Lehren aus dem Facebook-Börsengang

Es war keine Verschwörung im Gange. Die Aktie war schlicht zu teuer.

Jeremy Glaser 04.06.2012
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Die ersten zwei Handelswochen der Facebook-Aktie verliefen, um es freundlich zu formulieren, recht abenteuerlich. Heute steht der Kurs bei unter 27 US-Dollar, knapp ein Drittel unter dem Emissionspreis. Das zeigt, dass das Investieren in Modetrends immer mit Risiken verbunden ist (lesen Sie mehr zu unserer Einschätzung zum Börsengang von Facebook hier).


Die hitzigen Diskussionen über Facebook sind auch nach dem Börsengang nicht zu Ende. Der Unterschied liegt einzig darin, dass der Ton gewechselt hat. Die vielen positiven Meinungen werden nun durch negative Schlagzeilen ersetzt. Im Mittelpunkt steht nicht das hohe Wachstumspotential des Unternehmens, sondern Meldungen, was bei diesem Börsengang alles falsch gelaufen ist. Investoren der Aktie müssen nun Geduld haben. Andere könnten aus diesem Börsengang einiges gelernt haben. 


Börsengänge können trügerisch sein


Die Investoren beklagen sich über eine Reihe von Problemen, die beim Facebook-Börsengang auftraten. Es scheint nun klar zu sein, dass es technische Schwierigkeiten bei der Nasdaq gab, ein so großes Handelsvolumen zu bewältigen. Die anfänglichen Handelsaktivitäten verliefen so spärlich, dass es schon Gerüchte gab, das Geschäft der New York Stock Exchange zu überlassen. Für Investoren ist das einwandfreie Funktionieren einer Börse sicher von hoher Wichtigkeit (erinnern Sie sich nur an den Flash Crash 2010). 


Allerdings waren Investoren stärker über die revidierten Wachstumsaussichten von Facebook beunruhigt. Morgan Stanley und Goldman Sachs korrigierten noch kurz vor dem Börsengang die Wachstumszahlen des Unternehmens nach unten und ließen nur eine kleine Gruppe von Investoren von dieser veränderten Einschätzung wissen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Banken etwas Illegales taten. Es zeigt aber, wie unterschiedlich der Zugang zu bestimmtem Informationen ist. Kleinere Investoren erhalten nur einige Dokumente der SEC zur Einsichtnahme sowie Geschäftsberichte der vergangenen Jahre. Banken und ihre Top-Kunden erhalten dagegen Zugang zum Senior-Management dieser Unternehmen sowie detailliertere Daten und Informationen. 


Am Beispiel Facebook zeigt sich zudem, dass es im Interesse der konsortialführenden Bank ist, das Unternehmen hoch "zu puschen", da das Unternehmen ja der Kunde der Bank ist und nicht der potentielle Investor. Deshalb versuchen die Banken, den Ausgabepreis einer Aktie so hoch wie möglich anzusetzen. Außerdem verdienen sie auch an Investoren, die nach einem Kursanstieg gleich wieder verkaufen. Es dürfte also kein großer Schock sein, wenn diese Banken Wachstumsaussichten für ein börsennotiertes Unternehmen gleich wieder nach unten korrigieren. Zum Glück verringert sich dieser Informationsvorsprung, je länger ein Unternehmen an der Börse ist. Investoren erhalten mit jedem Quartalsbericht mehr Einblick in die Geschäftszahlen des Unternehmens und können sich durch die Teilnahme an den Telefonkonferenzen eine eigene Meinung bilden. Dazu kommen immer mehr Einschätzungen von verschiedenen Analysten. Die Erstplatzierung eines Unternehmens ist immer ein gewagtes Geschäft!


Ein Modetrend muss nicht immer mit satten Gewinnen enden


Über den Facebook-Börsengang wurde viel spekuliert. Er stand nicht nur im Mittelpunkt der Diskussionen von vielen Fondsmanagern, die in Wachstumsunternehmen investieren, sondern auch von vielen kleineren Investoren. Das ist natürlich nachvollziehbar, denn immerhin hat Facebook täglich 500 Millionen  Nutzer auf seiner Internetseite. Aber letztendlich ist immer der Preis entscheidend, für den eine Aktie zum Kauf angeboten wird. Facebook hat sicherlich Potential in der Zukunft. Aber wenn man die Aktie nicht für einen Preis erhält, der wenigstens einen Teil des Werts eines Unternehmens widerspiegelt, kann man sich ordentlich die Finger verbrennen. 


Wenn der Preis zu hoch angesetzt ist, wird es schwierig, trotz hoher Wachstumsaussichten Gewinne zu machen. Investoren sollten schon vorsichtig werden, wenn es sich um einen Modetrend handelt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Investoren ihr Geld verloren, wenn der Trend umschlug. Ein Blick auf erzielte Renditen der Vergangenheit mit Hilfe des Morningstar-Kalkulators zeigt, wie schwer es für Investoren ist, den richtigen Einstiegszeitpunkt für einen Aktienkauf zu finden. Im Falle von Facebook vermute ich, dass viele Investoren dachten, es ist besser die Aktie für den Einstiegspreis von 38 USD zu kaufen anstatt zu warten bis er auf 45 USD angestiegen ist. Wenn alle so denken, wird die Nachfrage bald einbrechen. Und das ist bei Facebook passiert. 


Das Investieren in Technologieaktien ist immer risikobehaftet


Ein interessanter Faktor nach Beginn der Finanzkrise war, dass Internetfirmen wieder aus dem Boden schossen. Einen Teil trugen Cloud-Anbieter dazu bei oder Unternehmen, die sich der Entwicklung von Smartphones widmen. Diese Firmen brauchten wenig Startkapital und fielen durch hohe Wachstumsraten schnell in den Fokus der Anleger. Schätzungen des Werts dieser Unternehmen erklommen Höchststände und Erstplatzierungen wurden mit Spannung erwartet. Nachdem die Investoren mehr Einsicht in die Geschäftszahlen dieser Unternehmen erhielten, ist ihre Begeisterung gefallen. Ein Beispiel ist Groupon, das 54% seit seinem Listing verloren hat. Zynga verlor 28% und Pandora -33%. LinkedIn stellt eine Ausnahme dar, da man leicht verstehen kann, wie das Unternehmen Umsätze generiert. Facebook könnte sich in die Reihe der Enttäuschungen einreihen, jedenfalls auf kurze Sicht, da Investoren die positiven Wachstumszahlen in den Einstiegspreis miteinkalkuliert hatten. 


Verstehen Sie uns nicht falsch. Wir schätzen den Wettbewerbsvorteil von Facebook durchaus hoch ein und verstehen auch, wie es zu dem hohen Ausgabepreis kam, obwohl wir ihn für zu hoch hielten. Facebook zeigt nur wieder, dass Börsengänge von Tech-Firmen auch nicht anders zu bewerten sind als bei anderen Unternehmen. Unserer Meinung nach war der Ausgabepreis von 38 USD zu hoch angesetzt: Die Fundamentaldaten sind letztendlich für die Bewertung zuständig. Wir hoffen, dass dieses Beispiel dazu beiträgt zu verstehen, dass auch trendige Unternehmen wirtschaftlichen Regeln unterliegen. Viele langfristige Investoren haben den Facebook-Börsengang interessiert verfolgt, ohne einen Dollar zu verlieren. Sie haben verstanden, wohin eine IPO-Hype führen kann!

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Jeremy Glaser  Jeremy Glaser is the Markets Editor for Morningstar.com.