ETF-Branche im Sommermodus?

Die Erfolgsmeldungen der Indexfondsanbieter speisen sich nicht mehr aus einer lupenreinen Wachstumsstory/ETF Times, die wöchentliche Morningstar ETF-Kolumne.

Ali Masarwah 06.07.2012
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Willkommen zur neuen Ausgabe der ETF Times! In unserer wöchentlichen Publikation für Deutschland, Österreich und die Schweiz diskutieren wir die Highlights der ETF-Märkte. Wir stellen die Gewinner und Verlierer unter den in Europa gelisteten ETFs vor und geben einen Überblick über die europaweit neugelisteten Indexprodukte.


ETF Markt


Wir haben in der Ausgabe der ETF Times der vergangenen Woche von der kontinuierlichen Flut neuer Indizes am Markt berichtet (lesen Sie hier weiter). Bei den Anbietern hat dagegen die Vielfalt abgenommen. Die heutige Ausgabe macht mit der Meldung auf, dass die Indexfamilien von Standard & Poor's (S&P) und Dow Jones künftig unter einem Dach berechnet werden. Der im November 2011 angekündigte Deal zwischen McGraw-Hill und CME Group wurde also nunmehr abgeschlossen. Das neue Joint Venture S&P Dow Jones wird künftig mehr als 830.000 Indizes berechnen. Ob infolge der Konsolidierung der neue Player seine Preisvorstellungen am Markt bzw. gegenüber ETF-Anbietern, die als Lizenznehmer auftreten, besser wird durchsetzen können, oder ob sich nunmehr ein Preiskampf mit MSCI und STOXX entwickelt, bleibt abzuwarten. Für Anleger wäre letzteres Szenario durchaus willkommen, vorausgesetzt, die ETF-Anbieter würden etwaige Preissenkungen bei den Lizenzgebühren auch weitergeben!


Wer also die These aufstellt, der ETF-Markt mit seinen europaweit rund 2.000 Produkten sei unübersichtlich, der wisse, dass es Steigerungsmöglichkeiten gibt! Was freilich nicht bedeutet, dass die Wachstums-Story der ETF-Branche intakt ist: Auf den „Regulierungsschock“ des vergangenen Jahres, als Institutionen wie IWF, BIZ oder Bank of England ETFs als vermeintliche Quelle systemischer Risiken ausmachten, folgte die Eskalation der Eurokrise im 2. Halbjahr. Das hat der erfolgsverwöhnten ETF-Branche einen Dämpfer verpasst. Auch in diesem Jahr stagniert der ETF-Markt in Europa, was nicht nur auf die Konsolidierung am Aktienmarkt im 2. Quartal zurückgeht, sondern auf die merklich schwächeren Nettomittelzuflüsse. 


Dennoch gibt sich die ETF-Branche zuversichtlich. Erst am gestrigen Donnerstag vermeldete der Vermögensverwalter BlackRock, zu dem auch ETF-Marktführer iShares gehört, die globale ETF-Industrie habe im ersten Halbjahr Zuflüsse „in noch nie dagewesener Höhe“ verbucht. Seit Jahresbeginn hätten Indexprodukte 105 Milliarden US-Dollar an Nettoneugeldern angelockt, ein Plus von 16% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Wer allerdings das Wachstum in Europa sucht, muss der Statistik schon fast mit der Lupe zuleibe rücken. Nur 7,4 Milliarden US-Dollar flossen im ersten Halbjahr laut BlackRock ETFs in Europa zu, die vorwiegend in Bond-Produkte investiert wurden. Mit Blick auf das verwaltete Vermögen tritt die Branche sogar seit 2010 auf der Stelle, wie unsere Grafik zum verwalteten Vermögen per Ende Mai zeigt.


Grafik: Wachstumsdelle beim verwalteten Vermögen in ETFs




Interessant ist in diesem Zusammenhang die Häufung von Meldungen über die Liquidierung von ETFs. Das geschieht nicht immer so spektakulär wie bei der spanischen BBVA, die bis Februar 2012 rund 70% ihres ETF-Angebots vom spanischen Markt genommen hatte. Etliche Anbieter dünnen vielmehr still, klamm und heimlich ihre Produktpaletten aus: ETF Securities, Marktführer für Rohstoff-Produkte, hat jüngst etliche Aktienprodukte vom Markt genommen, EasyETF wird in den kommenden Tagen den EasyETF iTraxx Crossover und EasyETF iTraxx Europe HiVol vom Markt nehmen, nachdem bereits vor wenigen Wochen 2 Rohstoff-ETF vom Markt genommen wurden. Auch bei Source wurde im Frühjahr das Rohstoff-Sortiment um 3 Produkte verkleinert. 


Wir wollen uns an dieser Stelle nicht an den Spekulationen beteiligen, ob dem ETF-Markt unmittelbar eine Konsolidierung bevorsteht, wie die Medien, Marktbeobachter und auch Marktteilnehmer (die allerdings in der Regel Vertreter der großen Anbieter sind) mantraartig wiederholen. Die Signale sind dafür nicht eindeutig genug. Etliche vermeintliche Konsolidierungswellen entpuppen sich als generisch (BBVA, DVG-ETFs und Unico-ETF in Deutschland) oder regulatorisch bedingt (Liquidierung von Swap-ETFs in Hongkong). 


