Schritt für Schritt zum richtigen ETP

Der dritte Teil unserer Anleitung für Do-it-yourself-Anleger: Die Indexkonstruktion.

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Seit Anfang dieses Jahres produzieren wir bei Morningstar Researchberichte für die in Europa zugelassenen ETPs. Diese Berichte sind die ersten ihrer Art am europäischen ETF-Markt. Inhaltlich sind sie in sechs Bereiche unterteilt und behandeln unter anderem  die Eignung für Anleger, die Index- und Produktkonstruktion, die Gebühren sowie mögliche Alternativen.

Derzeit analysieren wir über 300 ETPs. Da es in Europe heute fast 1.700 ETFs gibt, haben wir bei Morningstar also noch viel zu tun! Um Ihnen den Einstieg in unsere Analysen zu erleichtern, haben wir diesen Leitfaden erstellt. Wir hoffen, dass er Ihnen bei der Lektüre unserer ETP-Analysen behilflich ist! Teil eins behandelt die Rolle eines ETF im Anlegerportfolio (lesen Sie hier), der zweite Teil gibt Ihnen Hinweise zur Analyse der Märkte, die den ETPs zugrunde liegen (lesen Sie hier). Um Fehlentscheidungen zu vermeiden, zeigen wir Ihnen hier, worauf Sie bei der Indexkonstruktion achten müssen.

Indexdefinition

Bevor wir uns mit der eigentlichen Indexkonstruktion beschäftigen, lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen und definieren, was ein Index überhaupt darstellt.

Wenn Sie zum Beispiel die Rendite der Aktienmärkte in den Schwellenländern analysieren wollen, können Sie sich jeden einzelnen Wert anschauen, um ein Gefühl für den Markt zu bekommen. Dies ist zweifelsohne eine sehr zeitaufwendige Angelegenheit und bis Sie den Markt letztendlich analysiert haben, hat sich das Meiste bereits wieder verändert. Eine wesentlich einfachere Lösung ist, dies einem Indexanbieter, wie z.B. MSCI oder STOXX, zu überlassen. Diese sammeln die Daten der Wertpapiere mit gemeinsamen Eigenschaften, aggregieren diese und bieten einen präzisen Indikator für die Entwicklung des Marktes an.

Der MSCI Emerging Market Index misst z.B. die Aktienperformance der Schwellenländer und spiegelt somit die Marktentwicklung dieser als Gesamtbild wieder. Ein Nachteil der Indizes ist, dass Detailinformationen fehlen und lediglich die aggregierte Information des Gesamtmarktes widergespiegelt wird. Wenn man z.B. an Indien interessiert ist, ist der MSCI Emerging Market Index ein relativ dürftiger Maßstab. Daher müsste in diesem Fall ein Länderspezifischer Index herangezogen werden. Und selbst hier kann man den Markt weiter unterteilen, wie z.B. in Growth- und Value-Aktien. Egal wie eng ein Markt bereits gefasst ist, es gibt fast immer Möglichkeiten diesen weiter zu unterteilen.

Indexkonstruktion

Oft übersehen Investoren die Wichtigkeit der Indexkonstruktion, welche den ETPs als Referenzwert zu Grunde liegen. Die Gewichtungsmethoden, Umschichtungshäufigkeit, max. Gewichtung je Indexbestandteil und vieles mehr können Auswirkungen sowohl auf die Rendite und die Kosten des ETPs haben, als auch die Rolle des ETPs innerhalb des Portfolios.

Prinzipiell gibt es vier Gewichtungsmethoden, die wir im Folgenden etwas genauer definieren:

Gleichgewichtung:

Dies ist die einfachste Indexmethode, da jeder Indexbestandteil dieselbe Gewichtung zugeordnet bekommt; d.h. bei einem Index mit vier Wertpapieren wird jeder mit 25% gewichtet. Nichtsdestotrotz hat diese Methode auch seine Nachteile. Wertpapiere, die einen Großteil des zugrundeliegenden Marktes ausmachen (gemessen anhand der Marktkapitalisierung) werden zu gering gewichtet. Gleichzeitig werden Wertpapiere, die nur einen kleinen Teil des Marktes ausmachen zu stark gewichtet—relativ zur Marktkapitalisierung. Darüber hinaus muss der Index sehr oft umgeschichtet werden, um das Gleichgewicht beizubehalten. Häufiges Umschichten kann die Rendite der ETP-Investoren beeinflussen. Je häufiger der Index umgeschichtete wird, desto teurer ist es für einen ETP-Anbieter diesen abzubilden. Diese Kosten werden dann an den Investor weitergereicht. Dies trifft insbesondere auf physisch replizierende ETPs zu.

Preisgewichtung:

Diese Methode ist auch relativ einfach, da die Gewichtung der einzelnen Wertpapiere bestimmt wird indem der jeweilige Preis durch die Summe der Preise aller Indexbestandteile dividiert wird. Lassen Sie uns dies anhand eines Beispieles verdeutlichen: Angenommen, wir haben wieder vier Wertpapiere A, B, C und D mit einem Preis von €10, €20, €30 bzw. €40. Sprich Wertpapier A wird mit 10% (€10/(€10+€20+€30+€40)) gewichtet, Wertpapier B mit 20% usw. Wertpapiere mit dem höchsten Preis werden also am stärksten gewichtet und haben daher den größten Einfluss auf den Indexwert.

Fundamentalgewichtung

Hierbei werden Wertpapiere anhand einer Kombination verschiedener Kennzahlen gewichtet. Diese beinhalten Buchwert, Finanzfluss, Umsatz, Gewinn, Dividenden und die Anzahl der Mitarbeiter. Diese Methode führt zu Indizes mit einer Neigung zu Value-Werten. Das bedeutet, dass diese Indizes ein größeres Verhältnis der Kennzahlen zur Marktkapitalisierung aufweisen als vergleichbare Indizes die anhand der Marktkapitalisierung gewichtet sind.

Gewichtung anhand der Marktkapitalisierung

Diese Methode ist am weitesten verbreitet und spiegelt die Gewichtung der einzelnen Wertpapiere relative zum Gesamtmarkt wieder. Bei der Berechnung dieser Indizes wird der Streubesitz meist mit berücksichtig.

Die Marktkapitalisierung gewichtet automatisch steigende Wertpapiere höher als fallende Wertpapiere was unvermeidlich zu einem Growth-Momentum-Bias führen kann. Dies ist sehr wichtig zu verstehen und anzuerkennen.

Die Technologie-Blase der späten 90er Jahre ist hierfür ein sehr gutes Beispiel. Extrem überbewertete Aktien wurden in den Indizes stark gewichtet, was dann beim Platzen der Blase natürlich schwere Folgen nach sich zog.

Die besondere Problematik von Anleihenindizes, die anhand der Marktkapitalisierung gewichtet sind wurde bereits in einem früheren Artikel meines Kollegen Ben Johnson erörtert. Den deutschen Artikel finden sie hier.

Das am leichtesten zu identifizierende Risiko von Indizes basierend auf der Marktkapitalisierung ist die Emittenten- oder die Sektorkonzentration. Ein Paradebeispiel hierfür ist der MSCI Brasil Index über den wir bereits im zweiten Teil unserer Serie diesbezüglich berichtet haben. Oft führen Indexanbieter eine Maximalgewichtung der einzelne Wertpapiere und/oder Branchen ein, um eben genau diese Konznetrationsproblematik zu verhindern. Zum Bespiel erlaubt der finnische OMX25H Index lediglich eine Maximalgewichtung von 10% je Wertpapier. Dadurch wird zum Beispiel verhindert, dass der Handy-Riese Nokia einen Großteil des Indexwertes repräsentiert.

Generell gilt es noch zwischen Preisindizes und Gesamtertrags­indizes zu unterscheiden. Das Hauptmerkmal liegt bei der Dividendenbehandlung. Beim Preisindex wird lediglich der Preisunterschied der Indexbestandteile berechnet und keine Dividenden oder andere Ausschüttungen berücksichtigen. Der Gesamtertragsindex rechnet hingegen Dividenden bzw. Ausschüttungen in den Index mit hinein. Hierbei gilt es zudem zwischen Netto- und Bruttoberechnung zu unterscheiden. Bei der Nettoberechnung werden Quellensteuern bei der Indexberechnung berücksichtigt. Mehr zum Thema Quellensteuer finden Sie hier.

Da der ETP-Markt seit Jahre starke Zuwachsraten verzeichnet, werden Indexanbieter immer kreativer. Zwar ist die Methode der Marktkapitalisierung immer noch die am meistverbreitete Methode, es gibt aber mittlerweile auch von komplexen Rohstoff-Futures-Strategien bis hin zu aktiv gemanagten Fonds eine Vielfalt an Strategien die sich immer mehr von Plain-Vanilla-Aktien- und Anleihen-Indizes unterscheiden. Da sich dieser Trend zwangsläufig fortsetzen wird, wird es immer wichtiger für Investoren die zugrundeliegende Indexkonstruktion zu verstehen.

Nachdem wir heute einiges über die Indexkonstruktion gelernt haben, werden wir uns im nächsten Teil unserer Serie damit beschäftigen, wie die einzelnen ETPs diese Indizes abbilden. Wir werden uns also etwas genauer mit der synthetischen und physischen Replikationsmethode befassen.

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Gordon Rose, CIIA, CAIA,

Gordon Rose, CIIA, CAIA,  war von 2011 bis 2014 Fondsanalyst bei Morningstar.