‚Neuemissionen und Privatisierungen spielen für uns eine wichtige Rolle.’

Morningstar sprach mit Ralph Luther, Osteuropa-Fondsmanager bei der Berenberg Bank. Die Bank offeriert seit Jahren Länderfonds auf Beitrittskandidaten für die Europäische Union(Griechenland- und Ungarn). Das jüngste Produkt ist ein Ukraine-Fonds. Der Berenberg-Balkan-Baltikum Fonds deckt die EU-Peripherie sowie potentielle Kandidaten wie Kroatien, Ukraine oder die Türkei ab.

Werner Hedrich 11.05.2007
Facebook Twitter LinkedIn


Seit wann beschäftigen Sie sich mit den ost- und zentraleuropäischen Aktienmärkten?

Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit zentraleuropäischen- und seit fast 10 Jahren im speziellen mit den ost- und südosteuropäischen Börsen. Durch die Auflage unserer Länderfonds Hellas-Olympia (seit 1998) und Magyar-Budapest (seit 2000) hat sich ein gewisser Fokus auf diese Regionen entwickelt.

Wie groß ist ihr Team und wie viele Anlagegelder verwalten Sie mit Schwerpunkt Ost- und Südosteuropa?

Unser Team besteht in Hamburg aus vier Fondsmanagern un

d drei Assistenten. In Edinburgh (von dort aus wird unser Berenberg-Small- und Midcap Osteuropa Fonds gemanagt) sitzen zwei Fondsmanagern und Assistenten. Wir verwalten insgesamt ca. 350 Mio. EUR an Anlagegeldern mit Schwerpunkt Ost- und Südosteuropa.

Welche Investmentstrategie verfolgen Sie im Berenberg-Balkan-Baltikum?

Wir möchten dem Anleger die Möglichkeit bieten, an dem erwarteten Aufschwung der Aktienmärkte auf dem Balkan und im Baltikum zu partizipieren. Diese Aktienmärkte werden unserer Meinung nach von dem wirtschaftlichen Aufschwung und damit stark steigenden Unternehmensgewinnen profitieren - und zwar in einem größeren Maße als in den "etablierten" Aktienmärkten in Westeuropa, wo die Steigerungen in den kommenden Jahren nicht mehr so hoch sein dürften.

Welche volkswirtschaftlichen Argumente sprechen für ein Investment in diesen Ländern?

Zum einen natürlich das überdurchschnittliche hohe Wirtschaftswachstum. Wenn man bedenkt, dass das Land mit dem geringsten Wachstum (Kroatien) immer noch eine BIP-Steigerung von ca. 4,5% in diesem Jahr erreichen wird, dann kann man sich vorstellen, wie stark andere Länder in diesen Regionen wachsen. In Rumänien dürfte es ca. 7,5% werden, in Bulgarien etwa 6% und die baltischen Länder wachsen mit Raten zwischen 8% bis 11%. Dies sind Steigerungen, die nicht mal mehr in China erzielt werden. Ein weiterer Punkt ist der Konsumboom, der sich in diesen Ländern z.Zt. beobachten lässt - die steigenden Reallohnzuwächse führen zu teilweise massiven Steigerungen der Konsumentenausgaben. In den baltischen Ländern gibt es Reallohnzuwächse von bis zu 10% p.a. und auch in Rumänien sind es noch knapp 6%. Viele der Länder auf dem Balkan und im Baltikum verfügen zudem auch über ein sehr attraktives Umfeld für Unternehmer. Die Unternehmenssteuersätze in Bulgarien sind mit 10% die niedrigsten in Europa - Rumänien hat eine Flat-Tax von 16%. Gepaart ist das Ganze mit niedrigen durchschnittlichen Monatslöhnen, die sich zwischen EUR 260 in der Ukraine und bis zu EUR 350 in Rumänien bewegen. Deswegen sollten auch die ausländischen Direktinvestitionen in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Seit 2003 konnten sich Länder wie Rumänien, Bulgarien und die Ukraine über stetig steigende Direktinvestitionen freuen. Die gesamte Region Balkan/Baltikum verzeichnete im vergangenen Jahr ausländische Direktinvestitionen von mehr als 15 Mrd. EUR!

Wie gehen Sie bei der Aktienauswahl vor? Wieviele Aktien stehen für den Fonds überhaupt zur Auswahl? Hat die Liquidität einer Aktie Einfluss auf die Selektion?

Wir orientieren uns zu ca. 80% am jeweiligen Aktienindex des Landes. Die übrigen 20% investieren wir in Titel, die wir für besonders wachstumsstark und/oder unterbewertet halten. Insgesamt umfasst unser Anlageuniversum fast 900 Unternehmen - davon haben wir ca. 150 Aktien in den Fonds aufgenommen. Die Liquidität spielt dabei für uns nicht die entscheidende Rolle, wir nehmen uns für den Positionsaufbau in einer von uns favorisierten Aktie Zeit. Dies kann manchmal auch mehrere Wochen dauern. Wichtig ist in erster Linie die Indexzugehörigkeit - hier sind meistens sowieso die liquidesten Titel des Landes zu finden.

