„Was für einen Sinn hat es, die Aktie eines nicht nachhaltig agierenden Unternehmens zu verkaufen, denn dann hält sie doch ein anderer Investor?“. Diese Frage stellen sich Anleger regelmäßig, und sie ist wichtig, weil sie auf einen wichtigen Punkt aufmerksam macht: Kann eine Desinvestment-Strategie, also das Abstoßen einer Aktie aus Nachhaltigkeitsüberlegungen, ein gleichermaßen effektiver wie sinnvoller Bestandteil einer ESG-Strategie sein?
Die Frage treibt übrigens auch Fondsmanager um. Einige verneinen die Sinnhaftigkeit, „ESG-Sünder“ zu verkaufen, andere gehen noch weiter und vertreten den Standpunkt, dass Desinvestments sogar einer Engagement-Strategie entgegenstünden. Wer nicht investiert sei, so das Argument der Kritiker, gebe die Möglichkeiten aus der Hand, die Strategie eines Unternehmens beeinflussen zu können. Dieses Argument ist valide. Wer eine Aktie hält, ist Miteigentümer eines Unternehmens, und wer das Eigenkapital gibt, hat auch das Sagen. Und es gilt das Motto: Je größer der Anteil am Eigenkapital ist, desto größer sind die Möglichkeiten des Investors, sein Portfolio-Unternehmen zu einer besseren Nachhaltigkeitsstrategie zu bewegen.
Halten wir zunächst fest, dass sich praktisch alle nachhaltigen Fonds darauf konzentrieren, ESG-relevante Aspekte in den Anlageprozess zu integrieren, um Investmentchancen zu identifizieren und wahrzunehmen. ESG-Investmentstrategien erschöpfen sich nicht darin, „unverantwortliche“ Unternehmen zu vermeiden. Egal, wie strickt ESG-Kriterien angewendet werden, ist die Idee hinter ESG-Fonds, ein Portfolio mit Unternehmen zusammenzustellen, die günstige finanzielle Eigenschaften bei ESG-bezogenen Themen aufweisen, in der Hoffnung, dass sich diese Praktiken positiv auf das Geschäft des Unternehmens auswirken.