Die wichtigsten Erkenntnisse:
- Nachdem die Renditen von Bundesanleihen aufgrund der hohen geplanten Ausgaben Deutschlands in die Höhe geschnellt waren, hat die globale Volatilität sie wieder sinken lassen
- Investoren präferieren kürzere Laufzeiten, da sich die EZB dem Ende ihres Zinssenkungszyklus nähert.
- Der Markt für Bundesanleihen ist im Vergleich zu US-Treasuries aber nach wie vor klein.
Angesichts der eskalierenden Handelsspannungen, der deutschen Konjunkturprogramme und der divergierenden Politik der Zentralbanken in den USA und der EZB sind deutsche Staatsanleihen zu einer bevorzugten Wahl für risikoscheue Anleger geworden. Die Rendite der 10-jährigen Benchmark-Bundesanleihe, die zu Jahresbeginn bei 2,1 % lag, stieg im März stark an, bevor sie Anfang April fiel und derzeit bei 2,52 % notiert.
Trotz der hohen Nachfrage erwarten die Anleger, dass die Renditen von Bundesanleihen angesichts der ehrgeizigen deutschen Ausgabenpläne hoch bleiben werden.
“Die Kurse deutscher Bundesanleihen waren in den letzten Monaten volatil, weil mehrere Kräfte gleichzeitig im Spiel sind”, sagt Shannon Kirwin, Manager Research Analystin bei Morningstar. “Einerseits treiben die Erwartung höherer Haushaltsausgaben und die Emission von mehr Schuldtiteln die Renditen in die Höhe, während andererseits das schwache Wirtschaftswachstum und die Zinssenkungen der EZB die Renditen nach unten treiben.”
“Gleichzeitig haben die Wirtschaftspolitik der Trump-Administration und der Handelskrieg das Vertrauen der Anleger in US-Staatsanleihen als ultimativen sicheren Hafen erschüttert, so dass viele stattdessen auf deutsche Bundesanleihen setzen. Dies hat dazu beigetragen, dass die Bundesanleihen seit April eine Rallye erlebt haben.”
Druck auf US-Treasuries begünstigt Bundesanleihen
Der US-Anleihemarkt ist unterdessen erneut unter Druck geraten, als das neue Steuergesetz von US-Präsident Donald Trump Anfang Juni konkret wurde. Die Anleger befürchten, dass das Gesetz das US-Haushaltsdefizit in den nächsten zehn Jahren um mehr als 3 Billionen US-Dollar erhöhen könnte. Anhaltende Inflationssorgen und politische Unsicherheit belasten die Stimmung zusätzlich.
Kirwin meint, dass das Interesse an Bundesanleihen anhalten könnte, solange die Zweifel an der Kreditwürdigkeit und dem Wachstum der USA bestehen. “Dieser Trend wird sich wahrscheinlich umkehren, wenn die Anleger wieder Vertrauen in US-Staatsanleihen fassen oder wenn Wachstum und Inflation in der Eurozone deutlich anziehen. Außerdem haben die jüngsten Schlagzeilen über den Handelskrieg die Aufmerksamkeit von den deutschen Plänen für Verteidigungsausgaben abgelenkt, aber wenn diese wieder in den Fokus rücken, könnten die Renditen der langfristigen Bundesanleihen steigen.”
Hakem Saidi, Senior Portfolio Manager Global Bonds bei BayernInvest, stimmt dem zu: “Die Ära des billigen Geldes ist vorbei. Angesichts steigender Emissionsvolumina und geopolitischer Unsicherheiten erscheint ein Zinsniveau von drei Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen als neue Normalität – nicht als Ausnahme.”
Bundesanleihen sind seiner Einschätzung nach zurück, aber nicht als risikofreier Selbstläufer. “Wer in zehnjährige Titel investiert, erhält aktuell wieder leicht positive Realrenditen. Doch bei wachsender Staatsverschuldung und hoher Zinsvolatilität ist das keine Rückkehr zur alten Ordnung, sondern der Beginn eines neuen Regimes.”
Nach Ansicht der DWS haben Bundesanleihen dank eines besseren Risiko-Ertrags-Profils, insbesondere im Vergleich zu US-Treasuries, wieder an Attraktivität gewonnen. “Ihre Solidität, die steile Kurve von Bundesanleihen im Vergleich zu US-Treasuries und das allgemein höhere Renditeniveau sprechen unserer Meinung nach für Bundesanleihen”, so Vincenzo Vedda, Chief Investment Officer bei der DWS.
Werden Bundesanleihen mit US-Treasuries konkurrieren?
“Wir sehen aktuell keine Ablösung der US-Treasuries durch Bundesanleihen als globalen sicheren Hafen”, sagt Bastian Freitag, Leiter der Abteilung für festverzinsliche Wertpapiere in Deutschland bei Rothschild & Co Wealth Management.
Zwei Gründe sprechen aus seiner Sicht dagegen: Erstens fehle es an einem strukturellen Shift zugunsten des Euroraums, zweitens sei der Markt für Bundesanleihen schlicht zu klein. „Das tägliche Handelsvolumen bei US-Treasuries liegt bei 600 bis 1.000 Milliarden US-Dollar – mindestens das Zehn- bis Zwanzigfache dessen, was wir bei Bundesanleihen sehen. Im Vergleich dazu ist der deutsche Markt deutlich kleiner und weniger liquide."
Dennoch sieht Freitag Potenzial für diese Anlageklasse: “Was wir durchaus sehen, ist der mögliche Beginn einer Diversifizierung der Währungsräume, von dem Bundesanleihen profitieren könnten.” So sei bei internationalen Investoren nicht nur die Bonität entscheidend, sondern vor allem die Frage: Welche Währung will ich halten – und wie teuer ist es, das Währungsrisiko abzusichern, sofern es abgesichert werden soll.
Aus Sicht eines Dollar-Investors sei es auf währungsgesicherter Basis aktuell oft unattraktiv, in Euro-Anleihen zu investieren. Das gilt besonders, wenn die Kosten für die Währungsabsicherung berücksichtigt werden, insbesondere im Vergleich zu auf Yen oder Dollar lautende Instrumente. „Japanische Anleihen rentieren bei langer Laufzeit gehedgt in Dollar mit bis zu 4,8 Prozent – das ist mehr als Bundesanleihen bieten“, gibt Freitag zu Bedenken.
Wer allerdings im Euro-Anleihenraum investieren will, erwägt laut Freitag meist Bundesanleihen. „Das ist der liquideste Markt im Euroraum und Deutschland verfügt als eines von drei Ländern noch über ein AAA-Rating”, fügt Freitag hinzu.
Morningstar DBRS beispielsweise vergibt innerhalb der Eurozone nur für Deutschland, die Niederlande und Luxemburg ein AAA-Rating.
Thomas Romig, CIO Multi Asset bei Assenagon, ist wenig begeistert von langfristigen deutschen Staatsanleihen. “Wir stehen Staatsanleihen kritisch gegenüber, aus zwei Gründen. Wir gehen nicht davon aus, dass die Inflation so stark zurückgeht wie in den 2010er-Jahren. Das bedeutet, dass reale Renditen weiter niedrig bleiben.“
Hinzu komme, dass Staatsanleihen in der Regel eine lange Duration haben, und das war zuletzt wenig hilfreich. “Wenn wir im Rentenbereich investieren, dann lieber in Unternehmensanleihen mit kürzerer Laufzeit, dort ist das Chance-Risiko-Verhältnis besser.“
Darüber hinaus bieten Staatsanleihen keinen zuverlässigen Schutz mehr gegen die Volatilität von Aktien. Der klassische Diversifikationseffekt – also die Absicherung von Aktienrisiken durch Staatsanleihen – sei verschwunden. „Bis März 2021 hatten wir noch eine negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen. Seither ist dieser Versicherungseffekt weg.“ Die Korrelationen zwischen den beiden Anlageklassen waren in den letzten Jahren leicht positiv.
Zwar ist die Zinskurve in diesem Jahr steiler geworden, das heißt die Renditen von Bundesanleihen mit längeren Laufzeiten sind stärker gestiegen als die von Anleihen mit kürzeren Laufzeiten. Doch reicht die Steilheit nicht aus, um Investitionen in Bundesanleihen mit langen Laufzeiten zu rechtfertigen. “Die Zinsdifferenz zwischen zwei- und zehnjährigen Bundesanleihen beträgt derzeit nur 0,6 %. Das ist für langfristige Anlagen nicht attraktiv - wir würden sie erst in Betracht ziehen, wenn der Spread über 10 Jahre bei über 1 % läge.”
Investoren bevorzugen kurze Laufzeiten für Anleihefonds
Die europäischen Kapitalflüsse zeigen ebenfalls auf eine Präferenz für Anleihen mit kürzerer Laufzeit, da sich die EZB dem Ende ihres Zinssenkungszyklus nähert. Das zeigen Daten von Morningstar Direct. Die Anlegernachfrage nach kurzfristigen offenen und börsengehandelten Euro-Staatsanleihenfonds mit Sitz in Europa hat in diesem Jahr zugenommen, wobei die Nettomittelzuflüsse im April mit 1,8 Mrd. EUR einen Mehrjahresrekord erreichten. Die Zuflüsse in Vehikel, die Anleihen der Eurozone mit unterschiedlichen Laufzeiten halten, haben sich in diesem Jahr hingegen nicht positiv entwickelt.
Spreads zwischen deutschen und südeuropäischen Anleihen auf Mehrjahrestief.
Trotz der Volatilität in anderen Ländern sind die Spreads in der Eurozone eng geblieben. Am 10. Juni hatte sich der Abstand zwischen italienischen BTPs und 10-jährigen Bundesanleihen auf 0,91 Prozentpunkte verringert, den niedrigsten Stand seit Anfang 2021. Auch die französischen und spanischen Spreads haben sich verrengt.
Freitag von Rothschild & Co interpretiert dies als ein bezeichnendes Zeichen für die derzeitige Risikobereitschaft der Märkte. „Wir sind in einer Phase, in der Risikoassets sehr gut performen – der DAX ist nahe Allzeithochs. Die allgemein höhere Risikobereitschaft ist in meinen Augen das Hauptargument, dass auch Staatsanleihen der Euro-Peripherie gut performen. Zudem gibt es wenig Gegenwind aus den Peripherieländern.”
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