Schlaumeiern kann Anleger teuer zu stehen kommen

Der EURO STOXX 50 bietet die Möglichkeit, auf eine Fortsetzung der Aktienerholung zu setzen. Doch was ist mit den zahlreichen Index-Optimierungsstrategien? Unsere Kolumne zu ETF-Spreads und anderen Kosten.

Ali Masarwah 15.03.2013
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Wohin steuert die Eurozone? Diese Frage könnte für Aktienanleger in den heutigen Zeiten gleichermaßen naheliegend wie irrelevant sein. Denn angesichts der finanziellen Repression sehen sich immer mehr Investoren aus sicheren Anlagen wie Festgeld herausgedrängt. Wem reale Einbußen drohen, sucht sich höher rentierliche Investments, wie etwa Aktien. Die sind der Idee nach zwar riskanter als Festgeld, doch wenn nicht nur 2, sondern 20.000 oder 200.000 Anlager ähnlich vorgehen, werden Risikopapiere hochgekauft. Fundamentale Überlegungen müssen dabei keine Rolle spielen (zunächst jedenfalls nicht).

So passiert es derzeit überall auf dem Globus. Anleger gehen immer mehr ins Risiko und setzen auf Aktien und Hochzinsanleihen - und wurden bisher belohnt. Gut möglich, dass das Niedrigzinsumfeld und die Vergangenheits-Performance immer mehr Anleger zu einem derartigen Vorgehen verleiten werden - die Hausse nährt ja bekanntlich die Hausse. Insofern könnten gerade solche Anlagesegmente profitieren, die noch Kurspotezial versprechen - und das sind wegen des hohen Gewichts von Aktien aus Euro-Südländern Indizes wie der EURO STOXX 50. Nach hohen Abflüssen zwischen 2010 und 2012 kaufen immer mehr Anleger heute Eurozonen-Aktien, wie unsere Daten zu Geldflüssen zeigen (lesen Sie hier mehr).

Plain-Vanilla-Indizes und Strategie-ETFs im Blick

Wir wollten in unserem wöchentlichen Bericht über ETF-Kosten zum einen wissen, wie hoch die Kosten klassischer EURO STOXX 50-ETFs sind. Zum anderen wollten wir wissen, wie sich die alternativen Zugänge zu Euroland-Aktien mit Blick auf die Kosten für Anleger geschlagen haben. Dabei haben wir auch einen Seitenblick auf das Rendite-Risiko-Profil der so genannten Strategie-ETFs auf Euroland-Aktien geworfen. Diese kosten mehr als Standard-Index-ETFs, versprechen aber einen "intelligenteren" Zugang zu Aktien als Indizes, die nach Marktkapitalisierung gewichtet sind. Unsere Frage war: Wenn die "dummen" Indizes billig sind, dann sollten die teureren, tatsächlich oder vermeintlich schlauen Indizes besser sein. Oder etwa nicht?

Kommen wir kurz zu den Kosten eines ETF. Management-Gebühren und Gesamtkostenquoten sind das Eine. Das Andere sind die Handelskosten, die im Gegensatz zum Ausgabeaufschlag von aktiven Fonds bei ETFs je nach Produkt, Handelszeit und Handelsplatz schwanken. Insofern gibt die TER nicht das gesamte Bild der Kosten eines ETFs wider. Der Spread ist die Spanne zwischen An- und Verkauf eines Produkts, die sowohl im börslichen als auch im außerbörslichen Handel entsteht (lesen Sie hier mehr).

Um Anlegern einen besseren Überblick zu ermöglichen, berichten wir jede Woche über die Handelskosten einer ausgewählten ETF-Kategorie. Dabei prüfen wir den durchschnittlichen Spread, der an den vorangegangenen 30 Handelstagen, also vom 1. Februar bis zum 14. März, angefallen ist. Der durchschnittliche Spread an den 30 Tagen setzt sich aus tausenden von Datenpunkten zusammen und bildet das Sortierkriterium unseres wöchentlichen Rankings. Bei der Auswahl entscheiden wir uns für den Börsenplatz in Europa mit den günstigsten Handelskonditionen.

Auf Branchenebene gut diversifziert: Der EURO STOXX 50

Zunächst ein kurzer Überblick über den EURO STOXX 50. Aktien aus Frankreich und Deutschland machen rund 2/3 des Index aus. Spanische und italienische Aktien stellen allerdings eine ordentliche Beimischung dar und sind mit 12,2% bzw. 7,6% gewichtet. Finanztitel machen rund 25% des EURO STOXX 50 aus. Allerdings umfasst das auch Versicherungen und Finanzdienstleister und nicht nur Banken. Konsumgüter sind mit rund 20% und Industrie- und Gesundheitstitel sind mit etwa je 10% gewichtet. Auf Sektorenebene ist der Index also gut diversifiziert.

Anders das Bild bei Strategie-Indizes, die sich vom EURO STOXX bzw. anderen Euroland-Indizes ableiten. Sie weisen deutlich höhere Konzentrationen auf Branchenebene auf. Diese Indizes folgen anderen Regeln, die Mehrwert gegenüber dem "Mutterindex" bringen sollen.

Der EURO STOXX Select Dividend 30 setzt etwa auf dividendenstarke Titel. Hier sind vor allem Versorger, Telekoms und Energiewerte hochgewichtet. Der EURO STOXX Total Market Growth LC hat Wachstumsaktien im Fokus. Entsprechend dominieren zyklische und nichtzyklische Konsumgüter und Industriewerte. Spiegelbildlich dazu ist der EURO STOXX Total Market Value LC gestrickt. Er setzt sich vor allem aus - tatsächlich oder vermeintlich billigen - Banken und - definitiv billigen - Versorgern zusammen. Der Dow Jones Eurozone Sustainability Screened enthält wiederum nur Aktien, die der Nachhaltigkeits-Spezialist SAM durchwinkt. Waffen-. Porno- und Tabakhersteller finden sich hier nicht. 

Kommen wir nun zu den Spreads und den laufenden Kosten. Die untere Tabelle bietet eine Auswahl von 10 Produkten. Vertreten sind einerseits die 5 größten Standardwerte ETFs auf den EURO STOXX 50, andererseits die 5 größten Strategie-ETFs, die sich aus Euroland-Indizes ableiten. Sortiert ist die Tabelle nach der durchschnittlichen Handelsspanne, die an den letzten 30 Tagen beobachtet wurde. 

Tabelle: Standardwerte versus Strategie-ETFs: 1:0 für Plain Vanilla

Wie aus der Tabelle hervorgeht, punkten Standard-ETFs auf den EURO STOXX 50 in zweierlei Hinsicht: Einmal mit Blick auf die Spreads, und zum anderen mit Blick auf die laufenden Kosten. Der günstigste EURO STOXX 50 ETF im Handel ist das Produkt von Lyxor, das einen Spread von nur einem Basispunkt aufweist. Es folgen die drei EURO STOXX 50 ETFs von iShares und der Deutschen Bank mit nur 2 Basispunkten. Interessanterweise war Spread auf den iShares EURO STOXX Select Dividend 30 gleich günstig wie die ETFs auf den Plätzen 2 bis 4. Deutlich teurer, aber immer noch im Rahmen, ist der Handel dagegen beim Value-Produkt von Lyxor, das mit 14 Basispunkten abgeschlagen auf dem letzten Platz unserer Auswahl liegt. Bei den Spreads sind die Unterschiede also groß aber nicht gravierend.

Ganz anders hingegen das Bild bei den laufenden Kosten, die sich vor allem aus der Management Fee zusammensetzen. Hier sind die Strategie-Produkte durch die Bank deutlich teurer als die Pendants auf den EURO STOXX 50. Das Produkt von Amundi und der irische iShares-ETF auf den EURO STOXX 50 sind mit 15 bzw. 16 Basispunkten sehr günstig, und der Deutsche-Bank-ETF weist sogar keine laufenden Management-Kosten auf. Die Strategie-ETFs kosten pro Jahr dagegen 40 bzw. 41 Basispunkte. Ein glasklares 1:0 also für Standardwerte-ETFs.

Euroland-ETF-Anleger: Strategielos reich?

Wir wollen abschließend einen Blick auf die Performance der 10 Produkte bzw. auf ihr Rendite-Risiko-Profil werfen. Haben sich Strategie-ETFs für Anleger in den vergangenen 3 Jahren gelohnt? Waren sie ihr Geld wert? 

Tabelle: Wachstum schlägt den Markt - aber auch den Value-Bruder

Wie aus der oberen Tabelle hervorgeht, hat der auf Wachstumswerte fokussierte iShares EURO STOXX Total Market Growth Large Caps mit einer Performance von 12,6% pro Jahr in den vergangenen 3 Jahren alle anderen ETFs weit hinter sich gelassen. Und das bei zugleich unterdurchschnittlicher Volatilität. Er wird gefolgt vom Nachhaltigkeits-ETF, der auch von iShares aufgelegt wurde. Danach folgen auf den Plätzen und mit gebührendem Abstand die Standardwerte-ETFs, die eine Rendite von nur rund 2,1% pro Jahr einbrachten. Deren Volatilität ist mit rund 17,5% pro Jahr auch deutlich höher als die beiden erstplatzierten ETFs.

1:1 für die Strategie-Indizes also? Nicht unbedingt. Denn drehen wir die Tabelle, dann zeigt sich, dass die beiden Value-Produkte und der Dividenden-ETF (der einen so günstigen Spread hat) ihren Anlegern in den vergangenen 3 Jahren pro Jahr ein Minus gebracht haben. Das verwundert nicht, da der EURO STOXX Select Dividend 30 vor allem auf Versorger, Telekoms und Energiewerte setzt und der EURO STOXX Total Market Value LC vor allem aus Banken und Versorgern besteht, aus Aktien also, die schon seit längerer Zeit mega-out waren.

Was sind die Schlussfolgerungen für Anleger? Wir antworten mit einer Gegenfrage: Hätten Anleger vor drei Jahren, also im Frühjahr 2010, vor ihrem Investment in einen Strategie-ETF wissen können, dass ein Jahr später die Katastrophe von Fukushima die Geschäftsmodelle wichtiger Versorger durcheinanderbringen würde? Und dass der sich abzeichnende Griechen-Default und die Katastrophen-Begleitmusik der Märkte für Banken wie BNP, Société Générale und UniCredit im Herbst 2011 dramatische Kurseinbrüche bringen würde? Oder hätte er wissen können, dass Konsumwerte und Industrietitel in der damaligen Zukunft vorne liegen würden?

Nicht? Eben! Strategie-ETFs basieren auf Annahmen. Und diese können falsch sein bzw. für gewisse - auch längere - Zeit nicht aufgehen. Vorhersehen können Anleger das nicht, da sie keine Glaskugel besitzen. Blasen die Euroland-Banken, Telekoms und Versorger zu einer Kursaufholjagd, dann könnte sich das Bild unserer Tabelle in 3 Jahren ganz anders gestalten. Oder eben auch nicht.

Taktisch mag die Aussicht auf eine Outperformance mit einem Strategie-ETF ganz reizvoll sein. Doch das bringt ein hohes Konzentrationsrisiko mit sich. Anleger, die strategisch investieren und auf vielerlei Risikoprämien setzen wollen, dürften mit einem Standardwerte-ETF besser fahren. Er ist breiter gestreut als Strategie-Produkte und lässt Anleger auf jeden Fall ruhiger schlafen.  

 

 

 

 

 

 

 


   

 

 

 

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich