Ist die Rallye nach der Erleichterung rund um Zölle verfrüht?

Was Strategen über die vorläufe Einigung im Handelsstreit zwischen den USA und China sagen.

Sarah Hansen 14.05.2025
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Collage-Illustration eines Frachtschiffs, der Flaggen der USA und Chinas sowie von Symbolen der Unbeständigkeit.

Wichtigste Erkenntnisse

  • Nachdem die Vereinigten Staaten und China eine vorläufige Einigung über Zölle erzielt hatten, stiegen die Aktienkurse am Montag rapide an.
  • Nach Ansicht von Strategen gibt es zwar Grund zum Optimismus, aber die Abgaben sind nach wie vor höher als zu Beginn des Jahres.
  • Es gibt erste Anzeichen dafür, dass die Zölle das Wirtschaftswachstum bereits beeinträchtigt haben.
  • Sollten die Verhandlungen nicht reibungslos verlaufen, könnten die Aktienkurse erneut sinken.

Ein vorübergehender “Waffenstillstand” im Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China ließ die Aktienkurse am Montag in die Höhe schnellen. Strategen zufolge stellen die Zölle, die immer noch höher sind als zu Beginn des Jahres, jedoch wweiterhin eine Bedrohung für das Wachstum der US-Volkswirtschaft dar. Gleichzeitig bedeutet der unsichere Weg zu einer dauerhaften Einigung, dass mehr Marktvolatilität bevorstehen könnte.

Nach Gesprächen in der Schweiz am Wochenende haben sich die beiden Länder auf eine Vereinbarung geeinigt, die eine Senkung der US-Zölle auf chinesische Waren auf 30 % und der chinesischen Zölle auf US-Waren auf 10 % vorsieht. In der vergangenen Woche drohten 145%ige US-Zölle auf chinesische Waren und 125%ige chinesische Zölle auf US-Waren den Handel zwischen den beiden Wirtschaftsmächten zum Erliegen zu bringen.

“Zumindest für die nächsten 90 Tage hat sich die Spannung stark reduziert”, schrieb Jennifer Lee, Senior Economist bei BMO Capital Markets, am Montag in einer Mitteilung an Kunden. “Die hohen Zölle hatten bereits begonnen, die Wirtschaftstätigkeit zu beeinträchtigen, so dass es in jedermanns Interesse ist, darüber zu sprechen.”

Die reduzierten Zölle überraschten die Märkte, und der Morningstar US Market Index stieg am Montag um 3,3 %. “Die Senkung der Zölle durch beide Länder ist mehr als das, was wir erwartet hatten”, sagt Paul Christopher, Leiter der globalen Anlagestrategie beim Wells Fargo Investment Institute. Er bezeichnet das Marktgeschehen vom Montag als eine Erleichterungsrallye.

Zollrisiken bestimmen Sentiment weiter

Doch selbst während die Märkte feierten, mahnten Strategen, es sei noch zu früh, die Zollsorgen ad acta zu legen. Zum einen könnte ein Zoll von 30 % auf chinesische Waren immer noch erhebliche Auswirkungen auf den Welthandel und das Wachstum haben. Er entspricht dem von Trump im Februar eingeführten Zoll von 20 % plus dem zusätzlichen Universalzoll von 10 %, erklärt Christopher. “Das ist immer noch ein höherer Zoll als zu Beginn des Jahres”, sagt er.

“Die Märkte waren viel zu früh enthusiastisch”, meint Michael Field, Chefstratege für europäische Märkte bei Morningstar. “Das Abkommen zwischen den USA und China sieht 30 % Einfuhrzölle auf chinesische Waren vor, was den Handelsfluss immer noch bremsen könnte.”

In einer Rede am Montag sagte die US-Notenbankgouverneurin Adriana Kugler, dass selbst reduzierte Zölle das Wirtschaftswachstum belasten könnten. “Die Handelspolitik entwickelt sich weiter und wird sich wahrscheinlich auch weiterhin verändern”, sagte sie laut ihren vorbereiteten Rede. “Die mit diesen Zöllen verbundene Unsicherheit hat bereits Auswirkungen auf die Wirtschaft durch Vorzieheffekte, Stimmungen und Erwartungen hervorgerufen.”

Und dann ist da noch die Aussicht auf schwierige Verhandlungen in den kommenden Wochen. “Dies ist eine Deeskalation, kein Handelsabkommen”, schreibt Jeff Buchbinder, Chef-Aktienstratege bei LPL Financial. “Es bleibt noch mehr zu tun. Eine Pause bedeutet nicht dauerhaft.”

Christopher glaubt, dass Vereinbarungen, die erhebliche Zölle beibehalten, die Wirtschaft weiter verlangsamen werden. “Also ja, Erleichterung heute”, sagt er. “Aber wie lange hält sie an?”

Lee fügt hinzu: “Unternehmen sind auf allen Seiten immer noch mit höheren Kosten konfrontiert als zu Beginn des Jahres, und es besteht immer noch die Befürchtung, dass die Zölle im Falle eines Scheiterns der Gespräche wieder erhöht werden könnten”.

Das Fazit für Investoren

Die Stimmung an den Märkten hat sich im letzten Monat dramatisch verbessert, und die Aktien haben alle Verluste, die sie nach der Ankündigung der Zölle am 2. April erlitten hatten, wieder wettgemacht - und noch einiges oben drauf gelegt.

Doch weitere Ausschläge am Aktienmarkt könnten bevorstehen, insbesondere wenn sich die Handelsverhandlungen als heikel erweisen. “Ein dauerhaften Abkommens zwischen den USA und China stellt sicherlich eine Herausforderung dar, die zu weiteren Volatilitätsschüben führen könnte”, schreibt Ulrike Hoffmann-Burchardi, Chief Investment Officer of Global Equities bei UBS Global Wealth Management. Sie fügt hinzu, dass es für Anleger, die in der Lage sind, über die Volatilität hinwegzusehen und selektiv zu investieren, weiterhin Chancen gibt. Sie hält US-Aktien nach wie vor für attraktiv.

Dave Sekera, leitender US-Marktstratege bei Morningstar, weist darauf hin, dass US-Aktien derzeit knapp unter dem von Morningstar ermittelten fairen Wert des Marktes gehandelt werden. Das bedeutet, dass es weniger Spielraum gibt, um sich zu erholen, wenn sich der weitere Weg als holprig erweist. “Zum jetzigen Zeitpunkt bietet der Markt keinen Sicherheitsspielraum mehr, falls die Handelsverhandlungen scheitern, mehr Zeit benötigen als die 90-Tage-Frist vorsieht, oder falls die endgültigen Handelsbedingungen so restriktiv sind, dass sie die Wirtschaftstätigkeit beeinträchtigen und zu einem allgemeinen Gewinnrückgang führen”, sagt er.

Eine solche Erleichterungsrallye (auch wenn sie nur von kurzer Dauer ist) kann den Anlegern auch die Möglichkeit bieten, eine Neugewichtung vorzunehmen. Christopher rät Anlegern zu prüfen, ob sie von ihren langfristigen Allokationen abgewichen sind. “Gibt es etwas, das Sie verkaufen wollten oder Ende Januar verkauft hätten, wenn Sie gewusst hätten, dass die Zölle so hoch sein würden?”

 Er schlägt vor, die Bestände an Small Caps sowie an Industrie- und Schwellenländern zu reduzieren, von denen er erwartet, dass sie sich im weiteren Jahresverlauf schlechter entwickeln werden. “Wir glauben, dass die schlechten Wirtschaftsnachrichten für die internationalen Märkte gerade erst beginnen”, sagt er. Denn die Zölle werden die Fertigung in China und Europa beeinträchtigen.


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Über den Autor

Sarah Hansen  Marktreporterin bei Morningstar