Europäische Banken: Auswirkungen eines griechischen Zahlungsausfalls

Über die Unvermeidbarkeit eines griechischen Zahlungsausfalls und welche europäischen Banken am stärksten betroffen wären.

Jeremy Glaser 28.06.2011
Facebook Twitter LinkedIn

Wir sprachen mit den Morningstar Analysten für Finanzwerte Erin Davis und Maclovio Pina über die Situation in Griechenland und was sie für europäische Banken bedeuten könnte.  

Wenn das Parlament in Griechenland die harten Sparmaßnahmen trotz des  Widerstands in der Bevölkerung billigt und es gelingt, dass griechische Haushaltsdefizit zu verringern: Hilft das, die strukturellen Probleme des Landes anzugehen? Es ist viel die Rede davon, dass die Probleme nur hinausgeschoben werden. Können die Sparmaßnahmen daher den Zahlungsausfall wirklich verhindern? Gibt es eine Möglichkeit, einen Ausfall zu umgehen?

Erin Davis: Ich fürchte, die strukturellen Probleme werden dadurch nicht wirklich gelöst. Auch eine Verlängerung der Kredite würde die fundamentalen Probleme Griechenlands nicht adressieren. Schließlich stehen wir nicht vor einem Liquiditätsproblem. Es geht nicht darum, dass Griechenland jetzt nicht genug Geld hat, um seine Schulden zu begleichen, sondern dass es nie in der Lage sein wird, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Irgendwann werden die EU und andere Schuldner nicht mehr bereit sein, die Laufzeiten für ihre Kredite zu verlängern, und Griechenland wird Marktzinsen zahlen müssen. Wenn es soweit kommt, was noch zwei oder drei Jahre dauern könnte, wird es zum Zahlungsausfall kommen.

Dann stellt sich die Frage, wer die griechischen Schulden hält? Sind es europäische Banken? Werden wir eine Wiederholung des Lehman-Effekts sehen? Wird das Vertrauen ins Finanzsystem wieder zusammenbrechen? Oder können die europäischen Banken einen Zahlungsausfall verkraften?   

Maclovio Pina: Es ist schwierig festzustellen, wer wie viele griechische Anleihen halt. Wir wissen aber recht gut, welche derjenigen Banken, die wir analysieren, am meisten betroffen sind. Die National Bank of Greece, die größte Bank des Landes, wäre natürlich von einer Restrukturierung am stärksten betroffen. Es muss kein direkter Zahlungsausfall sein. Auch andere Arten von Restrukturierungen würden Abschreibungen erfordern, die eine massive Rekapitalisierung nötig machen würden.

Auch andere Banken sind betroffen. Die nächste auf unserer Liste ist Dexia. Danach wird es weniger. Das Problem besteht aber darin, dass wir keine exakten Informationen haben, z.B. auch über CDS, die diese Schulden absichern. Jedenfalls erhalten die Banken durch das Hinausschieben eines Zahlungsausfalls Zeit, um sich auf dieses Ereignis vorzubereiten, nicht wie bei Lehman, als alles sehr plötzlich passierte. Doch einige stehen definitiv vor größeren Problemen.

Nun gibt es Befürchtungen vor einer Ansteckungswelle, die Portugal und Irland oder gar Spanien erfassen könnte. Ist es Ihrer Meinung nach möglich, Griechenland abzuschirmen und dadurch zu verhindern, dass die Probleme auf andere Länder übergreifen?

Pina: Das ist schwierig zu beantworten. Irland und Portugal wären zu verkraften und letztendlich machen wir uns um Spanien fundamental weniger Sorgen, da die Probleme des Landes weniger strukturell sind. Bei einem Zahlungsausfall von Irland wären einige britische Banken wie Lloyds und RBS betroffen.

Sie meinen also, dass das Bankensystem insgesamt die Krise schultern kann?

Pina, Davis: Ja.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dieses Interview erschien ursprünglich am 23. Juni 2011 auf www.morningstar.com.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Jeremy Glaser  Jeremy Glaser is the Markets Editor for Morningstar.com.