Auch auf der Produktebene ist das Bild unklar. Auch wenn das meiste Geld nach wie vor in den großen Indexprodukten steckt, gilt nicht uneingeschränkt der Leitsatz, wonach nur ETFs auf Standardindizes die nötige Größe an den Tag legen werden, um sich nachhaltig zu behaupten. In diesem Jahr mussten vielmehr etliche große ETFs kräftig Federn lassen, wie etwa die Aktien-ETFs iShares Dax, db x-trackers MSCI Emerging Markets, iShares Euro Stoxx 50 und CS ETF on SMI. 


Den hohen Abflüssen aus diesen Fonds standen in diesem Jahr dreistellige-Millionen-Euro-Summen an Zuflüssen in einigen Nischenprodukten gegenüber, etwa beim Source Nomura Voltage Mid-Term und Man GLG Europe Plus Source ETF. Auch in der Nische lässt sich also Geld verdienen – vorausgesetzt, man hat sich diese vorher mit Bedacht ausgesucht, was sich nicht jeder ETF-Produktmanager auf die Fahnen schreiben kann. Einige Beobachter attestieren der ETF-Branche vielmehr Phantasielosigkeit und einen erstaunlichen Hang, vor allem auf so genannte Me-too-Produkte zu setzen. 


Eine interessante These stellt diesbezüglich ein aktuelles Research-Paper von Alliance Berstein auf: Es sei ein Fehlschluss zu behaupten, dass jeder Dollar, der in ETFs investiert wird, auf Kosten von aktiv verwalteten Fonds gehe. Vielmehr hätten vor allem herkömmliche Indexfonds unter dem Wachstum der ETF-Branche zu leiden. Ein weiterer Faktor, der ETFs begünstige, sei die Tatsache, dass Privatanleger, die früher in Aktien investierten, nunmehr ETFs handeln würden. Die Alliance-Bernstein-Analysten geben sich ebenfalls skeptisch über die Wachstumsaussichten von aktiven ETFs: Hier lägen die typischen Vorteile von ETFs - Transparenz und günstige Kosten - keinesfalls auf der Hand. Interessanterweise hegen nicht nur Vertreter der aktiven Fondsindustrie derartige Vermutungen. Auch in der ETF-Branche finden sich etliche Kritiker von aktiven ETFs: Derartige Produkte seien intransparent und deutlich teurer als klassische ETFs, so die gängigen Vorbehalte.


Neuemissionen und cross listings


Parallel zum Teilrückzug von ETF Securities von der Aktienseite des ETF-Markts wollen die Briten offenbar ihre Stärken im Rohstoffmarkt europaweit stärker ausspielen: 18 ETCs wurden an der Borsa Italiana in dieser Woche gelistet, die allesamt Währungsrisiken für Euro-Investoren absichern. Der Hedge soll auf täglicher Basis vorgenommen werden, um die Performance des zugrunde liegenden Rohstoffs (abzüglich Absicherungskosten) widerzuspiegeln.




db x-trackers hat ebenfalls an der Börsa Italiana einen ETF gelistet, der den MSCI Japan abbildet. Im Gegensatz zum bereits existierenden Produkt auf den japanischen Standardwerte-Index sichert das neue Angebot in Mailand das Währungsrisiko für Euro-Investoren ab. 




Unterdessen haben Pimco und Source für Anleger im „Risk-off“-Modus einen ETF auf deutsche Staatsanleihen aufgelegt und in Frankfurt listen lassen. Der PIMCO German Government Bond Index Source ETF bildet den Markit iBoxx € Germany Index ab. Er bietet Anlegern ein physisches Investment in deutsche Staatsanleihen und geht keine Wertpapierleihe ein. Investiert wird in Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von mindestens einem Jahr und einem ausstehenden Volumen von mindestens 2 Milliarden Euro. 




Gewinner und Verlierer 


Im Gegensatz zur sonstigen Praxis werden wir an dieser Stelle keine Wochen-, sondern eine Quartalsbilanz zum 30. Juni ziehen. Bei den Gewinnern des zweiten Quartals stechen Gas-ETCs hervor: Die beiden RBS-Produkte auf den S&P GSCI Natural Gas bzw den RICI Enhanced Natural Gas konnten mit einem Plus von 26,3 bzw 17,32% das Performance-Ranking für die Zeit zwischen April und Juni anführen. Allerdings zeigt die Spalte weiter rechts für Halbjahres-Performance eine tiefrote Bilanz, die den Verfall des Gaspreises in den ersten 3 Monaten des Jahres reflektiert. Auch Telekommunikationswerte und Immobilien-Aktien zählten im abgelaufenen Quartal zu den Gewinnern und konnte auch über die gesamten ersten sechs Monate des Jahres kräftig zulegen. 





Auf der Verliererseite standen im zweiten Quartal vor allem ETFs mit Schwerpunkt griechische und brasilianische Aktien sowie ETCs mit Anlageschwerpunkt Energie bzw Öl. Auch ETFs, die in Finanztitel investieren, mussten kräftige Verluste im zweiten Quartal verzeichnen.  




Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich