Nachhaltigkeitsfonds kommen in Europa immer mehr in Mode

Anzahl neuer Nachhaltigkeitsfonds 2016 bereits Anfang Dezember über Zahl der Neuauflagen der Vorjahre. Insbesondere Indexfonds auf dem Vormarsch. Ein Blick auf die ESG-Neuemissionen am europäischen Markt für gemanagte Produkte.

Ali Masarwah 19.12.2016
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Beim Thema Nachhaltigkeits-Investments klafft eine recht große Lücke zwischen der Aufmerksamkeit, die diesem Thema von Anlegern und Medien gewidmet wird, und der Auswahl an Nachhaltigkeitsfonds, die Anlegern in Europa zur Verfügung steht. Nach unseren Zahlen befinden sich 2.096 gemanagte Investment-Produkte mit Nachhaltigkeitsmandat am europäischen Fondsmarkt, was einem Anteil von gerade einmal 3,5 Prozent der in Europa domizilierten Produkte entspricht. Wir haben in diesem Jahr unser Nachhaltigkeits-Research für Fonds lanciert, mit dem wir den gesamten Fondsmarkt auf sein Nachhaltigkeits-Profil abklopfen. Damit analysieren wir also auch Fonds ohne Nachhaltigkeitsmandat (die „übrigen“ 96,5 Prozent) und schaffen somit mehr Transparenz für Investoren, die mehr über das Nachhaltigkeitsprofil konventioneller Fonds wissen wollen. (lesen Sie hier mehr

Wir starten heute ein quartalsregelmäßiges Artikel-Format, in dem wir die neuen ESG-Produkte am Markt in Europa unter die Lupe nehmen. Mit welchen Produkten erschließen Fondsanbieter den Markt? Wer sind die neuen Akteure und womit reüssieren sie? Welche Asset-Klassen werden abgedeckt? Welche Rolle spielen Indexfonds im ESG-Fondsmarkt? Wie viel Geld wurde in diesen Produkten eingesammelt? Wir machen den Start mit einer Übersicht über das abgelaufene Jahr. Künftig werden wir 2-3 Wochen nach dem jeweiligen Quartalsende eine Übersicht über das abgelaufene Quartal liefern. 

Wie aus unseren Daten hervorgeht, wurden in diesem Jahr (per 2. Dezember) europaweit 101 neue ESG-Fonds aufgelegt. Im Gesamtjahr 2015 waren es 96; 2014 kamen 92 gemanagte ESG-Produkte auf den europäischen Fondsmarkt. Die Zahl der Neuauflagen ist also in diesem Jahr gegenüber den Vorjahren gestiegen. Das gilt nicht nur für die absoluten Zahlen. In diesem Jahr waren 3,6 Prozent der europaweit aufgelegten Fonds ESG-Produkte. 2014 und 2015 machten neue ESG-Fonds nur jeweils 2,5 Prozent aller Neuauflagen aus. 

Per Ende November waren in den neuen Fonds 6,49 Milliarden Euro investiert. Das entspricht einem Durchschnitt von 67,6 Millionen Euro pro Fonds. Im Jahr 2014 belief sich das in neuen ESG-Fonds investierte Vermögen per Ende des Auflagejahres auf 3,95 Milliarden, was 44,84 Millionen Euro pro Fonds waren. Per Ende Dezember 2015 steckten 7,19 Milliarden Euro in den 2015 aufgelegten Fonds angelegt; der Durchschnitt lag mit 77,3 Millionen Euro deutlich über dem Niveau der Jahre 2016 und erst recht 2014. 

2016 unter der Lupe: Asset-Klassen und Anbieter 

Blicken wir nun auf die Details der Neuauflagen dieses Jahres. 60 der 101 neuen Fonds waren Aktienprodukte, jeweils 18 Renten- und Mischfonds erblickten 2016 erstmalig das Licht der Welt sowie vier Laufzeitfonds und ein Immobilienfonds. (Die größten 20 Produkte per Ende November finden Sie am Ende dieser Umschau.). 

Grundsätzlich handelt es sich bei ESG-Fonds um ein Aktien-lastiges Segment – rund 55 Prozent aller ESG-Fonds am europäischen Fondsmarkt sind Aktienprodukte. Dagegen machen alle Aktienfonds nur etwa rund 36 Prozent des europäischen Markts aus. Die Bestandszahlen werden in etwa vom Anteil der Neuemissionen widergespiegelt: Während Aktienfonds insgesamt rund 30 Prozent der neuen Investmentprodukte in Europa ausmachen, schwankte der Anteil neuer ESG-Aktienprodukte an allen neuen ESG-Fonds in den vergangenen Jahren um die 50 Prozent. 

