es erahnt haben -, dass keiner konsistent treffsichere Prognosen über die Richtung der Kapitalmärkte abgeben kann. Genauso unmöglich ist es, zuverlässig die Frage nach der relativen Attraktivität eines Wertpapiers zu beantworten. Das ergibt, dass niemand in der Lage ist, den Markt dauerhaft zu übertreffen, ohne übermäßige Risiken einzugehen. Auch Fondsmanager sind dazu nicht in der Lage, was an sich auch logisch ist: Denn sie stellen zusammen mit den anderen Akteuren in der Summe den Markt dar. Und der kann sich bekanntlich nicht selbst übertreffen.

Sind Fonds also irrelevant oder sogar schädlich, weil sie für Anleger nicht nur keine Überrenditen erzielen können, sondern im Durchschnitt weniger abwerfen als die Märkte (Markt-Performance minus Kosten)? Das wäre vermessen. Denn - wir kommen auf den eingangs zitierten Satz zurück: Fonds können durchaus Prämien abschöpfen, die Anlegern als Ausgleich für eingegangene Risiken winken. Und sie verschaffen Anlegern einen systematischen Zugang zu den verschiedensten Risikoquellen. Diese Vorzüge werden indes leider so gut wie nie von den Managern aktiver Fonds hervorgehoben.

Folgt man der Erkenntnis der Verfechter der Effizienten-Märkte-Theorie, und dafür spricht einiges, erscheinen die vermeintlich „todsicheren” Tipps für erfolgreiche Börsenstrategie in einem andern, höchst ungünstigen Licht. Kein Wunder also, dass viele Experten unumwunden Indexanlagen als einzig sinnvolle Lösung für Anleger propagieren. Denn sie sind in der Lage, kostengünstig Risikoprämien für einen (immer bunter werdenden) Strauß an Kapitalmärkten zu liefern. So lautet entsprechend auch das Plädoyer von William Bernstein in seinem lesenswerten Buch „Die intelligente Asset Allocation”: „Die vernünftigste Art zu investieren besteht darin, passiv gemanagte Instrumente mit niedrigen Kosten auszuwählen, also Indexfonds”. Auch das Research von Morningstar hat wiederholt gezeigt, dass die Fondskosten einen der zuverlässigsten Prognosefaktoren für die relative Performance eines Fonds darstellen (lesen Sie hier weiter).

Doch so weit sind wir nicht: Schließlich sind Indexfonds, hierzulande überwiegend im Gewand von ETFs vertreten, längst zum Teil der Fondsindustrie geworden. Es gibt heute Strategie-ETFs, aktive ETFs und andere mannigfaltige Formen von Indexanlagen, die immer weniger mit dem ursprünglichen Indexkonzept zu tun haben: die Leistung einer Volkswirtschaft (marktkapitalisierungsgewichtet) zu messen. Entsprechend müssen wir auch die ureigenen Mythen der ETF-Industrie in unsere Betrachtung der Legenden der Vermögensverwaltungsindustrie miteinbeziehen. Fortsetzung folgt.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich