Wie hängen Hypothekenzinsen und EZB-Leitzins zusammen?

Antje Schiffler 15.04.2024
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ImmobilienAm 11. April hat die Europäische Zentralbank (EZB) zum 5. Mal in Folge entschieden, die Leitzinsen unverändert zu lassen. Seit September 2023 ist der Leitzins der EZB bei 4,5% und verharrt seitdem auf diesem Rekordniveau. Am Markt wird erst mit Zinssenkungen im Juni gerechnet. Dennoch: die Bauzinsen fallen schon seit ein paar Monaten. Wir erklären den Zusammenhang zwischen dem aktuellen Leitzins der EZB und der Entwicklung der Bauzinsen. 

Wie hoch ist derzeit der Bauzins? 

Die deutschen Immobilienzinsen sinken schon seit Anfang November 2023, wie die nachfolgende Grafik zeigt.   

Entwicklung der Hypothekenzinsen, Sollzinsbindung 10 und 20 Jahre  

 

Bauzinsen

Daten abgerufen am 11. April 2024. Quelle: Check24 

Denn der Leitzins der EZB beeinflusst die Bauzinsen nur indirekt, und oft bewegen sich Bauzinsen zuerst. So bestimmt der EZB-Leitzins (= der Zins für das Hauptrefinanzierungsgeschäft), zu welchem Zinssatz sich Geschäftsbanken Zentralbankgeld leihen können und beeinflusst somit die kurzfristigen Zinsen. Anders sieht es aus bei Immobilienkrediten, in denen in der Regel Zinsen für 10 Jahre und länger festgeschrieben werden. Sie orientieren sich an den langfristigen Kapitalmarktzinsen. 

Der Zusammenhang erklärt sich so: Wenn an den Geld- und Kapitalmärkten mit einer Senkung des Leitzinses gerechnet wird – wie es aktuell der Fall ist – so sinken die Zinsen am Geldmarkt ebenfalls, so dass Anleger vermehrt Anleihen wie etwa deutsche Staatsanleihen nachfragen. Die Kurse gehen hoch, die Zinsen für Staatsanleihen und damit auch für Pfandbriefe, mit denen Banken die Baufinanzierung refinanzieren, sinken. Die Grundlage für den so genannten Pfandbriefzins ist die 10-jährige Bundesanleihe. Und daher gilt: Sind die Zinsen für Bundesanleihen niedrig, dann sind die Zinsen für Pfandbriefe niedrig und somit auch die Bauzinsen für die Immobilien-Finanzierung.  

Allerdings hat es in der Vergangenheit immer wieder Perioden gegeben, in der Leit- und Bauzinsen in unterschiedliche Richtung liefen. Denn bei der Kreditvergabe berücksichtigen Banken eine Vielzahl von Faktoren wie etwa Angebot und Nachfrage am Kapitalmarkt, wirtschaftliche Indikatoren oder auch politische Entwicklungen. Zudem hängt die individuelle Rate an persönlichen Faktoren wie Einkommen, Höhe des Kredits oder Eigenkapital ab. 

Baufinanzierungszinsen historisch tief 

Nach den historisch tiefen Bauzinsen in den Jahren 2016 bis Ende 2021, begannen die Hypothekenzinsen 2022 zu steigen. Hintergrund war die hohe Inflation in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. In den vergangenen Monaten gaben die Hypothekenzinsen aber wieder nach. Verträge für die Immobilien-Finanzierung mit zehnjähriger Zinsbindung sind inzwischen wieder unter 3,6% zu haben, geht aus Zahlen der FMH Finanzberatung hervor. Der Hypothekenzins bei 20-jähriger Laufzeit liegt aktuell bei unter 3,64%. Wie diese Grafik zeigt: Historisch gesehen sind die Hypothekenzinsen weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau.  

Historische Entwicklung der Immobilienzinsen, Sollzinsbindung 10 Jahre 

Bauzinsen

 

Quelle: FMH Finanzberatung 

 

Werden die Bauzinsen 2024 weiter sinken? 

Die EZB wird ihre Zinsen in diesem Jahr voraussichtlich mehrfach senken. Doch für die Bauzinsen rechnen viele Marktexperten mit einer Seitwärtsbewegung oder allenfalls leicht fallenden Preisen. Wie Dr. Rainer Eichwede von der Bausparkasse Schwäbisch Hall sagt: "Unsere Zinsexperten gehen – wie viele Marktteilnehmer – davon aus, dass wir 2024 das Einläuten der Zinssenkungsphase erleben könnten, wenn keine weiteren globalen Schocks eintreten. Angesichts eintrübender Konjunkturaussichten straffen die Banken allerdings ihre Kreditvergaberichtlinien bereits, so dass nicht alle Kreditnehmer automatisch von niedrigeren Zinsen profitieren werden." 

„Das Zinsniveau hat sich nach dem starken Zinssturz von November bis Anfang Januar gefestigt“, sagt Ingo Foitzik, Geschäftsführer Baufinanzierung bei CHECK24. „Die Bestzinsen für Baufinanzierungen mit einer Sollzinsbindung über zehn Jahre schwanken seitdem zwischen 2,90 und 3,30 Prozent. Dieser Trend wird sich voraussichtlich auch in den kommenden Wochen fortsetzen. Gleichzeitig sehen wir eine steigende Nachfrage nach Kaufobjekten. Wir gehen davon aus, dass die Immobilienpreise leicht anziehen werden. Der Zeitpunkt für Kaufinteressierte ist aktuell entsprechend günstig.“ 

Michael Neumann, Vorstandschef des Baufinanzierers Dr. Klein, sieht ebenfalls eine stabile Seitwärtsbewegung bei den Immobilienzinsen. „Wir erleben vielmehr eine sehr stabile Seitwärtsbewegung, wie wir sie in dieser Form lange nicht hatten“ lautet seine Einschätzung. Dabei führt das aktuelle Zinsniveau zu einer weiteren wirklich guten Nachricht: einem Aufschwung im Markt der Immobilienfinanzierung. „Die Nachfrage hat seit dem Zinsrückgang Ende 2023 spürbar zugenommen“, berichtet Neumann. „Vielen Interessenten ist bewusst, dass die zu erwartenden Zinsschritte seitens der EZB bereits in die aktuellen Bauzinsen eingepreist sind und diese daher nicht weiter fallen werden, wenn die Notenbanker den Leitzins dann tatsächlich senken.“  

Sollte die Nachfrage nach Baufinanzierungen im zweiten Quartal anhalten oder gar weiter steigen, ist laut Neumann eine Trendwende vollzogen. Bereits seit Januar registrieren Kreditinstitute deutlich mehr Kundenanfragen, bestätigen auch Daten der Bundesbank.  

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.