Welche Rolle spielen Neuemissionen und Privatisierungen?

Neuemissionen und Privatisierungen spielen für uns eine wichtige Rolle. Zum einen erhöht sich dadurch die Liquidität des Gesamtmarktes - was wiederum neue Anleger anzieht. Zum anderen vergrößert sich für uns das Anlageuniversum und erleichtert es uns dadurch, weitere attraktive Titel ins Portfolio mit aufzunehmen. Ein schöner Nebeneffekt bisher war dabei auch die Performance der IPOs (Neuemissionen). Alle bisher von uns mitgemachten IPOs auf dem Balkan und dem Baltikum erzielten einen positiven Performancebeitrag. Der geringste Kursanstieg zum Ausgabepreis lag bei 40% - die beste Neuemission erzielte einen Kursgewinn von über 100%.

Stichwort strukturierte Produkte: Welchen Einfluss hat die Auflegung eines Länderzertifikats auf zum Beispiel den kroatischen Aktienmarkt? Können Sie den market impact abschätzen und nehmen Sie dann kurzfristige opportunistische Handelsstrategien vor?

Die Auflegung eines Zertifikates hat einen großen Einfluss auf die jeweiligen Aktienmärkte. Man muss sich nur die tägliche Liquidität der Börsen ansehen. In Estland liegen wir z.B. bei 3 Mio. EUR in Durchschnitt, in Bulgarien bei ca. 6,5 Mio., in Rumänien bei ca. 12 Mio. und in der Ukraine bei unter 10 Mio. Zwei gute Beispiele für die Auswirkung einer Zertifikatsauflage waren das Baltix Zertifikat von ABN Amro zu Beginn des Jahres und das Vietnam Zertifikat der Deutschen Bank - hier kam es zu massiven Kurssprüngen an der Börse innerhalb kürzester Zeit. Natürlich reagieren wir im Vorfeld auf solche Ereignisse und nehmen eine Feinadjustierung unserer Gewichtungen vor.

Welchen Vorteil hat ein aktiv verwalteter Fonds in dieser Region gegenüber einem Zertifikat?

Wir haben mit unserem Balkan-Baltikum Fonds zwei entscheidende Vorteile gegenüber einem Zertifikat. 1. Es gibt noch kein Zertifikat, welches diese beiden attraktiven Regionen miteinander verbindet. Wir haben eine sehr große Streuung durch unsere Investitionen in über 10 Länder mit mehr als 150 verschiedenen Unternehmen. Die meisten Zertifikate beziehen sich auf nur ein bis max. vier Länder und haben dadurch ein erheblich größeres Risiko. 2. Wir partizipieren, im Gegensatz zu den Zertifikaten, an IPOs und erzielen damit bisher einen Extraertrag. Wenn man bedenkt, wie viele Neuemissionen in den kommenden Jahren noch zu erwarten sind (allein in der Ukraine hat das Parlament gerade vor kurzem eine Liste mit 600 zu privatisierenden Unternehmen genehmigt), dann sind wir sehr zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft einen nicht geringen Zusatzertrag aus diesem Bereich erzielen können.

Summiert man Beratungs- und Verwaltungsgebühr sowie Depotkosten auf, dann kommt man auf jährlich 2,4%. Setzt man diese Gebühren ins Verhältnis zu einer langfristig zu erwartenden Aktienmarktrendite von 7%, dann erscheint dies ambitioniert. Welche langfristigen Renditen können Anleger an den von Ihnen abgedeckten europäischen Randmärkten erwarten?

Die von Ihnen genannten 2,4% jährliche Kosten in unserem Fonds sind Maximalkosten, die in einem Verkaufsprospekt immer genannt werden, um nicht bei steigenden Kosten jedesmal den Verkaufsprospekt ändern zu müssen. Die aktuelle Belastung liegt bei 1,9%. Dies ist unserer Meinung nach ein fairer Wert, da dies kein Standardprodukt ist und die Investitionen in die einzelnen Länder teilweise noch mit höheren Kosten verbunden sind als in westeuropäischen Aktienmärkten. Wir erwarten, dass beide Regionen in den kommenden Jahren zu den Outperformern in Europa zählen werden. Diese Länder stehen vor einem lang anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung, der zu stark steigenden Unternehmensgewinnen führen sollte. Dies dürfte sich dann entsprechend auf die Aktienkurse niederschlagen!

Vielen Dank für das Gespräch

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Werner Hedrich