Griechenland sollte in die Insolvenz gehen

Es ist Zeit, der Realität ins Gesicht zu sehen.

Bearemy Glaser 23.09.2011
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Die Sorgen um die europäische Staatsschuldenkrise sind nicht neu. Seit über einem Jahr wird über die Schwierigkeiten Griechenlands gesprochen, und eine Vielzahl von Plänen der unterschiedlichsten Gruppen wurde zur Lösung der Krise unterbreitet. Doch keiner der Pläne hat funktioniert. Es wird zunehmend klarer: Europa muss akzeptieren, dass Griechenland bankrott ist und die Insolvenz gehen muss. Dies wird zweifelsohne ein schmerzhafter Prozess sein. Allerdings könnte es helfen, die beängstigende Unsicherheit zu beseitigen, die die Märkte erschüttert, und dazu beitragen, dass Europa wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt.

Griechenland ist insolvent

Mit einer Schuldenlast von 143 % des Bruttoinlandsprodukts Ende 2010 (und diese Zahl ist weiter gestiegen) wird Griechenland niemals in der Lage sein, seinen Gläubigern 100 Cent für einen Euro zurückzuzahlen. Der einzige Weg, dass das Land wieder zahlungsfähig wird, ist eine gewaltige Ausgabenkürzung, eine beträchtliche Steigerung des Wachstums oder eine deutliche Erhöhung der Staatseinnahmen durch die Regierung.

Keines dieser Szenarien scheint wahrscheinlich. An den Vereinigten Staaten sehen wir, dass es unglaublich schwierig ist, die Ausgaben zu kürzen. Die Griechen demonstrieren bereits gegen die vorgeschlagenen Kürzungen, die nicht einmal die Lücken im Haushaltsdefizit in den nächsten Jahren vollständig schließen. Jeder tiefere Einschnitt würde wahrscheinlich den Zusammenbruch der Regierung bedeuten und einer neuen Regierung würde es sicher nicht leichter fallen, Ausgabenkürzungen durchzusetzen.

Griechenland blickt auf eine nicht besonders wettbewerbsfähige Wirtschaft, deren Wachstum zum großen Teil von staatlichen Ausgaben und Subventionen abhängig ist. Wenn diese Zahlungen reduziert werden, dürfte das Wachstum weiter schrumpfen. Da die Konjunktursorgen global zunehmen, ist die Chance, dass sich Griechenland mit mehr Wachstum rettet, nahezu null.

Höhere Einnahmen zu erzielen könnte sogar noch schwieriger sein. Die Steuerhinterziehung ist im ganzen Land weit verbreitet und die griechischen Bürger reißen sich sicherlich nicht darum, mehr Steuern zu zahlen, um Banken zu retten. Es ist unwahrscheinlich, dass die Einführung neuer Steuern einen großen Einfluss haben wird, da viele von ihnen nicht bezahlt werden würden. Die Zahlungsmoral zu verbessern ist nichts, was über Nacht geschieht. Neue Ideen wie das Einführen einer Grundsteuer auf Eigentum, die mit den Stromrechnungen der Besitzer eingezogen wird, und andere Gebühren könnten etwas helfen, doch letztlich sind die Möglichkeiten begrenzt.

Pläne, staatliche Unternehmen und andere Vermögenswerte in großen Stil zu verkaufen, um an Geld heranzukommen, sind bisher ebenfalls gescheitert. Ausländische Firmen wollen sich nicht auf das Minenfeld der arbeitsrechtlichen und politischen Streitigkeiten begeben, das sich mit dem Erwerb eines dieser Unternehmen eröffnen würde. Zieht man noch den negativen Ausblick für das griechische Wirtschaftswachstum in die Rechnung mit ein, werden nicht viele Bieter übrig bleiben – selbst wenn große Rabatte geboten werden.

Der einzige Weg zur Abwendung des Staatbankrotts Griechenlands, der dem Rest der Europäischen Union bleibt, sind weitere Finanzspritzen. Allerdings sind die strukturellen Probleme des Landes nicht durch kurzfristige Hilfsmaßnahmen, die dann wieder mit relativ hohen Zinsen zurückgezahlt werden müssen, aus der Welt geschafft. Damit, die Entscheidung auf die lange Bank zu schieben, tut sich niemand einen Gefallen. Die Unsicherheit, die Griechenland umgibt, ist ein großes Problem. Ohne klare Aussichten auf ein Ende der Krise  werden Investoren jedes Mal sehr nervös reagieren, wenn wieder eine schlechte Nachricht kommt.

Es wäre besser, die ‚Pflaster‘ jetzt abzureißen. Griechenland wird sicherlich Blessuren davontragen, aber es würde damit in die Lage versetzt, den langen Prozess des Umbaus und den Wiederaufbau der Wirtschaft in Angriff zu nehmen. In der Insolvenz könnte das Land die strukturellen Veränderungen vornehmen, die es braucht, um langfristige Stabilität zu erhalten.

Kann die Ansteckungsgefahr eingedämmt werden?

Leider ist nichts so einfach. Die große Sorge besteht darin, dass ein griechischer Staatbankrott eine Kettenreaktion auslöst, die eine ganze Reihe von anderen Volkswirtschaften wie Irland, Portugal und sogar Spanien oder Italien ebenfalls in eine ausgewachsene Krise zwingen würde. Allerdings sollte die ansteckende Wirkung mit der Zeit nachlassen. Die Probleme auf die lange Bank zu schieben, wie im letzten Jahr, hat sich tatsächlich als hilfreich erwiesen. Irland und Portugal haben angemessene Sparmaßnahmen beschlossen und Pläne zur Schuldenreduzierung vorgestellt, die einen klaren Weg zur Zahlungsfähigkeit aufzeigen. Diese Länder könnten zwar Mittel aus Rettungsfonds benötigen, um mit einigen kurzfristigen Liquiditätsengpässen fertig zu werden, aber im Gegensatz zu Griechenland sieht man bei ihnen das Licht am Ende des Tunnels. Und wenn weniger Geld für Griechenland benötigt würde, stünden mehr Mittel zur Verfügung, um den anderen Ländern in der Peripherie zu helfen.

Eine geordnete griechische Insolvenz würde Druck von den neuen Institutionen wie dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (European Financial Stability Facility) nehmen und den Politikern helfen, sich auf die Maßnahmen zu konzentrieren, die die größte positive Wirkung entfalten können. Diese Fokussierung sollte anderen kriselnden Euro-Staaten Zeit verschaffen, um sich zu stabilisieren.

Die Insolvenz ist kein Allheilmittel, das die Welt sofort wieder auf einen starken Wachstumskurs führt. Aber das gegenwärtige System ist unhaltbar. Es ist besser, jetzt für das Unvermeidbare zu planen als weiterhin zu behaupten, dass es kein großes Problem gibt.

Es ist sicherlich möglich, dass ein griechischer Staatbankrott eine Kettenreaktion auslösen könnte, die das globale Finanzsystem noch einmal in die Knie zwingen würde. Wir wissen es einfach nicht. Die Alternativen sind allerdings nicht Insolvenz auf der einen Seite und keine Insolvenz auf der anderen. Vielmehr geht es nur noch darum, wie die Insolvenz von statten geht. Es ist besser, einen gut durchgeführten und durchdachten Plan zu haben, als zu warten, bis eine weitere Krise zu einer Reaktion zwingt. Europas Staats- und Regierungschefs müssen Verantwortung übernehmen und harten Entscheidungen treffen, oder uns erwartet ein heißer Winter.

Bearemy Glaser ist das pessimistische Alter Ego unseres Marktstrategen Jeremy Glaser. Dieser Artikel erschien ursprünglich am 18. September 2011 auf www.morningstar.com.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Bearemy Glaser  Bearish markets editor Bearemy Glaser is the worry-prone alter-ego of markets editor Jeremy Glaser. Each week, Bearemy will share what's topping his list of concerns and invites you to reply or add your own in the comments section below.