Eine Erklärung für diese Diskrepanz dürfte in der längeren Historie von „Grünen“-Aktieninvestments und der damit verbundenen Vielfalt an Aktien-Benchmarks begründet sein. Der Bondmarkt ist dagegen deutlich komplexer, was sich auch in der Kalkulation von Benchmarks niederschlägt. Zudem wurde das Thema „Green Bonds“ erst in diesem Jahrtausend von der Investment-Industrie entdeckt. Nur rund 17 Prozent aller Nachhaltigkeitsfonds in Europa sind Rentenprodukte. Diese Unwucht wird auch anhand unserer aktuellen Emissionsübersicht deutlich.    

Dennoch fällt auf, dass der Aktien-Anteil bei den neuen ESG-Fonds in diesem Jahr recht hoch ist, auch im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Der Grund für die wachsende Beliebtheit von Aktienstrategien ist angesichts der hohen Abflüsse aus Aktienfonds in diesem Jahr in gewisser Weise kontraintuitiv. Eine Erklärung ist der Umstand, dass in diesem Jahr überproportional viele ESG-Indexfonds auf den Markt gebracht wurden. Bei passiven Produkte dominieren wiederum Aktienfonds. Bond-Indexfonds mit ESG-Fokus sind nach wie vor eine absolute Ausnahme am Markt: Nur ein Bond-ESG-ETF wurde heuer auf den Markt gebracht, während 28 Aktien-Indexfonds 2016 auf den Markt kamen. 

Tabelle: Übersicht der neuen ESG-Fonds am Markt

Esg new funds overview 

Kommen wir zu den neuen ESG-Indexfonds. Von den 29 Produkten waren nur neun ETFs; beim Gros der Indexfonds handelt es sich also um nicht-börsennotierte Produkte. Im Gegensatz zum Indexfondsmarkt in Deutschland, der, zumindest bei Publikumsfonds, von ETFs dominiert wird, sind im übrigen Europa, vor allem in der Schweiz und Großbritannien, nicht-börsennotierte Indexfonds im Retail-Geschäft gang und gäbe. 

Auffällig ist, dass Indexfonds zwei große Fondskategorien dominieren. Alle fünf neu aufgelegten Schwellenländer-Aktienfonds sind Indexprodukte, und unter den sechs USA-Standardwertefonds sind es deren fünf. Die Dominanz von Indexansätzen bei Schwellenländer-Aktien muss nicht zwangsläufig als Teil der rasanten Übernahme der Vermögensverwaltungsindustrie gedeutet werden. Es bietet sich auch der Erklärungsansatz an, dass Anlegern zunehmend bewusst wird, dass gerade bei Schwellenländern Nachhaltigkeitsfaktoren ein wichtiger qualitativer Filter bei der Unternehmensauswahl darstellen und die Indexfondsbranche, die nach wie vor Standardindizes abbildet, hier einen großen Nachholbedarf hat. 

Blicken wir nun auf die Märkte, auf denen diese Produkte vertrieben werden. Dies ist ein schwieriges Unterfangen, da viele Produkte pan-europäisch oder sogar global vertrieben werden – europäische Fonds bzw. UCITS haben sich inzwischen zum Exportschlager entwickelt, die auch in Asien, Afrika oder Lateinamerika vertrieben werden. Insofern erweist sich die Zuordnung von grenzüberschreitend vertriebenen Produkten zu Anlegerdomizilen als große Herausforderung. 

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht überraschend, dass international vertriebene Fonds mit 26 neuen Produkten die wichtigste Vertriebsregion darstellt, gefolgt von 15 pan-europäisch vertriebenen Fonds. Erstaunlich ist allerdings die große Anzahl an lokal vertriebenen Fonds. Hier stechen die elf Produkte heraus, die nur in Frankreich vertrieben werden. Neun neue Fonds legen den Vertriebsfokus auf den deutschen Markt, gefolgt von dänischen, norwegischen und Schweizer Fonds.

Kommen wir zur aggregierten Sicht nach den Anbietern neuer ESG-Fonds. Wie aus der unteren Tabelle hervorgeht, findet sich der französische Anbieter BNP Paribas mit 2,8 Milliarden Euro, die in 19 neuen ESG-Fonds investiert sind, ganz weit vorn. Die meisten dieser Fonds, vor allem die ETFs, die unter dem „Easy“ Logo firmieren, werden pan-europäisch vertrieben; nur eine Hand voll BNP-Fonds ist dem Heimatmarkt Frankreich vorbehalten.   

