Artikel 8-Fonds erlitten im Q4 die höchsten Quartals-Abflüsse überhaupt

Weil die traditionelle Gewichtung von ESG-Fonds die Performance des Jahres 2022 aufzehrte, nahm in der Folge die Begeisterung für nachhaltige Strategien ab.

Hortense Bioy, CFA 31.01.2024
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ESG Outflows

Nachdem die Europäische Kommission ihre Beratungen über die Zukunft der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) im letzten Quartal 2023 abgeschlossen hatte, verzeichneten Artikel 8-Fonds die größten vierteljährlichen Abflüsse seit Beginn der Aufzeichnungen.

Konkret zogen Anleger in diesem Zeitraum €26,7 Milliarden aus Artikel 8-Fonds ab. Diejenigen, die sich nicht zu nachhaltigen Investments verpflichtet haben, waren unverhältnismäßig stark betroffen.

Gleichzeitig verzeichneten Artikel 9-Fonds, also Fonds mit Nachhaltigkeitszielen, ihre ersten vierteljährlichen Abflüsse überhaupt - und zwar in Höhe von €4,7 Milliarden.

Das düstere Bild für Artikel 8- und Artikel 9-Produkte in den letzten drei Monaten des Jahres 2023 steht im Gegensatz zu dem positiven Momentum von Artikel 6-Fonds (ohne ESG-Merkmale), die €15,7 Milliarden an Nettoneugeldern hinzugewannen, was den Zahlen des vorangegangenen Quartals entspricht.

Abb. 1: Vierteljährliche Mittelflüsse in Artikel 8- und Artikel 9-Fonds versus Artikel 6-Fonds (in Mrd. EUR) und organische Wachstumsraten (%)

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Insgesamt verzeichneten Artikel 8-Fonds 2023 Nettoabflüsse in Höhe von €27 Milliarden, während Artikel 9-Fonds €4,3 Milliarden und Artikel 6-Fonds satte €93 Milliarden einsammelten. 

Warum meiden Investoren nachhaltige Fonds? 

Mehrere Faktoren sorgten dafür, dass im letzten Jahr das Interesse der Anleger an Artikel 8- und Artikel 9-Fonds nachließ. Darunter das makroökonomische Umfeld, hohe Zinssätze, Inflation, Rezessionssorgen in einigen großen Volkswirtschaften der Welt und geopolitische Risiken. 

Infolgedessen bevorzugten Anleger Staatsanleihen, ein Bereich, in dem die ESG-Integration weiterhin eine Herausforderung darstellt. Tatsächlich ist es nicht möglich, ESG-Aspekte in Fonds zu integrieren, die nur in Anleihen eines Landes - wir etwa US Treasuries - investieren. 

Darüber hinaus scheinen einige Anleger im letzten Jahr einen vorsichtigeren Ansatz für ESG-Investments gewählt zu haben, nachdem ESG- und nachhaltige Strategien 2022 eine schlechte Performance gezeigt hatten. Zurückzuführen war das wiederum auf die typische Untergewichtung traditioneller Energieunternehmen und die Übergewichtung von Technologie- und anderen Wachstumssektoren, die sich zu dieser Zeit schwer taten. Während sich Letztere 2023 erholten, entwickelten sich andere beliebte Sektoren in nachhaltigen Strategien weiterhin unterdurchschnittlich. Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien waren unter anderem etwa von steigenden Finanzierungskosten, der Inflation bei Rohstoffen und Unterbrechungen in der Lieferkette betroffen. 

Weitere Faktoren, die die Nachfrage der Anleger nach Artikel 8- und Artikel 9-Produkten beeinträchtigen, sind Bedenken wegen Greenwashing und das sich ständig verändernde regulatorische Umfeld. Bis zu einem gewissen Grad sorgten auch eine Welle von Zurückstufungen von Artikel 9- auf Artikel 8-Fonds und andere Probleme bei der Umsetzung der SFDR für Verwirrung unter den Anlegern. 

Aktive Fonds hatten Abflüsse. Und passive?

Aktive Fonds waren im vierten Quartal und im Gesamtjahr die Hauptursache für die Abflüsse aus Artikel 8-Fonds. Im Gegensatz zu den Herausforderungen, mit denen ihre aktiven Konkurrenten konfrontiert waren, hielten passive Artikel 8-Fonds ihr Momentum bis ins Jahr 2023 aufrecht.

 

Abb. 2: Nettoflüsse in Artikel 8-Fonds, aufgeteilt nach aktiv und passiv

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Aktive Artikel 9-Fonds erfreuten sich anhaltender Zuflüsse - bis zum letzten Quartal 2023, als sie Abflüsse in Höhe von €5 Milliarden hinnehmen mussten. Passive Artikel 9-Strategien verzeichneten in allen Quartalen außer einem positive Nettomittelzuflüsse. Die Zuflüsse in diese Fondsgruppe gingen nach der Neueinstufung vieler großer börsengehandelter Fonds (ETFs) und Indexfonds, die Klimabenchmarks abbilden, Ende 2022, Anfang 2023 deutlich zurück.

 

Abb. 3: Nettozuflüsse in Artikel 9-Fonds, aufgeteilt nach aktiv und passiv

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Vermögen von Artikel 8- und 9-Fonds steigt auf Rekordwert

Trotz der Abflüsse stieg das Gesamtvermögen aller Artikel 8- und Artikel 9-Fonds im vierten Quartal um 1,7% auf €5,2 Billionen - ein neuer Rekord. Dagegen ging das Vermögen der Artikel 6-Fonds um 2,4% zurück.

Insgesamt kletterte der Marktanteil von Artikel 8- und 9-Fonds weiter auf fast 60% des EU-Universums. Mit anderen Worten: Fast 60% der in der EU in Fonds investierten Gelder weisen nach eigenen Angaben ESG-Merkmale auf. Dieser absolute und relative Anstieg der Vermögenswerte von Artikel 8- und Artikel 9-Fonds ergibt sich durch die anhaltende Neuklassifizierung von Produkten nach Artikel 6 in Artikel 8 oder 9 sowie durch den Anstieg der Aktien- und Anleihekurse.

 

Abb. 4: Vierteljährliche Aufschlüsselung der Vermögenswerte nach SFDR-Klassifizierung (Billionen EUR)

                   

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Trotz der anhaltenden Abflüsse blieb der Marktanteil von Artikel 8-Fonds bis Ende Dezember 2023 bei rund 55%, der von Artikel 9-Produkten bei 3,5%. Letzterer hat sich damit im Vergleich zum Vorquartal nur geringfügig verändert.

Quellen: Morningstar Direct. Vermögen per Dezember 2023. Basierend auf SFDR-Daten, die aus den Prospekten von 97,8% der in der EU zum Verkauf zugelassenen Fonds erhoben wurden, ohne Geldmarktfonds, Dachfonds und Feeder-Fonds.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Hortense Bioy, CFA

Hortense Bioy, CFA  ist Global Head of Sustainability Research bei Morningstar