Immobilienaktien stürzen mit Banken ab

Börsennotierte Immobiliengesellschaften leiden unter der Zurückhaltung ihrer Kreditgeber und unsicheren wirtschaftlichen Aussichten.

Werner Hedrich 11.07.2008
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Seit einem Jahr realisieren die Finanzmärkte, dass das beste aller Welten Szenario zu Ende geht. Weltweites Wachstum, niedrige Inflation und der Aufstieg von Schwellenländern bekommen zumindest kurzfristig einen Kratzer. Der Kapitalmarkt versucht seitdem, die Auswirkungen der überschuldeten USA und das systemische Risiko der Banken einzupreisen. Dieser Prozess der Neubewertung von Risiken ist in vollem Gange. Die Welt wird sich weiterdrehen, nur die traumhaften Renditen an den Aktienmärkten und risikoreicheren Asset Klassen wie High Yield Bonds oder Kredite gehören der Vergangenheit an. Alleine in diesem Absatz kam das Wort ‚Risiko‘ drei Mal vor – bezeichnend für die Stimmung.

Blick auf die Sektoren der Aktienmärkte

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Der Aktienmarkt setzt sich aus verschiedenen Sektoren zusammen, die in Marktphasen wie Hausse oder Baisse unterschiedlich reagieren. Anleger können unter Portfolio die Branchenaufteilung der meisten in Deutschland zugelassenen Fonds einsehen (Fonds auswählen und Reiter Portfolio anklicken). Es erstaunt nicht, dass mit Blick auf die letzten zwölf Monate Branchenfonds mit Schwerpunkt Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistern mit minus 37% am stärksten unter die Räder kamen. Der zweitschlechteste Sektor waren europäische Immobilienaktien mit einem Verlust von 35%. Diese Fonds sind nicht zu verwechseln mit den in Deutschland sehr prominenten offenen Immobilienfonds. Die erstgenannten sind Aktienfonds, die zweiten sind Fonds, die direkt Gewerbeimmobilien halten.

Was lief schief bei europäischen Immobilienaktien?

Europäische Immobilienaktien legten zwischen 2003 und 2006 einen beeindruckenden Run hin: 2003: 20%, 2004: 35%, 2005: 26%, 2006: 46%. Der Hype wurde durch die Einführung des REIT-Status in Großbritannien und Frankreich angefeuert. REITs (Real Estate Investment Trusts) schütten einen Großteil ihrer Jahresüberschüsse in Form einer Dividende aus. Gleichzeitig lief die Konjunktur rund, was die Auslastung der Büro-, Gewerbe- und Logistikimmobilien förderte. Der Boom an den Finanzmärkten ließ zudem die Bewertungen der Bürohäuser in London, Paris, Madrid, Mailand oder Osteuropa stark ansteigen. Ein niedriges Zinsniveau und laxe Kreditstandards erleichterten den Einsatz von Fremdkapital, was Immobilienentwicklungen profitabel macht, die bei höheren Kreditzinsen nicht break even wären. Man kann sich nun an fünf Fingern abzählen, dass das, was vorher die Phantasie der Anleger anfeuerte, nun ins Gegenteil gedreht ist. 2007 verloren diese Branchenfonds 26%, seit Anfang des Jahres liegen sie 17% hinten.

REITs, börsennotierte Immobiliengesellschaften und LPTs (Listed Property Trusts) werden an der Börse gehandelt. Deshalb schwanken die Bewertungen dieser Vehikel um den sogenannten NAV, den net asset value. Ein Wert, der angibt, wieviel das Immobilienportfolio und die zu erwartenden Mieteinnahmen (Cash Flows) wert sind. Marktteilnehmer können zu unterschiedlichen Einschätzungen des NAV kommen, deshalb schwanken die Börsenkurse und damit die Anteilspreise dieser Sektorfonds.

Der Feind britischer Immobilieninvestoren: Stagflation

Stagflation ist ein schlechtes Omen für die Anlageklasse Immobilien. Dieses makroökonomische Phänomen vom gleichzeitigen Auftreten von Inflation und keinem Wirtschaftswachstum findet jüngst wieder Erwähnung. Wer daran glaubt, der sollte Immobilien meiden, denn die Preise für Häuser und gewerbliche Immobilien hängen langfristig an der Geldentwertung. Der Preis einer Immobilie ist eine Funktion der zu erwartenden Mieteinnahmen. Mietverträge sind in Großbritannien, dem größten Markt Europas, nicht inflationsindexiert: Verfällt die Preisniveaustabilität, werden die Mieten nicht um die Inflation angepasst. Somit entwertet Inflation langfristige Mietverträge, der Wert der Immobilie fällt in der Folge. Oder anders: Das ist gut für den Mieter, aber schlecht für den Vermieter oder Eigentümer. Verstärkt kann der Werteverfall durch hohe Leerstandquoten werden. In Deutschland und Frankreich sind die meisten Mietverträge inflationsindexiert. In UK allerdings haben Mietverträge meist keinen Schutz vor Preisverfall. Die Londoner Börse ist der größte Markt für gelistet Immobiliengesellschaften.

Schwaches Wirtschaftswachstum oder eine Rezession lassen die Nachfrage nach Büroräumen und anderen gewerblich nutzbaren Immobilien zurückgehen. Das ist kein gutes Umfeld für den Immobilienmarkt.

Wie kann man in europäische Immobilienaktien investieren? Welche Aktien dominieren die Kurszettel?

Im ishares DJ Stoxx 600 Real Estate machen britische Immobilienentwickler und –halter wie zu Beispiel Land Securities und British Land zusammen 38% aus. Man findet einen ETF-Fokus über den ishares DJ Stoxx 600 Real Estate hier. Der iShares FTSE/EPRA European Property Index Fund enthält keine UK-Aktien, hat aber ein starkes Gewicht an französischen Titeln: 27% entfallen alleine auf die französisch-holländische Unibail-Rodamco. Der Nutzen eines ETFs ist fraglich, dessen stärkste Holding ein Viertel ausmacht. Über den Fund Screener finden Anleger europäische und internationale Immobilienaktien ETFs (1. Morningstar Kategorie eingeben und 2. Fondsuniversum ETF wählen).

Ein Klassiker im Immobilienaktiengeschäft ist der Henderson Horizon Fund – Pan European Property Equities Fund. Patrick Sumner ist seit Mai 2004 am Steuer. Er hat langjährige Erfahrung im Immobiliengeschäft, das globale Analysten Team besteht aus 10 Leuten, die insgesamt 1,7 Mrd. Euro in Immobilienaktien verwalten. Der Fonds hat den EPRA Europe Index (UK restricted) als Benchmark und liegt kurzfristig, auf 5 oder 10 Jahre hinter seinem Vergleichsindex. Sumners handelt im Fonds recht eifrig mit Aktien (hoher Turnover), die TER beträgt 2,12%. Das alles zerrt an der Performance.

Patrick Sumner sieht bei britischen Titeln einen Discount des NAV von 25% und setzt diesen Wert mit Abschlägen von 7% für den Rest Europas in Beziehungen. Sumner hat im Frühjahr französische Titel Unibail-Rodamco, Klepierre, Fonciere des Regions oder Société de la Tour Eiffel abverkauft und dafür Land Securities, British Land, Hemmerson und Development Securities aufgebaut. Der Fonds hält rund 25% britische und 20% französische Titel. Einzige größere deutsche Aktie ist die im MDAX notierte IVG Immobilien. Sumner hat die Aktie wegen Schwierigkeiten beim Verkauf des Kavernengeschäfts (unterirdischen Öl- und Gaslagerstätten) und dünner Kapitaldecke (‚stretched balance sheet‘) zurückgefahren. Ende März 2008 hielt er noch 500 000 Stücke oder 2% am Fondsvolumen.

Der E&G Immobilienaktien Europa. investiert in Aktien, die meist nicht in den EPRA-Indizes enthalten sind. Der Fonds verdient im engsten Sinne des Wortes das Attribut benchmarkunabhängig. Schwerpunkt des Fonds sind Titel, die einen Bezug zu Osteuropa haben. Ein langjähriger Manager des Fonds Stefan Leibold hat im Februar 2008 die Stuttgarter Privatbank Ellwanger & Geiger verlassen und sich im Agrobusiness selbstständig gemacht. Der Fonds wird nun von seinem langjährigen Kompagnon Helmut Kurz und zwei Analysten geführt. Die Stuttgarter Privatbank ist eine bekannte Adresse im Immobilienbereich, die nicht nur Immobilienaktien im Volumen von 50 Mio. Euro managt, sondern der physischen Asset Klasse Immobilie einen hohen Stellenwert beimisst. Man findet einen Fonds-Fokus über den E&G Immobilienaktien Europa hier .

Dieser Fonds ist im aktuellen Umfeld eine gute Wahl für sehr langfristig orientierte Anleger, die einen ergänzenden Portfoliobaustein suchen. Wer zudem die stark unter die Räder gekommenen britischen und französischen Gesellschaften haben möchte, sollte den E&G Immobilienaktien Europa mit einem Immobilienaktien-ETF kombinieren. Für beide Investmentvehikel gilt: Hier wird gegen den Strom (Markt) geschwommen.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Werner Hedrich  

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