Tabelle: BNP Paribas lanciert ESG-Indexoffensive

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Dabei legt BNP Paribas bei ESG ETFs den Fokus auf Produkte, die MSCI Indizes abbilden, die Hersteller geächteter Waffen ausschließen (B-, C-Waffen, bestimmte Typen von Minen sowie Streubomben usw.). Dieser Ausschluss umfasst also nur einen recht kleinen Kreis an Unternehmen aus den marktbreiten Standardwerte-Universen. Allerdings ist diese Einschränkung für institutionelle Investoren attraktiv: Per Ende November waren bereits rund 2,2 Milliarden Euro in diesen neuen ESG ETFs von BNP Paribas investiert. Insgesamt liegt das Haus mit Blick auf das verwaltete Vermögen in den neuen ESG Produkten mit 2,8 Milliarden Euro per Ende November an der Spitze der ESG-Fonds-Emittenten. 

Mit gebührendem Abstand folgt Nykredit Asset Management, ein Fondsanbieter aus Dänemark, der mit seinen Produkten den heimischen Markt bedient. In diesen Fonds waren per Ende November knapp 400 Millionen Euro investiert. 

Der globale ETF-Marktführer iShares brachte drei Aktien-ETFs auf den Markt, die SRI-Indizes von MSCI für USA, Emerging Markets und Japan abbilden, sowie einen Bond-ETF. Alle Produkte werden pan-Europäisch vertrieben. Beim iShares Euro Corporate Bond Sustainability Screened 0-3 years ETF handelt es sich übrigens um den einzigen neuen ESG Bond-ETF am europäischen Markt in diesem Jahr. Das Vermögen von 310 Millionen Euro deutet an, dass das Interesse von Anlegern an Renten-ETFs mit Nachhaltigkeitsprofil durchaus vorhanden ist. (Das aktiv verwaltete Schwester-Produkt, der BSF Sustainable Euro Bond, der unter dem BlackRock Label aufgelegt wurde, brachte es per Ende November indes nur auf ein Vermögen von knapp 30 Millionen Euro). 

Nach Anzahl neuer Fonds fällt Candriam auf, ein Anbieter, der neben herkömmlichen Aktien-, Renten-, Alternativen und Mischfondsstrategien auch auf Nachhaltigkeits-Investments spezialisiert ist. Die Tochter von New York Life Investments, bis 2014 unter dem Dach der belgisch-französischen Bank Dexia, firmierte ehedem unter dem Namen Dexia Asset Management brachte fünf neue ESG-Fonds auf den Markt, auf die per Ende November 160 Millionen Euro entfielen. Mit Blick auf das verwaltete Vermögen in den ESG-Neuauflagen in diesem Jahr liegt Candriam allerdings nur auf Rang acht.  

ESG-Bilanz nach Anbieter sagt am ehesten etwas über den Auflagefokus aus

Angesichts der Tatsache, dass die Fonds den unterschiedlichsten Kategorien angehören, lassen sich die ESG-Scores nach Anbieter nicht Kategorie-Durchschnitten gegenüberstellen. Zur Erinnerung: Unser Rating ist relativ und vollzieht sich immer auf der Ebene der einzelnen Morningstar Kategorie.

Dabei definieren wir den Begriff „Nachhaltigkeit“ recht umfassend und beziehen in unser Sustainability Research, das Fonds nach der Best-in-Class-Methode untersucht, nicht nur Umweltaspekte ein, sondern auch, inwiefern die in Investmentvehikeln enthaltenen Unternehmen im sozialen und Governance-Bereich abschneiden. Unser Sustainability Rating setzt sich also aus Research zu allen drei Faktoren Umwelt (E), Soziales (S), Governance (G) zusammen.

Am ehesten lassen die ESG-Scores im Einzelnen etwas über die Spezialisierung der Anbieter sagen. Die herausragend hohen Werte, welche die ESG-Fonds der deutschen Universal-Investment in der oberen Tabelle aufweisen, sagen am ehesten etwas über die Investmentschwerpunkte der Fonds aus – sie sind allesamt europäisch. Und dass der neue ESG-Fonds von Fisher Investments deutlich unter dem ESG-Score Median liegt, ist darin begründet, dass es sich hier um ein Emerging-Market Produkt mit Fokus auf Nebenwerte handelt, die typischerweise niedrige ESG-Scores aufweisen. 

Über die ESG-Bilanz auf der Produktebene lässt sich am meisten aus der Übersicht nach Einzelfonds sagen, weniger in der aggregierten Sicht nach Anbieter. Dies folgt im zweiten Teil des Artikels, wo Sie auch mehr über das ESG-Profil der neuen Fonds nach Morningstar Kategorie erfahren. Darüber hinaus gehen wir dem Nachhaltigkeitsprofil der 20 größten neuen ESG-Fonds am europäischen Markt nach. Lesen Sie hier weiter.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich