Perspektiven des Fondshandels an der Börse

Der Handel von aktiven Fonds an der Börse ist nach wie vor ein Nischensegment für Selbstentscheider. Könnten aktive Fonds über die ETF-Hülle mehr Marktanteile im Handel gewinnen?

Ali Masarwah 31.10.2012
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Börsengehandelte Indexfonds (ETFs) entwickeln sich weiter. Brachte die Branche vor rund 12 Jahren erstmals Produkte auf Standard-Indizes auf den Markt, sind heute „intelligente“ Indexprodukte gefragt, die immer mehr aktive Strategien verfolgen. Wir haben im ersten Teil unserer Serie zu aktiven ETFs die Produktseite beleuchtet (lesen Sie hier mehr). Im zweiten Teil werfen wir einen Blick auf den Börsenhandel mit Fonds und stellen die Frage, ob aktive ETFs diesem Handelssegment einen Schub verleihen können. Werden aktive ETFs das Instrument sein, das Privatanlegern das Tor zu den Börsen öffnen wird? Dazu blicken wir auf die kurze Historie des Fondshandels in Deutschland. Wie aktiv sind Fondsanleger beim Handel über die Börse?

Der Börsenhandel mit aktiven Fonds ist noch ein junges Phänomen

Während sich der ETF-Handel in Deutschland seit seinem Start auf Xetra Anfang des Milleniums durch eine hohe Liquidität auszeichnet, gilt das nicht für den Handel mit aktiven Fonds. Fonds werden in aller Regel über die Kapitalanlagegesellschaft (KAG) gekauft und verkauft. Abzüglich des Ausgabeaufschlags fallen keine Gebühren beim Kauf an, und auch beim Verkauf sind Rücknahmegebühren die große Ausnahme. Deshalb sind die deutschen Marktplätze erst relativ spät auf das Geschäftsfeld Fondshandel aufgesprungen. In Frankfurt fand der Handel mit aktiven Fonds zunächst keine große Beachtung. Vor allem die Regionalbörsen in  Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart haben diesen Nischenmarkt für sich entdeckt.

Eine Nische ist der Handel mit aktiven Fonds bis heute geblieben. Der Marktanteil der Börsen ist nach wie vor verschwindend gering. Die jüngste Umfrage des Fondsverbands BVI aus dem Jahr 2009 führt die Börsen – zusammengefasst mit Fondsshops - nur als „sonstigen“ Vertriebsweg auf. Ganze 4,0% der befragten Fondsanleger nannten seinerzeit Börsen und Fondsshops als erste Bezugsquelle für ihre Fonds. Zum Vergleich: Banken und Sparkassen machten gut 2/3 des Fondsvertriebs aus, der Direktvertrieb der Fondsgesellschaften folgte auf Platz 2 mit einem Anteil von gut 12%. Diese Konstellation gilt - grosso modo - auch noch heute.

Auch wenn ein Teil des Fondshandels der Direktbanken den Börsen zugeschlagen werden muss, spricht wenig dafür, dass aktive Fonds in den nächsten Jahren dem klassischen Banken- und Versicherungsvertrieb verlustig gehen werden. Dafür dürften das Universalbankenprinzip und die Verbreitung fondsgebundener Policen, die den Handel über die KAGen abwickeln, Sorge tragen. Ein Argument für den Fondshandels über die Börse verliert zudem immer mehr an Überzeugungskraft: der Wegfall des Ausgabeaufschlags. In heutigen Zeiten sind die Ausgabeaufschläge auch beim Erwerb von Fonds über den Anlageberater immer mehr Verhandlungssache. Oft verzichtet auch der klassische Vertrieb auf das so genannte Agio. Beim Fondshandel über die Börse fallen demgegenüber unverändert Brokergebühren und Spreads an, die bei dem - im Extremfall  agiofreien - Handel über die KAG so nicht zum Tragen kommen.

Werden aktive ETFs die Situation grundlegend verändern?

Werden aktive ETFs, die von der Indexfondsbranche derzeit gepusht werden, als Türöffner für den Fondshandel an der Börse fungieren? Es fällt schwer sich vorzustellen, dass aktive ETFs auf Sicht diese Rolle einnehmen werden. Sie dürften auch künftig nicht in einer Liga mit ETFs auf den Dax oder Euro STOXX 50 spielen. So sehr aktive ETFs Wachstumsphantasien bei den ETF-Anbietern wecken: Im Handel werden sie auf absehbare Zeit keine Bäume ausreißen. Diese Prognose abzugeben, stellt kein Wagnis dar, wenn man sich die Natur des ETF-Markts vor Augen führt. 

Regelmäßig weist die Deutsche Börse den iShares Dax als mit Abstand liquidesten ETF, ja sogar als das liquideste Wertpapier, aus, das auf der Börsenplattform Xetra gehandelt wird. Hintergrund: Der ETF- Markt in Europa wird von institutionellen Investoren geprägt. Sie machen mindestens 90% des Marktes aus. Auch wenn institutionelle Investoren ETFs bevorzugt außerbörslich handeln, beherrschen sie ebenfalls den ETF-Handel an den Börsen. Wer den Liquiditätsmonitor der Deutschen Börse verfolgt, wird feststellen, dass Standardwerte ETFs, die im Fokus der institutionellen Anleger sind, den Handel dominieren.

Institutionelle Investoren dominieren den ETF-Handel

 

Allenfalls von Fall zu Fall schieben sich Hebel-ETFs in den Umsatz-Rankings nach vorne, wenn Dachfonds oder Vermögensverwalter taktische Wetten eingehen. Der Fokus der institutionellen auf Standardwerte ist klar: nur sie erfüllen uneingeschränkt das Versprechen der ETF-Industrie, jederzeit liquide, günstig und schnell über die Börse handelbar zu sein. Viele der ETF-Nischenstrategien, die aktive Komponenten beinhalten, sind schlicht zu klein und zu wenig liquide um für institutionelle Investoren in großem Stil infrage zu kommen. Zudem sind ETFs, die Nischen wie beispielsweise Minimum-Variance-Strategien verfolgen, keine Killerapplikationen, mit denen ETF-Anbieter bei den Profis offene Türen einrennen: Diese Konstruktionen zu bauen, das schaffen institutionelle Anleger selbst – und zu deutlich günstigeren Preisen als es Strategie-ETFs vermögen. 

Bleiben also bis auf weiteres vor allem Kleinanleger als wichtige Zielgruppe im Börsenhandel mit aktiven ETFs. Und die reißen bekanntermaßen keine Bäume aus. Das zeigen Daten der Deutschen Börse. Das Active ETF Segment der Deutschen Börse wurde im Jahr 2007 aufgelegt. Aktuell sind fünf Produkte dort notiert, vier ETFs der „Smart Equity“-Reihe von Julius Bär sowie der PIMCO Euro Short Maturity Source ETF. Das verwaltete Vermögen dieser ETFs liegt bei 118 Millionen Euro. Im Vergleich dazu beläuft sich das Fondsvermögen der im ETF Segment der deutschen Börse vertretenen Produkte auf rund 170 Milliarden Euro - bei 1.000 handelbaren Werten. Der durchschnittliche monatliche Orderbuchumsatz im großen ETF-Segment liegt aktuell bei 12 Milliarden Euro.

Aktive Fonds sind im Handel auch bei den Regionalbörsen Außenseiter ...

Und wie sieht das Verhältnis bei den Regionalbörsen aus, die den Fondshandel zu einer ihrer Kernkompetenzen ausgerufen haben? Hier unterscheidet man nicht zwischen aktiven ETFs und herkömmlichen Indexprodukten. Sie fallen in den allgemeinen ETF-Handel. Bei der Börse Stuttgart belief sich im Jahr 2011 der Umsatz mit ETFs auf rund 7,8 Milliarden Euro. Bei aktiven Fonds gingen Stücke im Volumen von 1,15 Milliarden Euro um. Erhellend ist das Bild, wenn man sich die Steigerungsraten vornimmt. Während der Börsenumsatz mit aktiven Fonds auf der Euwax in Stuttgart 2011 gegenüber dem Vorjahr um knapp 10% zulegte, konnte der ETF-Handel um gut 35% zulegen. Positiv formuliert besteht also viel Luft nach oben beim Handel mit aktiven Fonds.

... Börsen können aber in Krisensituationen eine Ausweg für Anleger bieten

Ein etwas anderes Bild findet man bei der Börse Hamburg. Hier dominierten in diesem Jahr bisher aktive Fonds die Umsätze. Unter den 20 Fonds mit den höchsten Umsätzen befindet sich in diesem Jahr nur ein ETF: Der ETFlab Dax mit einem Umsatz von gerade einmal 6,97 Millionen Euro. Ein genauerer Blick auf die Umsatzbringer zeigt allerdings, dass der Handel mit aktiven Fonds 2012 von einer Sondersituation getragen wurde: die Krise der offenen Immobilienfonds. Die Aussetzung der Rücknahme von Anteilsscheinen von vielen offenen Immobilienfonds durch die Fondsanbieter hat die handelswilligen Anleger in Scharen an die Börsen getrieben. Folgerichtig verzeichneten die offenen Immobilienfonds CS Euroreal und SEB ImmoInvest (beide mittlerweile in der Liquidation) mit 297,4 Millionen bzw. 164,5 Millionen Euro die höchsten Umsätze dieses Jahr in Hamburg. Die sehr hohen Spreads dürften ein Indikator sein, dass viele Anleger nicht freiwillig ihre Anteile an offenen Immobilienfonds abgestoßen haben.  

Nimmt man aktive ETFs als das, was sie sind, nämlich aktive Fonds im Mantel eines ETF, dann dürfte es angesichts dieser niedrigen Ausgangsbasis - positiv formuliert - einige Zeit dauern, bis aktive ETFs sich im Fonds-Handel zu einer wichtigen Größe gemausert haben werden. Eine Außenseiterchance haben sie allerdings: Sollte es den ETF-Anbietern gelingen, einen Publikumsfonds-Renner in einen Börsenmantel zu packen, könnte das für einen Schub sorgen: In den USA legte PIMCO den Flaggschiff-Fonds von Bill Gross, den PIMCO Total Return, als ETF auf. Der PIMCO-ETF sammelte binnen kurzer Zeit rund 2,5 Milliarden US-Dollar ein. Das sorgte auch für brummende Umsätze bei den Brokern an der Börse.

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich