„Insgesamt stellen wir keine generelle Überhitzung fest.“

Morningstar sprach mit Patrick Sumner, Leiter des globalen Teams für Immobilienaktien bei Henderson und Manager des Henderson Horizon Pan European Property Equities Fund über die Trends am europäischen börsennotierten Immobilienmarkt.

Natalia Siklic, 03.11.2005
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Wie sieht das Anlageuniversum für europäische Immobilienaktien aus?

Unsere Benchmark EPRA Europe umfasst 80 Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 95 Mrd. Euro. Hinzu kommen noch etwa 40 Werte, die aufgrund ihrer Aktivitäten oder des geringen Börsenwerts nicht in der Benchmark enthalten sind. Wohnimmobilien spielen mit etwa 7% der Marktkapitalisierung eine geringe Rolle – auf globaler Ebene ist der Anteil mit 12% etwas höher. Im Vordergrund stehen aber Büro- und Einzelhandelsobjekte, die zusammen 80% des europäischen Markts abdecken.

In Frankreich, Belgien und den Niederlanden gibt es

steuertransparente Immobiliengesellschaften. Diese genannten Real Estate Investment Trusts (REITs) sind von der Körperschaftssteuer befreit und schütten ihre Gewinne größtenteils an die Aktionäre aus, die diese wiederum versteuern müssen. In Großbritannien und Deutschland ist die Einführung von REITs geplant.

Der Fonds hat ein sehr konzentriertes Portfolio. Woran liegt das?

Wir halten derzeit 36 Titel. Es könnten sogar noch weniger sein, wenn wir nicht auch in einigen kleineren Projektentwicklern investiert wären, die sich in Osteuropa engagieren. Diese machen etwa 4% des Fondsvermögens aus, aus Liquiditätsgründen streuen wir aber bei der Anlage in Small Caps über mehrere Titel.

Was sind für Sie die wichtigsten Kriterien bei der Aktienauswahl?

Abgesehen von den zugrunde liegenden Objekten ist das Management maßgeblich. Wir betrachten die Geschäftsstrategie und beurteilen die finanzielle Verfassung des Unternehmens. Letzteres ist bei steigenden Zinsen besonders wichtig.

Investieren Sie in Osteuropa?

Wir besitzen gegenwärtig keine Aktien von Unternehmen, die außerhalb von Westeuropa notiert sind, sind aber indirekt in Osteuropa vertreten. Einzige Ausnahme davon ist Yapi Kredi Koray, eine türkische Immobilien-Investmentgesellschaft. Wir halten REITs in der Türkei für sehr attraktiv, da diese im Vergleich zu europäischen REITs keinen Beschränkungen in Bezug auf die Projektentwicklung, Kreditaufnahme und Ausschüttungen unterliegen.

Was halten Sie vom deutschen Immobilienmarkt?

In Deutschland ist der Immobilienmarkt nicht besonders gut in Form. Bei Büroimmobilien gibt es ein Überangebot, während bei den Konsumenten Zurückhaltung vorherrscht. Der börsennotierte Markt ist klein und auch im Fonds kaum vertreten, mit Ausnahme der IVG. Die Einführung von REITs wäre positiv, dürfte sich aber angesichts des Wahlergebnisses noch hinziehen. Umstritten ist die steuerliche Gestaltung: Durch Doppelbesteuerungsabkommen sind die Dividenden ausländischer Aktionäre weitgehend steuerfrei. Daher werden durch REITs hohe Steuerausfälle befürchtet, wie sie zum Beispiel Frankreich erlebte.

REITs wären auch für sich genommen noch kein Kaufsignal. Nicht nur die Verpackung, sondern auch der Inhalt muss stimmen. Der deutsche Markt könnte langfristig interessant werden, auf kürzere Sicht ist er es noch nicht.

Es gibt viele Befürchtungen im Zusammenhang mit einer Immobilienblase. Wie stehen Sie dazu?

Falls sich die Frage auf Wohnimmobilien bezieht: diese machen nur einen geringen Teil des globalen Markts aus. Es gibt einen recht großen US-Mietwohnungssektor. Steigen die Immobilienpreise, entwickelt sich dieser aber tendenziell gegenläufig, da die Mieter ausziehen und Wohneigentum erwerben.

Insgesamt stellen wir keine generelle Überhitzung fest. Die Hauspreise sind aus guten Grund gestiegen: Immobilien sind bezahlbar, da die Zinsen niedrig sind. Zudem bieten sie ein laufendes Einkommen. Anzeichen für eine Blase gibt es in einigen Städten in den USA wie Las Vegas, Phoenix, Miami oder verschiedenen Orten in Kalifornien. Von einer Überhitzung ist auch in Hong Kong die Rede. Meiner Meinung nach betrifft dies aber vor allem das Luxussegment.

Was sind derzeit die größten Risiken für den Immobilienmarkt?

Steigende Zinsen sind die Hauptsorge. Hier unterscheidet sich die Situation in den USA aber von der in Europa. Wir erwarten keinen Zinsanstieg in Großbritannien oder der Eurozone.

Nicht jede Immobiliengesellschaft wäre von einem Zinsanstieg in gleichem Ausmaß betroffen. Daher ist es möglich, Zinsrisiken durch die Wahl defensiver Titel zu verringern. Damit sind z.B. Gesellschaften mit einer vergleichsweise geringen Verschuldung gemeint. Tatsächlich sind wir gegenwärtig dabei, den Fonds defensiver zu positionieren.

Weitere Risiken liegen in der starken Kursentwicklung der Immobilienaktien im laufenden Jahr, die bis Ende September anhielt. Die danach einsetzende Korrektur entlastet nun den Markt.

Welche positiven Trends beobachten Sie?

Hier gibt es langfristige Trends wie das steigende Alter der Investoren. Diese sind auf Anlagen mit regelmäßigen Einkommensströmen angewiesen. Hier bietet sich Immobiliengesellschaften mit laufenden Einnahmen aus Mieten, Verkäufen und Dienstleistungen als Investment an.

Positive Signale kommen aus dem Büroimmobilienmarkt. Dieser konzentriert sich in Europa zu 65% auf London und Paris. Hier wurde der Boden des Konjunkturzyklus erreicht. In London gibt es bereits wieder ein Wachstum bei den Mieten, z.B. im West End und der City of London. In Paris fallen die Mieten nicht mehr. Ein moderates Wachstum sehen wir in Madrid und Stockholm. Insgesamt gibt es keine Überkapazitäten mehr, sondern eher einen Mangel an Nachfrage.

Weitere Impulse erwarten wir von der Einführung steuerbegünstigter Immobilien-AGs in Großbritannien. Die dortigen Immobilienunternehmen sind steuerlich gegenüber REITs benachteiligt und sollten von der Steuertransparenz profitieren. Die gesetzlichen Voraussetzungen könnten im kommenden Jahr geschaffen werden.

Sie sind für den Büromarkt optimistisch gestimmt. Was halten Sie von den anderen Sektoren?

Einzelhandelsimmobilienaktien halte ich aktuell für weniger attraktiv als Bürotitel, da sie derzeit teilweise weit über dem Wert der jeweiligen Immobilien selbst gehandelt werden. Hier ist zu hohes Mietwachstum in den Kursen der Aktien eingepreist. Zumal ich skeptisch bin, was das Verbrauchervertrauen angeht. Diesen Sektor haben wir daher im Fonds reduziert.

Anders sieht es bei Wohnimmobilien an ausgewählten Standorten aus, insbesondere wo die Nachfrage das Angebot übertrifft. Dies ist in Skandinavien der Fall, aber auch in London, Paris und Osteuropa. In Polen, Tschechien oder Ungarn können sich immer breitere Schichten den Kauf einer Immobilie leisten.

Für welche Anleger ist Ihr Fonds interessant?

Immobilienaktien eignen sich für Anleger, die an laufenden Einnahmen interessiert sind. Wir beschränken uns dabei aber nicht nur auf die Dividendenrendite, sondern zielen auf den Total Return ab. In manchen Fällen ist eine hohe Ausschüttungsquote für Immobilienunternehmen steuerlich nicht vorteilhaft. Es kann stattdessen lohnender sein, die Gewinne in die Entwicklung neuer Projekte zu investieren.

Immobilienaktien sind zudem die liquideste Form des Immobilieninvestments und ermöglichen eine hohe Diversifikation. Sie erfordern aufgrund ihres Aktiencharakters aber einen ausreichend langen Anlagezeitraum, damit ihre positiven Eigenschaften voll zum Tragen kommen.

Vielen Dank für das Gespräch.


Dieses Interview erschien ursprünglich in der November-Ausgabe der Zeitschrift Going Public.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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