Ist die Herabstufung der USA wirklich ein so großes Problem?

Edward Fane von Morningstar Investment Management, Leiter Research EMEA, untersucht den Kontext für die Herabstufung durch Fitch und geht der Frage nach, ob die USA ihre Dominanz im weltweiten Finanzsystem behaupten können.

Morningstar 04.08.2023
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Wall Street New York

Auf kurze Sicht spielt es keine große Rolle, dass Fitch als zweite große Ratingagentur die USA als Emittenten von Staatsanleihen auf AA+ herabgestuft hat und die Vereinigsten Staaten damit ihre AAA-Bewertung verloren haben. Die Märkte nahmen die Nachricht nicht wirklich mit Schrecken auf, und realistisch gesehen wird dies viele Anleiheinvestoren nicht dazu zwingen, ihre eventuellen US-Staatsanleihenbestände aufzugeben.

US-Staatsanleihen bilden das Fundament des globalen Finanzsystems, stellen nach wie vor die Standardmethode zur Abwicklung internationaler Transaktionen dar und machen mehr als die Hälfte aller von Staaten weltweit gehaltenen Währungsreserven aus. Sie sind so zentral, dass sich die Schemata zur Beschränkung großer institutioneller Bestände an akzeptablen Anlagen am "sichersten" Ende des Spektrums häufig direkt auf "US-Treasuries" beziehen und nicht auf "Schuldtitel mit AAA-Kennzeichnung". So betrachtet dürfte die Änderung also kein Problem darstellen. 

Letztlich werden sich Anleger weiterhin auf Treasuries verlassen. Sicherlich ist ihr Gewicht in den Währungsreserven im Laufe der Zeit von über 60 % auf etwa die Hälfte gesunken, da die geopolitischen Spannungen mit China und die Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Invasion Gegenreaktionen ausgelöst haben und Initiativen gegen die Zentralität des US-Dollars eingeleitet haben. Aber angesichts eines zunehmend autoritären und immer noch geschlossenen Chinas und weil der Zusammenhalt in Gruppen wie den BRIC-Staaten noch immer nicht stark ist, gibt es vorerst keine wirkliche Alternative.

Aber was bedeutet das für ein Finanzsystem, das auf der Bewertung von Investitionen anhand eines „risikofreien“ Zinssatzes basiert – der inzwischen von zwei der wichtigsten Ratingagenturen als nicht mehr ganz risikofrei eingestuft wird? Was bedeutet es für uns alle, dass der Anlass für die Herabstufung durch Fitch im Großen und Ganzen derselbe war wie die erste Herabstufung durch S&P im Jahr 2011?

 

Es ist natürlich politisch

Die Ursache ist nicht wirklich wirtschaftlicher Natur, sondern liegt direkt im Bereich der dysfunktionalen von zwei Parteien bestimmten US-Politik – die sich zeigt in der riskanten Debatte über die US-Schuldenobergrenze (die an sich eine seltsame und völlig willkürliche, selbst auferlegte Grenze darstellt), die der einzigartigen globalen Position der USA kaum Rechnug zu tragen scheint. 

Für eine Welt, die sich um eine stabile, weitgehend gerechte Führung des globalen Finanzsystems durch die USA entwickelt hat und daran gewöhnt ist, ist die Unergründlichkeit und Ungewissheit über die Stabilität dieses Systems und auch über die Sicherheit, die daraus abgeleitet werden kann, zerstörerisch und untergräbt das Vertrauen in die unangreifbare Dominanz der gegenwärtigen Finanzweltordnung.

Und so zerfrisst es weiterhin die Grundlagen des Systems und beschleunigt vielleicht den Tag, an dem wir irgendwann ein Ende des „exorbitanten Privilegs“* (oder der Last?) sehen werden, das die USA als vorherrschender Unterstützer des Systems angenommen hat. 

Moody's und Morningstar DBRS haben die USA vorerst immer noch auf dem höchsten AAA-Rating belassen, und in Wahrheit ist ein Zahlungsausfall in den USA wirklich ein Ereignis, das unmöglich eintreten wird. Aber im Strudel der turbulenten Politik sind Fehler, sogar unmögliche, bedrohlich. Die Regierung Biden ist verärgert über die politischen Auswirkungen dieser Entscheidung, die den Republikanern eine Angriffsfläche für die fiskalische Verantwortung bietet, anstatt sie für ihren bemerkenswerten Erfolg bei der Aushandlung einer Lösung für den jüngsten Schuldenstau mit dem Vorsitzenden des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy im zweiten Quartal zu belohnen.

In gewisser Weise spiegelt dies die reflexive Natur von Märkten und Politik wider, wenn der der Eindruck eines Risikos verbreitet wird, was dann die Bewertung dieses Risikos beeinflusst ebenso wie die Wahrscheinlichkeit, dass das befürchtete Ergebnis eintritt.

Auch bei den Rating-Agenturen ist das Urteil noch nicht gefällt, und wir können nicht absehen, dass sich auf kurze Sicht schwerwiegende Konsequenzen abzeichnen. Allerdings brechen Systeme typischerweise erst langsam und dann sehr schnell zusammen. Die Geschichte hat gezeigt, dass vorherrschende Regime in der Regel nur eine begrenzte Lebensdauer haben, und hoch angesehene Denker befassen sich aktiv mit einer möglichen Aufgabe der US-amerikanischen Vorherrschaft und mit Veränderungen in der Finanzordnung, an die wir uns alle gewöhnt haben.

Wir wurden gewarnt ...

* Dieser Begriff bezieht sich auf die einzigartige Position der USA, den Dollar, die Reservewährung der Welt, zu besitzen. Der französische Finanzminister Valery Giscard d’Estaing verwendete den Ausdruck erstmals in den 1960er Jahren.

 

Dieser Text wurde aus dem Englischen übersetzt. 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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